Ausgangslage
Der Erbschaft- und Schenkungsteuer unterliegen Erwerbe von Todes wegen und Schenkungen unter Lebenden. Den Grundtatbestand der Schenkung bildet die sog. freigebige Zuwendung, die weitgehend dem entspricht, was der allgemeine Sprachgebrauch unter einer Schenkung versteht. Eine Schenkung liegt danach bei jeder freigebigen Zuwendung vor, durch die der Bedachte auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Der Tatbestand verlangt in objektiver Hinsicht eine Vermögensverschiebung, d.h. eine Vermögensminderung aufseiten des Zuwendenden und eine Vermögensmehrung aufseiten des Bedachten. In subjektiver Hinsicht muss dies mit dem Bewusstsein geschehen, die Leistung ohne Verpflichtung und ohne rechtlichen Zusammenhang mit einer Gegenleistung oder einem Gemeinschaftszweck zu erfüllen.
Dass das ErbStG in § 7 ErbStG auch weitere Vorgänge als Schenkung i.S.d. ErbStG fingiert, wird gerne übersehen, insbesondere weil oftmals nicht vorausgesetzt wird, dass der entsprechende Vorgang mit Zuwendungsabsicht erfolgt. Die Tatbestände erfassen unterschiedlichste gesellschaftsrechtliche Vorgänge, wie sie bei Personen- und Kapitalgesellschaften jeder Art und Größe vorkommen können. Nach dem Gesetzeswortlaut liegt vereinfacht gesprochen eine Schenkung vor, wenn
- ein Personengesellschaftsanteil mit einer Gewinnbeteiligung ausgestattet wird, welcher die Kapitaleinlage oder den sonstigen Leistungen des Gesellschafters an die Gesellschaft nicht entspricht (sog. Übermaßschenkung), § 7 Abs. 6 ErbStG;
- ein Gesellschafter unter Wert aus einer Gesellschaft ausscheidet, § 7 Abs. 7 ErbStG;
- ein Gesellschafter in eine Kapitalgesellschaft eine überquotale Einlage leistet, § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG; sowie
- Zuwendungen zwischen Kapitalgesellschaften in der Absicht getätigt werden, die Gesellschafter zu bereichern, § 7 Abs. 8 Satz 2 ErbStG.
Sachverhalt
In dem vorliegenden Fall hatte der BFH zu entscheiden, ob die Regelung des § 7 Abs. 7 Satz 2 ErbStG allein Fälle der Zwangseinziehung umfasst oder auch Fälle der einvernehmlichen Einziehung. Im Streitfall waren insgesamt vier Personen jeweils mit einer Stammeinlage von 81.000 € an einer GmbH beteiligt. Die Gesellschafter beschlossen einstimmig, den Geschäftsanteil des A einzuziehen, was nach dem Gesellschaftsvertrag einvernehmlich jederzeit möglich war. Als Abfindung erhielt der A eine Vergütung von 75.000 €. Die Nennbeträge der verbleibenden Gesellschafter wurden jeweils um 27.000 € auf 108.000 € aufgestockt.
Das Finanzamt sah darin einen schenkungsteuerlich relevanten Sachverhalt und erließ einen entsprechenden Schenkungsteuerbescheid. Der Kläger wehrte sich dagegen und führte aus, mangels Freigebigkeit liege keine freigebige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vor. § 7 Abs. 7 Satz 2 ErbStG scheide aus, da die Vorschrift allein Zwangseinziehungen erfasse, nicht aber die vorliegende einvernehmliche Einziehung. Dies zeige auch ein Blick auf die Parallelvorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 ErbStG, die ihrer Natur nach nur die Zwangseinziehung erfasse. Das FG Thüringen (Urteil vom 23.10.2019 – 4 K 72/18) sah die einvernehmliche Einziehung von § 7 Abs. 7 Satz 2 ErbStG erfasst und wies die Klage ab.
Die Entscheidung des BFH
Der BFH stimmte dem vorinstanzlichen Urteil zu. Das FG habe zu Recht erkannt, dass die Einziehung des Geschäftsanteils des A nach § 7 Abs. 7 Satz 2 ErbStG der Schenkungsteuer unterliege.
Der BFH führte zunächst in Übereinstimmung mit seiner bisherigen Rechtsprechung aus, dass die Vorschrift kein subjektives Tatbestandsmerkmal enthalte, mithin ein Bewusstsein der Unentgeltlichkeit nicht erforderlich sei.
Anschließend äußerste er sich dahingehend, dass die Vorschrift beide Formen der Einziehung umfasse, die Zwangseinziehung sowie die einvernehmliche. Die Vorschrift knüpfe mit dem Merkmal „eingezogen“ an die gesellschaftsrechtliche Norm des § 34 GmbHG an. Nach dieser darf eine Einziehung nur erfolgen, wenn dies im Gesellschaftsvertrag zugelassen ist, § 34 Abs. 1 GmbHG. Für die Zwangseinziehung ist darüber hinaus erforderlich, dass deren Voraussetzungen im Gesellschaftsvertrag festgesetzt waren, bevor der Gesellschafter seinen Anteil erworben hat. Vor diesem Hintergrund erkläre sich, dass der Wortlaut „auf Grund einer Regelung im Gesellschaftsvertrag“ nicht die Reichweite der Vorschrift einschränken, sondern vielmehr auf die Einziehungsvoraussetzungen des § 34 Abs. 1 GmbHG und § 34 Abs. 2 GmbHG hinweisen wolle. Auch verbliebe bei einem engeren Verständnis die Gesetzeslücke, welche § 7 Abs. 7 ErbStG für Wertverschiebungen durch Ausscheiden eines Gesellschafters gerade schließe wolle. Denn auch bei einer einvernehmlichen Einziehung fehle es an einem derivaten (rechtsgeschäftlichen) Erwerb des Anteils. Der betroffene Anteil wird nicht an die verbleibenden Gesellschafter übertragen, sondern geht durch die Einziehung unter. Die verbleibenden Gesellschafter profitieren allein durch die entsprechende Werterhöhung ihrer Anteile.
Bedeutung für die Praxis
Auch wenn in der Literatur teilweise unter Verweis auf die Parallelvorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 ErbStG vertreten wird, § 7 Abs. 7 Satz 2 ErbStG erfasse nur den Fall der Zwangseinziehung, kommt die Entscheidung des BFH nicht überraschend. Denn auch im Falle der einvernehmlichen Einziehung und Abfindung unter Wert profitieren die verbleibenden Gesellschafter von dem Ausscheiden durch eine Werterhöhung ihrer eigenen Anteile. Da eine freigebige Zuwendung mangels Verschiebung der Vermögenssubstanz ausscheidet, entstünde bei anderer Auffassung eine Gesetzeslücke, die durch die Einführung der §§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3, 7 Abs. 7 Satz 2 ErbStG gerade geschlossen werden sollte.
Die Entscheidung des BFH zeigt aber einmal mehr die nicht zu unterschätzende Bedeutung der Erbschaft- und Schenkungsteuer bei gesellschaftsrechtlichen Vorgängen. Da ein subjektives Tatbestandsmerkmal im Rahmen der entsprechenden Fiktionen des § 7 ErbStG zumeist nicht vorgesehen ist, werden Schenkungen häufig verwirklicht, ohne dass die ausscheidenden Gesellschafter die Intention haben, den Verbleibenden etwas zuzuwenden. Im Gegenteil geht dem Ausscheiden oftmals ein Streit zwischen den Gesellschaftern voraus. Dass allein die Umsetzung gesellschaftsvertraglicher Regelungen, die zum Schutze des Unternehmens im Kündigungsfall eine Abfindung mit Wertabschlag vorsehen, aufgrund des fehlenden subjektiven Tatbestandsmerkmals eine Schenkungsteuer auslösen können, ist misslich, aber auch durch den BFH in der hiesigen Entscheidung nochmals bestätigt. Vor diesem Hintergrund ist das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht bereits bei der Ausgestaltung der Gesellschaftsverträge zu beachten, z.B. dadurch, dass statt der Einziehung auch eine Abtretung des betroffenen GmbH-Geschäftsanteils an die Mitgesellschafter verlangt werden kann. Denn anders als der Fall der Einziehung kann die durch die Abtretung unter Wert fingierte Schenkung den Begünstigungen für Betriebsvermögen unterliegen. Für die Einziehung lehnt die Finanzverwaltung eine entsprechende Begünstigung ab, da die Gesellschafter selbst keine Anteile erwerben.