Auch nach knapp einem Jahr hat der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland unter dem Strich keine negativen Arbeitsmarkteffekte gebracht. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist sogar gestiegen, und zwar gerade in traditionellen Niedriglohnbranchen.
Im Gastgewerbe, einer typischen Niedriglohnbranche, lag die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im September 2015 um 6,5 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Zurückgegangen ist lediglich die Zahl oft sehr niedrig bezahlter und schlecht abgesicherter Minijobs, was zum Teil aber daran liegen dürfte, das diese Arbeitsverhältnisse in reguläre Stellen umgewandelt wurden. Das zeigen die neuesten vorliegenden Daten aus der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit, die Dr. Thorsten Schulten, Mindestlohnexperte des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung ausgewertet hat.
Arbeitsplatzverluste in der Finanzbranche
Nach den aktuellen BA-Zahlen, die die Entwicklung bis Ende September erfassen, sind deutschlandweit im Vergleich zum Vorjahr knapp 688.000 sozialversicherungspflichtige Stellen neu entstanden. Das entspricht einem Zuwachs von 2,2 Prozent. Auch bei der Leiharbeit, den „sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen“, zu denen beispielsweise Wachdienste, Gebäudereinigung und Callcenter gehören, im Sozialwesen und im Bereich Verkehr und Lagerei hat die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung überdurchschnittlich zugelegt, obwohl der Mindestlohn vielen Arbeitnehmern in diesen Branchen Gehaltssteigerungen beschert haben dürfte. In den einzigen Wirtschaftszweigen mit Arbeitsplatzverlusten – Finanzdienstleistungen und Energiewirtschaft – spielen Niedriglöhne dagegen kaum eine Rolle. „Bei der Entwicklung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse lassen sich demnach bislang keinerlei negativen Effekte des Mindestlohns nachweisen“, urteilt Arbeitsmarktexperte Schulten.
Weniger Minijobs durch Mindestlohn?
Gleichzeitig gesunken ist die Zahl der Minijobs: Laut BA hat die Zahl der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse zwischen September 2014 und September 2015 um 128.300 abgenommen, das entspricht einem Rückgang um 1,7 Prozent. Allerdings sei dieser nicht einfach mit Arbeitsplatzverlusten gleichzusetzen, betont Schulten. Es sei gut möglich, dass ein erheblicher Teil der ehemaligen Minijobs in reguläre Beschäftigungsverhältnisse umgewandelt wurde. Dafür spreche die deutliche Zunahme der sozialversicherungspflichtigen Stellen in Branchen wie dem Gastgewerbe, dem Handel oder den „sonstigen Dienstleistungen“. Allein in diesen drei Bereichen, in denen traditionell Minijobs weit verbreitet sind, entstanden zwischen September 2014 und September 2015 rund 215.000 zusätzliche sozialversicherungspflichtige Stellen.
(Hans-Böckler-Stiftung, PM vom 21.12.2015/ Viola C. Didier)