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10.05.2023

Steuerboard

Droht eine erneute Reform der erbschaftsteuerlichen Verschonungsregelungen?

Die Diskussionen um die Erbschaftsteuer reißen nicht ab. Nachdem sie zunächst zu Beginn des Jahres durch die Änderungen der Vorschriften über die Bewertung von Immobilienvermögen im Mittelpunkt der politischen Debatten stand, ist sie nun im Hinblick auf die erbschaftsteuerlichen Verschonungsvorschriften für Betriebsvermögen in den Fokus gerückt.

Droht eine erneute Reform der erbschaftsteuerlichen Verschonungsregelungen?

RA Dr. Fabian Schmitt
ist Associate bei POELLATH in Frankfurt/M.

Einführung

Jüngst hat sich die Fachkommission Wohlstand der CDU dafür eingesetzt, das bestehende Erbschaftsteuersystem grundlegend zu reformieren. Nach dem Vorschlag dieser Arbeitsgruppe sollen die erbschaftsteuerlichen Befreiungen für Unternehmensvermögen komplett abgeschafft und ein einheitlich niedriger Steuersatz in Höhe von 10% eingeführt werden. Dieser soll dann für alle Erwerber gelten, egal ob dieser Unternehmer oder Privatperson ist. Unternehmensvermögen würde danach nicht mehr steuerbegünstigt übertragen werden können, wie dies gegenwärtig durch Nutzung der Vollverschonung oder der Verschonungsbedarfsprüfung noch der Fall ist. Als Ausgleich für die damit einhergehende Steuerbelastung für Betriebe soll Unternehmenserben stattdessen die Möglichkeit einer zinslosen Steuerstundung gewährt werden, die für die Dauer von maximal zehn Jahren beansprucht werden kann.

Die Kritik an diesem Reformvorschlag ließ nicht lange auf sich warten. So warnte FDP-Parteichef Christian Lindner davor, dass es bei einem einmal eingeführten Einheitssteuersatz von 10% nicht bleiben müsse, sondern dieser schnell auf 15% angehoben werden könne. Zuspruch fand diese Kritik beim Verband der Familienunternehmer. Dessen Präsident, Reinhold von Eben-Worlée, sieht bei einer Umsetzung der Reform sogar die Nachfolge in Familienunternehmen in Gefahr.

Befeuert wird diese Diskussion durch das aktuell anhängige Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (1 BvR 804/22), in dem sich der Senat erneut mit der Frage der Verfassungskonformität der erbschaftsteuerlichen Befreiungsvorschriften für Betriebsvermögen (§§ 13a, 13b, 13c, 28a ErbStG) auseinandersetzen muss. Dem Verfahren ging die Entscheidung des BFH vom 17.01.2022 (II B 49/21) voraus. In diesem hatte das Gericht die Beschwerde des früheren Klägers und jetzigen Beschwerdeführers gegen die Nichtzulassung der Revision gegen die Entscheidung des FG Münster (Urteil vom 06.05.2021 – 3 K 3532/19) als unbegründet zurückgewiesen. Daraufhin erhob der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde vor dem BVerfG.

Beschluss des BFH vom 17.01.2022

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer ist Alleinerbe seiner im Jahr 2018 verstorbenen Tante. Von dieser erbte er ausschließlich Privatvermögen, das unter anderem ein Wertpapierdepot enthielt. Hierauf setzte das Finanzamt Erbschaftsteuer fest. Nachdem der Beschwerdeführer dagegen erfolglos Einspruch eingelegt hatte, erhob er Klage vor dem FG Münster. Seiner Ansicht nach unterliegt sein geerbtes Aktiendepot nicht der Erbschaftsteuer, da die erbschaftsteuerlichen Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen verfassungswidrig seien. Die Klage blieb jedoch ebenfalls erfolglos. Daraufhin wandte er sich im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde an den BFH und begehrte die Zulassung der Revision insbesondere wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Hierzu warf der Beschwerdeführer die Rechtsfrage auf, ob das Verschonungssystem des Erbschaftsteuergesetzes, insbesondere der §§ 13a, 13b, 13c, 28a ErbStG, gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 GG oder andere Grundrechte verstoße.

Nach Ansicht des Beschwerdeführers ist dies aus mehreren Gründen der Fall. So sei die im Streitfall vorgenommene Erbschaftsbesteuerung seines geerbten Privatvermögens deshalb verfassungswidrig, weil in demselben Zeitraum eine erbschaftsteuerliche Überbegünstigung von Betriebsvermögen gegeben war. Des Weiteren machte der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot wegen Hyperkomplexität der Verschonungsregelungen geltend und rügte einen Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip.  

Weiterhin stellte er dem BFH die Rechtsfrage, ob die erbschaftsteuerlichen Verschonungsregeln Art. 107 AEUV verletzen. Dies sei aus seiner Sicht der Fall, da die erbschaftsteuerliche Privilegierung betrieblichen Vermögens eine unionswidrige Beihilfe darstelle.

2. Entscheidung

Der BFH verneinte die Zulassung der Revision. Es liege weder eine klärungsbedürftige Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (§ 115 Abs. 1 Nr. 1 FGO) noch sei die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO). Darüber hinaus sei auch kein Verfahrensmangel i.S.d. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ersichtlich.

Der zweite Senat führte zur Begründung insbesondere an, dass die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Rechtsfrage, ob eine mit dem Gleichheitssatz aus Art. 3 GG unvereinbare Überbegünstigung betrieblichen Vermögens gegenüber nichtbetrieblichem (Privat-) Vermögen vorliege, durch die Rechtsprechung des BFH mittlerweile geklärt sei (BFH vom 06.05.2021 – II R 1/19, BStBl. II 2022 S. 77 = DB 2021 S. 2809). Folglich liege in diesem Fall keine klärungsbedürftige Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor. Gleiches gelte im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Verfassungswidrigkeit wegen Hyperkomplexität (BFH vom 06.05.2021 – II R 1/19, a.a.O.). Auch dringe der Beschwerdeführer nicht mit der behaupteten Verfassungswidrigkeit der Regelungen aufgrund eines Verstoßes gegen das Sozialstaatsprinzip durch. Insoweit sei sein Vortrag bereits unsubstanziiert. Denn es sei nicht erkennbar, warum der Gesetzgeber trotz der gesetzlichen Nachbesserungen durch das Erbschaftsteueranpassungsgesetz 2016 (ErbStAnpG 2016, BGBl. I 2016 S. 2464) und seines vom BVerfG eingeräumten weiten Entscheidungsspielraums das Sozialstaatsprinzip verletzt haben sollte.

Im Übrigen sei die Frage nicht entscheidungserheblich und daher in einem späteren Revisionsverfahren auch nicht klärungsfähig. Denn der Gesetzgeber habe mit dem ErbStAnpG 2016 lediglich die Vorschriften über die Steuerbefreiung betrieblichen Vermögens reformiert. Die übrigen Regelungen – im Streitfall diejenigen über den Übergang privaten Vermögens – habe der Gesetzgeber jedoch unangetastet gelassen.

Gleiches gelte hinsichtlich der Rechtsfrage, ob ein Verstoß der erbschaftsteuerlichen Verschonungsregeln gegen das unionsrechtliche Beihilfeverbot aus Art. 107 AEUV vorliege. Diese sei ebenfalls nicht entscheidungserheblich und daher in einem späteren Verfahren nicht klärungsfähig. Dies sei unabhängig von der Beantwortung der Frage nach einer möglichen fehlenden Klagebefugnis des Beschwerdeführers. Denn die etwaige Rechtswidrigkeit einer Steuerbefreiung im Hinblick auf das unionsrechtliche Beihilferecht tangiere selbst nicht die Rechtmäßigkeit der Steuerabgabe. Damit könne sich der Steuerschuldner nicht darauf berufen, die Befreiung anderer Personen (hier: der Unternehmenserben) stelle eine staatliche Beihilfe dar, um sich der Steuerzahlung entziehen zu können. Demzufolge sei eine positive Konkurrentenklage auf Gleichstellung mit dem steuerlich privilegierten Erwerber ausgeschlossen. 

Aus diesem Grund sei auch nicht der Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung i.S.d. § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO gegeben, da es sich hierbei lediglich um einen Unterfall der grundsätzlichen Bedeutung handele.

Schließlich war die Revision nach Ansicht des BFH auch nicht aufgrund eines Verfahrensfehlers zuzulassen. Denn die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes sei eine materiellrechtliche, nicht aber eine verfahrensrechtliche Frage i.S.d. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO.

Stellungnahmen zum BVerfG-Verfahren

Ob die vom Beschwerdeführer erhobene Verfassungsbeschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch den BFH Erfolg haben wird, wird unterschiedlich beurteilt. Während der Bund der Steuerzahler (BdSt) die Verfassungsbeschwerde für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet hält, geht die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) von ihrer Zulässigkeit und Begründetheit aus.

Der BdSt hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig. Seiner Auffassung nach seien die Darlegungen des Beschwerdeführers bereits ungenügend, um ausreichende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der erbschaftsteuerlichen Verschonungsregeln begründen zu können. Darüber hinaus sei die Verfassungsbeschwerde zumindest aber unbegründet. Zum einen habe sich der Gesetzgeber mit der Erbschaftsteuerreform des Jahres 2016 an die vom BVerfG (Urteil vom 17.12.2014 – 1 BvL 21/21, DB 2015 S. 42 Ls.) gestellten Vorgaben für eine verfassungskonforme Ausgestaltung des ErbStG gehalten und dabei seinen Gestaltungsspielraum genutzt. Zum anderen habe die Erbschaftsteuerreform auch nicht zu einer sog. Hyperkomplexität des ErbStG geführt. Auch liege kein Verstoß gegen das Sozialstaatsgebot aus Art. 20 Abs.1 GG vor, weil die Verschonung betrieblichen Vermögens erforderlich sei, um Arbeitsplätze zu sichern, wodurch das Sozialstaatsprinzip verwirklicht würde.

Die BRAK führt in ihrer Stellungnahme (Stellungnahme Nr. 18 März 2023) dagegen aus, dass der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes verletzt sei. Insbesondere sei die Verfassungsmäßigkeit der erbschaftsteuerlichen Verschonungsregelungen durch die Rechtsprechung des BFH noch gar nicht geklärt worden. Denn das BFH-Urteil vom 06.05.2021, a.a.O., auf das sich der BFH in seiner Entscheidung vom 17.01.2022 zuungunsten des Beschwerdeführers bezog, hatte die Tarifnorm des § 19 ErbStG vor Inkrafttreten des ErbStAnpG 2016 zum Gegenstand. Dieses galt erst für Erwerbe nach dem 30.06.2016. Damit sei eine Vorschrift in der Übergangsphase entscheidungsrelevant gewesen, für die das BVerfG die Fortgeltung des alten Erbschaftsteuerrechts bis zu einer rückwirkenden Neuregelung des ErbStG angeordnet hatte. Im hier zur Entscheidung des BVerfG anstehenden Streitfall sei es jedoch um erbschaftsteuerliche Regelungen nach Inkrafttreten des ErbStAnpG 2016 gegangen. Für diese existiere aber gerade (noch) keine Rechtsprechung durch den BFH.

Fazit und Ausblick

Ob das erbschaftsteuerliche Verschonungsregime verfassungswidrig ist, wird in dem aktuell anhängigen Verfahren vor dem BVerfG nicht entschieden werden. Das BVerfG prüft nur und ausschließlich, ob die Nichtzulassung der Revision durch den BFH den Beschwerdeführer in seinem Recht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes verletzt hat. Hält das BVerfG dies für gegeben, weist es die Sache gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG an den BFH zurück. Diesem wird dann Gelegenheit gegeben, sich im Rahmen der Revision erneut mit der Verfassungskonformität der erbschaftsteuerlichen Verschonungsregeln auseinanderzusetzen. Sofern der BFH dann von der Verfassungswidrigkeit überzeugt sein sollte, wird er die Frage dem BVerfG im Wege der Richtervorlage gemäß Art. 100 GG zur Entscheidung vorlegen. Erst dann ist das BVerfG dazu ermächtigt, eine Entscheidung über die Verfassungskonformität der erbschaftsteuerlichen Begünstigungsvorschriften für Unternehmensvermögen zu treffen. Das bedeutet, dass der Entscheidung erst noch ein zeitaufwendiges „Pingpong-Verfahren“ zwischen BVerfG und BFH vorgelagert sein würde. Dieses kann sich mitunter über mehrere Jahre hinziehen.

Der Wirbel um das anhängige BVerfG-Verfahren wirkt daher aufgebauscht. Zwar kann das BVerfG in seiner Entscheidung (mittelbar) Stellung zu der Verfassungsmäßigkeit der erbschaftsteuerlichen Verschonungsregeln beziehen. Daher bleibt abzuwarten, mit welchem Inhalt das BVerfG seine Entscheidung begründen wird. Selbst wenn der Senat die Verfassungsbeschwerde aber für zulässig und begründet erachten sollte, wird dies gleichwohl zunächst keine Auswirkungen auf die Verfassungsmäßigkeit der erbschaftsteuerlichen Verschonungsregeln haben. Dies hat das BVerfG vielmehr in einem gesonderten Verfahren zu prüfen. Gleiches gilt im Übrigen, falls der BFH im Rahmen seiner Revisionsentscheidung nicht von der Verfassungswidrigkeit überzeugt sein sollte und die Frage dem BVerfG daher nicht zur Entscheidung vorlegt. In dem Fall könnte nicht wegen Nichtzulassung der Revision, sondern unmittelbar gegen die Revisionsentscheidung des BFH selbst Verfassungsbeschwerde zum BVerfG erhoben werden.

Für Familienunternehmen, die von dem gegenwärtig günstigen Verschonungsregime der §§ 13a ff. ErbStG profitieren wollen, besteht daher aktuell noch kein dringender Handlungsbedarf. Allerdings könnte die Politik unabhängig von dem Ausgang des Verfahrens eine Reform der erbschaftsteuerlichen Betriebsbefreiungsvorschriften auf den Weg bringen. Denn wie aus dem Subventionsbericht der Bundesregierung hervorgeht (28. Subventionsbericht des Bundes vom 18.08.2021, S. 20), stellen die erbschaftsteuerlichen Verschonungsregeln für Unternehmensvermögen die größte Steuervergünstigung dar, während gleichzeitig der Finanzbedarf des Staatshaushalts in Zeiten anhaltender Krisen zunimmt (insbesondere durch Bereitstellung milliardenschwerer Hilfspakete wie dem Abwehrschirm zur Eindämmung der Energiekrise i.H.v. 200 Mrd. €, das Sondervermögen für die Bundeswehr i.H.v. 100 Mrd. €, die Hilfsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Krise i.H.v. 130 Mrd. €). Zwar könnten die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden auf Rekordhöhe steigen, nicht zuletzt inflationsbedingt. Gleichwohl könnten Teile der Ampel-Koalition versucht sein, mittels Abschaffung der erbschaftsteuerlichen Unternehmensbefreiungsvorschriften noch weitere Steuermehreinnahmen zu generieren, und dies vordergründig mit dem im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziel des „Subventionsabbaus“ rechtfertigen. Es erscheint jedoch unwahrscheinlich, dass dies noch innerhalb der laufenden Legislaturperiode geschehen wird. Allerdings bleibt abzuwarten, welche politischen Wellen die in diesem Jahr anstehenden Landtagswahlen und eine etwaige Entscheidung des BVerfG zur Erbschaftsteuer schlagen.

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