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23.01.2025

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Doppelbesteuerung des Carried Interest in grenzüberschreitenden Fällen – Urteil des FG Schleswig-Holstein vom 08.10.2024

Das FG Schleswig-Holstein hat in einem aktuellen Urteil vom 08.10.2024 (3 K 37/22) als erstes Finanzgericht in Deutschland über die Einordnung des Carried Interest im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG für Zwecke eines DBA entschieden. Nach Auffassung des FG sei der Carried Interest nicht als Unternehmensgewinn im Sinne des Art. 7 DBA-USA einzuordnen, weshalb Deutschland das volle Besteuerungsrecht am Carried Interest zustehe. Als Folge dieser Qualifikation droht in der Praxis eine Doppelbesteuerung des Carried Interest, wenn auch der ausländische Fiskus den Carried Interest besteuert. Dies stellt ein wegweisendes Verfahren für die Besteuerung des Carried Interest in grenzüberschreitenden Sachverhalten dar – insbesondere in Anbetracht der Änderungen der Besteuerung in UK.

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StB/FBIStR Dipl.-Fw. (FH) Raphael Baumgartner, M.A. (Taxation),
ist Counsel bei POELLATH in München

StB Dipl.-Fw. (FH) Michael Forchhammer, M.A. (Taxation),
ist Associate bei POELLATH in München

I. Hintergrund

Der Carried Interest als kapitaldisproportionale Gewinnverteilung und dessen Besteuerung beschäftigen Finanzverwaltung, Literatur und Rechtsprechung schon seit Jahren, mit teils fundamental divergierenden Auffassungen. Galt der Carried Interest zu Beginn der 2000er Jahre nach allgemeinen steuerlichen Grundsätzen noch als steuerfrei, hat dies die Finanzverwaltung nie akzeptiert und ihn als voll steuerpflichtig behandelt, obwohl man kapitaldisproportionale Gewinnverteilungsabreden bei Personengesellschaften an anderer Stelle, wie sich beispielsweise aus den Einkommensteuerrichtlinien zu § 21 EStG ergibt, akzeptiert hat.

Der Gesetzgeber reagierte mit Einführung des § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG zum VZ 2004, der in einer hälftigen bzw. seit dem Jahr 2009 60%-Steuerpflicht des Carried Interest aus vermögensverwaltenden Fonds resultiert. Dies hat jedoch seitens der Finanzverwaltung nicht zu einer Änderung der Rechtsauffassung geführt. Denn die Gewinnverteilungsabrede auf Ebene der Fonds wurde weiterhin nicht anerkannt und der Carried Interest als Tätigkeitsvergütung der Initiatoren, die diese von den Investoren erhalten würden, gesehen. Dies hatte für Privatinvestoren zur Folge, dass der Carried Interest die Einkünfte nicht mindert und zeitgleich bei den Initiatoren versteuert werden müsse – de facto eine doppelte Besteuerung.

Dass diese Auffassung der Finanzverwaltung rechtlich nicht haltbar ist, bestätigte der BFH bereits im Jahr 2018 für gewerbliche Fonds (vgl. Urteil vom 11.12.2018 – VIII R 11/16) und bestätigte seine Auffassung später ebenfalls für vermögensverwaltende Fonds (vgl. Urteil vom 16.04.2024 – VIII R 3/21).

Somit ist bestätigt, dass diese zivilrechtlich wirksam zustande gekommenen Gewinnverteilungsabreden auch steuerlich anzuerkennen sind. Ferner ergibt sich durch § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG keine andere Sichtweise. Aus dem Wortlaut der Norm geht bereits hervor, dass der Carried Interest ein Gewinnanteil ist, den die Initiatoren für die Erbringung der immateriellen Gesellschafterbeiträge erhalten. § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG ordnet lediglich dessen Erfassung bei den Einkünften aus selbstständiger Arbeit an.

Bisher noch ungeklärt ist jedoch die Frage, wie der Carried Interest in Zusammenhang mit dem Abkommensrecht zu beurteilen ist. Mit dieser Fragestellung hat sich das FG Schleswig-Holstein in seinem Urteil vom 08.10.2024 auseinandergesetzt. Hierbei kommt es maßgeblich darauf an, ob der Carried Interest einen Gewinnanteil und damit grundsätzlich Einkünfte aus vermögensverwaltender Tätigkeit darstellt, die lediglich kraft Fiktion bei den Einkünften aus selbstständiger Arbeit zu erfassen sind, oder ob er zu originären Einkünften aus selbstständiger Arbeit führt. Diese Einordnung ist von entscheidender Bedeutung für Zwecke des Abkommensrechts.

II. Sachverhalt

Die Klägerin, eine US-amerikanische Limited Liability Company (LLC) mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung in den USA, hielt mehrere Beteiligungen an anderen Personengesellschaften in den USA und im Inland (Fonds). Die Fonds und die LLC qualifizieren nach dem sog. Rechtstypenvergleich als Personengesellschaft und sind nur vermögensverwaltend tätig. Beteiligter der LLC war unter anderem ein Deutscher, welcher in den Streitjahren ansässig im Sinne des DBA-USA in Deutschland war (Beigeladener).

Die Klägerin war proportional zu ihrer Einlage am Ergebnis der Fonds beteiligt und erhielt darüber hinaus einen sog. „Carried Interest“ aufgrund ihres ideellen Beitrags zur Förderung des Gesellschaftszwecks.

Den Carried Interest erklärte die Klägerin in ihrer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2011 als Einkünfte gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG. Soweit der Carried Interest auf den Beigeladenen entfiel, erklärte die Klägerin Einkünfte, die unter Progressionsvorbehalt steuerfrei sind, soweit in den USA eine Besteuerung stattfand. Soweit die USA den Carried Interest nicht besteuert haben, erklärte die Klägerin steuerpflichtige Einkünfte aufgrund der Anwendung der Switch-over-Klausel gem. Art. 23 Abs. 4 Buchst. b) DBA-USA.

Das FA berücksichtigte hingegen keine Steuerfreistellung, da der Carried Interest abkommensrechtlich nicht als Gewinn im Sinne des Art. 7 DBA-USA zu qualifizieren sei, und behandelte den Carried Interest, soweit er auf den Beigeladenen entfiel, insgesamt als steuerpflichtige Einkünfte nach § 18 Abs. 1 Satz  1 Nr. 4 EStG (vor Anwendung des Teileinkünfteverfahrens).

III. Wesentliche Entscheidungsgründe

Mit Urteil vom 08.10.2024 hat das FG Schleswig-Holstein erstmals zur Einordnung des Carried Interest für Zwecke eines DBA geurteilt und im Ergebnis die Klage als unbegründet zurückgewiesen. Das FG vertritt die Auffassung, dass der Carried Interest national zu den Einkünften aus selbstständiger Arbeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG zählen würde, er jedoch nicht unter „gewerbliche Gewinne“ i.S. von Art. 7 Abs. 1, Abs. 7 DBA-USA zu fassen ist.

1. Einkünfte-Qualifikation für Zwecke eines DBA
Für Zwecke des Abkommensrechts müsse der Carried Interest nach Art. 3 Abs. 2 DBA-USA eigenständig gewürdigt werden, da das DBA keine Definition von gewerblichen Gewinnen enthalte. Um unter Art. 7 DBA-USA zu fallen, müsse der Carried Interest aus einer „unternehmerischen“ Tätigkeit stammen. Entscheidungserheblich ist somit die Art der Tätigkeit, die zur Erzielung der Einkünfte führt, wobei der systematischen Einordnung der Einkünfte im nationalen Recht nur eine Hilfsfunktion zukommen dürfe.

2. Fiktion des § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG
Das FG bestätigt deutlich, dass es sich beim Carried Interest grundsätzlich um Einkünfte aus Vermögensverwaltung (§§ 20, 23 EStG) handelt. § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG stelle dabei lediglich eine im nationalen Recht geltende Fiktion dar, die den Carried Interest den Einkünften aus selbstständiger Arbeit zuordne. Diese nationale Fiktion wirkt nicht dergestalt auf das Abkommensrecht, dass sich hieraus die Einordnung als gewerbliche Gewinne im Sinne des DBA-USA ergäbe. Das FG zieht hier eine Parallele zur abkommensrechtlichen Qualifikation der „gewerblichen Prägung“ nach § 15 Abs. 3 EStG. Da eine gewerblich geprägte Personengesellschaft keine originär gewerblichen Einkünfte erzielt und nur wegen einer Fiktion Einkünfte aus Gewerbebetrieb realisiert, können die Einkünfte nicht unter Art. 7 DBA-USA fallen.

Demgemäß liegen, bezogen auf den Carried Interest, keine Unternehmensgewinne i.S.d. Art. 7 DBA-USA vor, sondern Veräußerungsgewinne nach Art. 13 Abs. 5 DBA-USA oder andere Einkünfte nach Art. 21 Abs. 1 DBA-USA.

3. Keine Steuerbefreiung unter Progessionsvorbehalt
Die dargestellte abkommensrechtliche Qualifikation habe zur Folge, dass Deutschland das volle Besteuerungsrecht am Carried Interest zustehe. Somit scheidet eine Freistellung unter Progressionsvorbehalt aus.

Da die Klägerin und der Beigeladene auf die Anrechnung bzw. den Abzug der in den USA entrichteten Steuer gem. § 34c EStG verzichtet haben, müsse das FG hierüber und über eine mögliche Anwendung des Art. 23 Abs. 4 Buchst. a) DBA-USA nicht entscheiden.

IV. Fazit und Ausblick

In einem ersten Schritt liegt das FG Schleswig-Holstein auf einer Linie mit der einschlägigen BFH-Rechtsprechung zur Behandlung des Carried Interest, soweit es ausführt, dass der Carried Interest dem Grunde nach Teil der Ergebnisverteilung eines Private Equity Fonds darstellt und somit grundsätzlich zu Einkünften nach § 20 EStG führt. Auch die nationale Behandlung des Carried Interest aus vermögensverwaltenden Fonds als Einkünfte aus selbständiger Arbeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG ist zutreffend.

Differenzierter zu betrachten sind jedoch die Aussagen zur „Funktionsweise“ des § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG und der Frage, ob es sich dabei um eine gesetzliche Fiktion handelt. Während das FG eine Fiktion sieht, die im Endeffekt zu einer Doppelbesteuerung führen kann, finden sich im Schrifttum gegenteilige Aussagen, die das Risiko einer Doppelbesteuerung in vergleichbaren Fällen reduzieren würden. Aufgrund dieser bestehenden Rechtsunsicherheit ist das weitere Verfahren, sofern Revision eingelegt wird, mit Spannung zu verfolgen, da sich der BFH erstmals deutlich zu der Frage positionieren muss, ob § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG eine Fiktion darstellt.

Besonders relevant ist das Verfahren für die grenzüberschreitende Besteuerung des Carried Interest in Fällen mit Bezug zum Vereinigten Königreich, denn die dortigen Regelungen zur Besteuerung des Carried Interest sollen geändert werden, um den Carry in UK erfassen zu können, was in entsprechender Anwendung der Entscheidungsgrundsätze des FG zu einer Doppelbesteuerung führen dürfte.

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