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21.07.2025

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BAG zieht beim digitalen Zugangsrecht von Gewerkschaften zu Werbezwecken enge Grenzen

Noch im September 2024 gab es im Referentenentwurf des BMAS für ein Bundestariftreuegesetz Ideen hinsichtlich eines digitalen betrieblichen Zugangsrechts von Gewerkschaften. Diese gesetzgeberischen Bestrebungen waren zur Erleichterung der Arbeitgeberseite nur von kurzer Dauer. Nun hat auch das BAG dafür gesorgt, dass Arbeitgeber erst einmal aufatmen können: In seinem Urteil vom 28.01.2025 (1 AZR 33/24) hat der 1. Senat des BAG einem digitalen Zugangsrecht von Gewerkschaften zu Werbezwecken enge Grenzen gezogen.

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RAin/FAinArbR Dr. Bettina Scharff
ist Partnerin bei Ubber Labour & Law (München)

Sachverhalt

Die beklagte Arbeitgeberin verfügt in Deutschland über mehrere Betriebe, darunter den Betrieb in H. mit ca. 5.400 Arbeitnehmern. Die Klägerin ist eine für die Beklagte zuständige Gewerkschaft.

Den am Standort H. beschäftigten Arbeitnehmern ist es erlaubt, einen nicht unerheblichen Anteil ihrer Arbeitszeit mobil zu arbeiten. Der Nutzername der unter der Domaine der Beklagten generierten betrieblichen E-Mail-Adressen besteht aus dem jeweiligen Vor- und Nachnamen der Arbeitnehmer. Die betriebsinterne Kommunikation erfolgt vielfach digital, u.a. über das konzernweite Netzwerk Viva Engage.

Mit einer Vielzahl von Anträgen hat die Klägerin geltend gemacht, die Beklagte habe ihr zum Zwecke der Mitgliederwerbung digitalen Zugang zu den internen elektronischen Kommunikationssystemen zu gewähren.

Entscheidung

Nachdem die klagende Gewerkschaft bereits in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt hatte, wies auch das BAG die Revision gegen das Urteil des LAG Nürnberg (7 Sa 344/22) mit überzeugenden Argumenten zurück:

Im Ergebnis nahm der 1. Senat hinsichtlich sämtlicher von der Klägerin zu Werbezwecken geltend gemachten Zugangsrechten zu digitalen Kommunikationssystemen eine Abwägung der gegenläufigen Grundrechtspositionen vor und räumte der von Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG garantierten wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit der Arbeitgeberin den Vorrang ggü. der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten gewerkschaftlichen Betätigungsfreiheit ein:

  • Die von der Klägerin avisierten dauerhaften und fortlaufenden Mitwirkungsverpflichtungen der Beklagten durch Übermittlung der E-Mail-Adresse (auch) eines jeden neuen Arbeitnehmers an die Klägerin und Duldung der Kontaktaufnahme mit den Arbeitnehmern per E-Mail jeweils bis zu 104 mal pro Jahr, beeinträchtigten die Interessen der Beklagten erheblich. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin alternative Möglichkeiten zur Durchsetzung ihrer Werbeinteressen habe: Insbesondere habe sie im Rahmen ihrer regelmäßig im Betrieb vor Ort stattfindenden Werbemaßnahmen die Möglichkeit, die E-Mail-Adressen der Arbeitnehmer zu erfragen. Diese Abwägungsergebnis berücksichtige die (ebenfalls) grundrechtlich geschützten Interessen der betroffenen Arbeitnehmer bestmöglich, da diese selbst über die Preisgabe ihrer betrieblichen E-Mail-Adressen entscheiden könnten. Unabhängig davon stuft der 1. Senat den von der Klägerin insoweit gestellten Antrag zu Recht als (als unbegründet abzuweisenden) Globalantrag ein, da er auch Konstellationen umfasse, in denen das Schutzbedürfnis der Beklagten überwiege (z.B. weil es im Einzelfall durch den E-Mail-Versand zu nicht mehr hinzunehmenden Störungen des Betriebsablaufs oder des Betriebsfriedens komme).
  • Einen Anspruch der Klägerin auf Zugang und Nutzung des konzernweitern Netzwerks Viva Engage verneint der 1. Senat insbesondere deshalb, weil die Klägerin als außenstehende Dritte andernfalls Kenntnis über verschiedene sensible Unternehmensdaten erhalte und die Klägerin mit den beabsichtigten Posts in Viva Engage beständig die von der Beklagten verwendeten digitalen Strukturen beanspruche.
  • Bzgl. des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs auf dauerhafte Verlinkung von der Startseite des konzernweiten Intranets auf die Homepage der Klägerin stellt der 1. Senat in den Vordergrund, dass gerade der Ausgestaltung der Startseite des betrieblichen Intranets eine besondere Bedeutung für die Beklagte zukomme. Deshalb sei der Beklagten die Programmierung eines dauerhaften Links an dieser prominenten Stelle nicht zumutbar. Mangels planwidriger Regelungslücke scheitere auch eine analoge Anwendung des für den öffentlichen Dienst geltenden § 9 Abs. 3 Satz 2 BPersVG.

Bewertung

Ob und unter welchen Voraussetzungen Gewerkschaften in Betrieben Mitgliederwerbung betreiben dürfen, ist seit vielen Jahren ein „Dauerbrenner“. Nachdem die Digitalisierung der Arbeitswelt immer weiter voranschreitet, hat – im Gegensatz zu früheren Zeiten, als ein physisches betriebliches Zugangsrecht im Fokus gewerkschaftlicher Interessen stand – die Frage eines digitalen Zugangsrechts zum Betrieb in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. In seiner Entscheidung vom 20.01.2009 (1 AZR 515/08, DB 2009 S. 1410) hat der 1. Senat deutlich gemacht, dass Gewerkschaften (ihnen bekannte) betriebliche E-Mail-Adressen als Kommunikationsmittel grundsätzlich zu Informations- und Werbezwecken nutzen dürfen und der Arbeitgeber dies zu dulden hat, soweit es nicht zu einer Beeinträchtigung des Betriebsablaufs oder einer Störung des Betriebsfriedens führt. Erfreulicherweise hat der 1. Senat den Mitwirkungs- und Duldungspflichten von Arbeitgebern hinsichtlich der Verschaffung eines gewerkschaftsseitigen Zugangs zu digitalen Kommunikationssystemen in seiner Entscheidung vom 28.01.2025 (a.a.O.) nun enge Grenzen gesetzt: Hierbei hat der 1. Senat insbesondere der von Art. 12  Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG geschützten wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit der Arbeitgeberseite einen hohen Stellenwert eingeräumt, aber auch die grundrechtlich geschützten Interessen der betroffenen Arbeitnehmer, über eine Preisgabe ihrer betrieblichen E-Mail-Adressen, die personenbezogen Daten enthalten, selbst zu entscheiden, entsprechend in die im Wege der praktischen Konkordanz vorzunehmende Abwägungsentscheidung einbezogen. Dies ist erfreulich, stärkt die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit von Arbeitgebern und berücksichtigt zudem die grundrechtlich geschützten Interessen von Arbeitnehmern in dem gebotenen Maße.

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