07.09.2020

Arbeitsrecht, Meldung

Dienstreise: Skiunfall als Arbeitsunfall?

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Lädt eine Firma ihre Kunden zu einer Reise ein und ist das Skifahren der einzige Programmpunkt der Reise, ist bereits fraglich, ob es sich um eine Dienstreise handelt. Jedenfalls aber ist das Skifahren nicht gesetzlich unfallversichert, soweit es dem Freizeitbereich zuzuordnen ist. Dies entschied der 9. Senat des Hessischen Landessozialgerichts zum Skiunfall des Geschäftsführers.

Beschäftigte sind auf Dienstreisen gesetzlich unfallversichert. Dies gilt allerdings nicht „rund um die Uhr“. Vielmehr muss die konkrete Tätigkeit auf einer Dienstreise – ebenso wie am Arbeitsplatz – mit dem Beschäftigungsverhältnis wesentlich zusammenhängen und diesem dienen.

Skiunfall in den USA

Im Streitfall war ein Geschäftsführer während einer Ski-Reise verunglückt. Sein Arbeitgeber, ein Fachhandelsunternehmen, hatte für Firmenkunden eine sechstägige Reise nach Aspen in Colorado organisiert, mit welcher die Kundenbindung intensiviert werden sollte. Während der Reise stürzte der Geschäftsführer bei einer Skiabfahrt, als sich beim Umsetzen seine Skier verkanteten. Er zog sich eine Oberschenkelfraktur zu, die noch in den USA operativ versorgt wurde.

Kein Versicherungsschutz „rund um die Uhr“

Die Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, da sich der Skiunfall nicht während einer versicherten Tätigkeit ereignet habe. Reine Freizeitbetätigungen seien auch dann nicht versichert, wenn sie in eine Veranstaltung eingebettet seien, welche dienstlichen Belangen diene. Die Teilnehmer der Reise hätten sich zwar täglich zum Frühstück und Abendessen getroffen, ansonsten seien sie in der Gestaltung der täglichen Aktivitäten aber vollkommen frei gewesen.

Der Verunglückte berief sich dagegen darauf, dass er von seiner Arbeitgeberin beauftragt worden sei, die geschäftlichen Kontakte zu den mitreisenden Führungskräften der Geschäftspartner zu pflegen. Der Firma sei es wichtig gewesen, dass er an den Aktivitäten einschließlich des Skifahrens teilnehme. Die Mitreisenden hätten am Unfalltag ausdrücklich seine Teilnahme an der Skiabfahrt gewünscht. Beim Aufstieg sprach man ferner über geschäftliche Dinge.

Skifahren ist keine arbeitsvertragliche Pflicht

Die Richter des Hessischen Landessozialgerichts verneinten einen Arbeitsunfall im Urteil vom 14.08.2020 (L 9 U 188/18). Die maßgebliche Skiabfahrt sei eine privatwirtschaftliche Tätigkeit gewesen. Diese Freizeitaktivität stehe mit der versicherten Beschäftigung des Geschäftsführers in keinem sachlichen Zusammenhang und sei daher nicht gesetzlich unfallversichert. Skifahren habe offenkundig nicht zu dessen arbeitsvertraglichen Pflichten gehört. Auch sei ihm keine entsprechende Weisung zur Teilnahme an einer Skiabfahrt erteilt worden.

Längere Dienstreisen unter der Lupe

Zudem sei die Skifahrt nicht im Rahmen einer Dienstreise gesetzlich unfallversichert gewesen. Denn nicht alle für ein Unternehmen nützlichen Aktivitäten stünden unter Versicherungsschutz. Gerade bei längeren Dienstreisen ließen sich vielmehr regelmäßig Tätigkeiten unterscheiden, die für das Unternehmen in einem wesentlichen Zusammenhang stünden und solchen, bei denen dies in den Hintergrund trete. Es sei schon fraglich, ob die Reise überhaupt eine Geschäfts- bzw. Dienstreise oder nicht vielmehr eine sog. Motivations- bzw. Incentivereise gewesen sei. Jedenfalls aber habe das Skifahren im Mittelpunkt der Reise gestanden und sei nach dem vorgelegten Flyer sogar der einzige Programmpunkt gewesen.

Auch die Pflege geschäftlicher Kontakte begründe keine versicherte Tätigkeit. Der Versicherte und seine Arbeitgeberin hätten es schließlich nicht in der Hand, Freizeitaktivitäten (Skifahren) insgesamt dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung zu unterstellen, indem sie diese mit betrieblichen Motiven (Kundenbindung) verknüpften. Dies gelte gleichermaßen für die betriebliche Finanzierung der Reise, die Freistellung des Geschäftsführers von der Arbeit und die Erwartung der Arbeitgeberin, dass er an der Freizeitaktivität teilnehme.

(Hess. LSG, PM vom 07.09.2020/ Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro)

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