10.10.2017

Interview

Die Zukunft der Unternehmensberichterstattung

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Der Betrieb

Will ein Unternehmen auch in Zukunft erfolgreich sein, muss es die Erwartungen seiner Stakeholder befriedigen. Um die Unternehmensleistung optimal zu kommunizieren, sollte die Berichterstattung entsprechend ausgestaltet sein. Das Konzept des Integrated Reporting hat genau dieses Ziel. Wie IR die Zukunft der Unternehmensberichterstattung beeinflussen wird, erklärt Prof. Dr. Axel Haller, Inhaber des Lehrstuhls „Financial Accounting and Auditing“ an der Universität Regensburg und Leiter des Arbeitskreises „Integrated Reporting“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V.

DB: Es ist nun fast 10 Jahre her, dass BASF seinen Konzernabschluss für das Jahr 2007 als erstes deutsches Unternehmen in einer integrierten Form publiziert hat. War das ein Meilenstein in der Unternehmensberichterstattung?

Haller: „Ich würde den damaligen Schritt nicht unbedingt als „Meilenstein“ bezeichnen. Allerdings brachte er zum Ausdruck, dass das damalige BASF-Management davon überzeugt war, dass die Kommunikation von finanziellen und nachhaltigkeitsorientierten Informationen in einem Bericht Vorteile hat. Die Tatsache, dass das Unternehmen bis heute an dieser Form der Unternehmensberichterstattung fest gehalten hat zeigt, dass diese Überzeugung auch heute noch besteht. Hinzu kommt, dass der damalige Bericht eher als ein kombinierter Bericht zu bezeichnen war, während der aktuelle Bericht einen deutlich höheren Integrationsgrad aufweist. Andere Unternehmen haben sich über die Jahre BASF angeschlossen und machen deutlich, dass diese Form der Berichterstattung sich zwangsläufig aus einer Unternehmensstrategie ergibt, in der die nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung eine zentrale Rolle spielt.“

DB: Das IIRC, eine global aufgestellte Multi-Stakeholder Institution, bemüht sich intensiv, Unternehmen weltweit davon zu überzeugen, dass das Konzept des Integrated Reporting (IR) eine adäquate Lösung für eine effektive sowie effiziente Unternehmensberichterstattung in der Gegenwart und für die Zukunft ist. Wie sieht das IR-Konzept aus?

Haller: „Das IR-Konzept ist geprägt von der Auffassung, dass die Wertschaffung eines Unternehmens sich nicht nur auf das Finanzkapital beschränkt, sondern auch andere Kapitalarten (Ressourcen, z.B. Naturkapital, Humankapital, Sozialkapital etc.) umfasst. Dabei kommt dem Unternehmensmanagement die Aufgabe zu, zu entscheiden, in welchem Ausmaß es den wertrelevanten Einfluss der Unternehmenstätigkeit auf verschiedene Kapitalarten berücksichtigt und in seine Strategien einbezieht, d.h. in welchem Ausmaß ein sog. „integrated thinking“, ein Schlüsselbegriff im IR-Konzept, zur Anwendung kommt. Hier knüpft die Aufgabe der externen Berichterstattung an, die aufzeigen soll, welches Wertkonzept die Unternehmensleitung verfolgt und wie sie versucht, die häufig konfligierenden Einflüsse, Effekte bzw. Trade-offs zu managen und damit mittel- und langfristig Wert zu schaffen. Somit fallen die Berichtsinhalte grundsätzlich unternehmensindividuell aus und folgen dem sog. „Management Approach“. IR impliziert also ein holistisches Unternehmensführungskonzept, das auf eine Wertschaffung durch effizienten Umgang mit verschiedenen Kapitalarten abzielt.“

DB: Warum sollten sich Unternehmen nach dem IR-Konzept richten?

Haller: „Weil es für sie und ihre Stakeholder zahlreiche Vorteile haben kann. Hierzu zählen z.B. Steigerung der Effektivität der Stakeholderbeziehungen, frühzeitiges Erkennen von zukünftigen Chancen- und Risiken sowie bessere Kommunikation und Abstimmung zwischen verschiedenen Unternehmensbereichen bzw. -funktionen. Darüber hinaus hat IR das Potential, mehrdimensionale Werteffekte transparent zu machen und in die Entscheidungen des Managements sowie der Stakeholder mit einzubeziehen. Dies kann einen Beitrag zur gesamtgesellschaftlichen nachhaltigen Entwicklung leisten und die dabei bestehende wertschaffende Rolle von Unternehmen aufzeigen.“

DB: Woran liegt es, dass es weltweit gesehen immer noch wenig Unternehmen sind, die das Konzept anwenden oder sich zumindest ernsthaft mit dem Gedanken tragen, dies in der näheren Zukunft zu tun?

Haller: „Ich denke, die Gründe sind vielfältig. Zum einen dürften viele Unternehmen ihre Berichterstattung immer noch als reine Compliance-Übung verstehen und deshalb nur bei regulatorischen Maßnahmen reagieren. Andere dürften die Rechtsunsicherheit scheuen, da für IR praktisch keine Sollnormen bestehen, was auch eine große Herausforderung für die Abschlussprüfer darstellt. Außerdem wird sicherlich auch die Komplexität des integrierten Denkens als große Barriere gesehen. Eine Rolle dürfte auch spielen, dass viele mit IR immer noch den einen (einzigen) Unternehmensabschluss assoziieren, der die Informationsbedürfnisse aller Stakeholder auf einem hohen Detaillierungsniveau befriedigen sollte. Schließlich scheinen auch viele Kapitalgeber die Relevanz der Nachhaltigkeit für den langfristigen Unternehmenserfolg noch nicht zu erkennen.“

DB: Wie beurteilen Sie die Zukunftsfähigkeit des IR-Konzepts?

Haller: „Ich schätze die Zukunftsfähigkeit einer auf einem „integrated thinking“ basierenden Unternehmensführung sowie einer daraus folgenden integrierten Berichterstattung als sehr positiv ein. Wir befinden uns erst am Anfang der Entwicklung. Historisch betrachtet, haben viele heute praktizierte Konzepte auch eine beträchtliche Zeit gebraucht, um sich durchzusetzen. Ich möchte nur an die internationalen Rechnungslegungsstandards (heute IFRS) erinnern. Die Frage ist meines Erachtens nicht, ob, sondern mit welcher Geschwindigkeit sowie welcher konkreten Ausprägung sich IR durchsetzen wird. Dies dürfte von zahlreichen Einflussfaktoren bestimmt sein; so u.a. durch die diesbezüglich effektive Kooperation der relevanten Standardisierungsinstitutionen (wie z.B. das IASB, die GRI sowie das IIRC), den Umfang des Einflusses der Digitalisierung auf Unternehmensführung und -berichterstattung sowie – damit zusammenhängend – der Bereitschaft, sich von einem gedruckten oder als PDF formatierten Bericht zu lösen und sich für eine hierarchisches, mit mehreren Detaillierungsstufen der Berichterstattung (wie z.B. durch die FEE 2015 vorgeschlagen) sowie elektronisches und interaktives Format zu öffnen. Der wesentlichste Einflussfaktor dürfte jedoch sein, wie schnell und wie „nachhaltig“ sich die Erkenntnis in den Führungsetagen von Unternehmen sowie in der Investment-Community durchsetzt, dass die nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung sowohl den langfristigen Unternehmenserfolg als auch die gesellschaftliche Wohlfahrt determiniert.“

DB: Vielen Dank für das Interview, Herr Professor Haller!

Mehr zum Thema erfahren Sie im Fachbeitrag Integrated Reporting in KoR Nr. 10 10.10.2017, S. 442 ff. sowie online unter Dokumentennummer KOR1247633.

Das Interview führte Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro.

 


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