I. Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, war bis einschließlich 2007 Teil einer körperschaftsteuerlichen Organschaft mit der A-GmbH als Organträgerin. Im Rahmen einer konzerninternen Umstrukturierung übertrug die A-GmbH ihren operativen Teilbetrieb auf eine neugegründete Tochtergesellschaft, die B-GmbH. Das restliche Vermögen, insbesondere die Beteiligungen an der Klägerin und der B-GmbH, wurde im Wege einer Ausgliederung auf die ebenfalls neu gegründete X-KG übertragen. Diese übernahm unter anderem den mit der Klägerin bestehenden Ergebnisabführungsvertrag.
Die X-KG verfügte weder über eigenes Personal noch erbrachte sie entgeltlich Dienstleistungen gegenüber ihren Tochtergesellschaften. Die zentralen Führungsfunktionen innerhalb des Konzerns wurden im Wesentlichen durch drei Geschäftsführer wahrgenommen, die zugleich Geschäftsführer der A-GmbH und B-GmbH sowie Stiftungsvorstände der Komplementärin der X-KG und damit faktisch auch Geschäftsführer der X-KG waren. Die X-KG übte eine einheitliche Leitung über insgesamt neun Tochtergesellschaften aus.
Das Finanzamt lehnte die Anerkennung der körperschaftsteuerlichen Organschaft zwischen der X-KG und der Klägerin ab, denn es fehle an einer gewerblichen Tätigkeit der X-KG im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 KStG. Insbesondere fehlten konzerninterne entgeltliche Dienstleistungen oder andere zusätzliche gewerbliche Aktivitäten. Das FG Nürnberg hingegen folgte mit Urteil vom 12.01.2021 der Argumentation der Klägerin und sah in der geschäftsleitenden Tätigkeit der X-KG eine hinreichende gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 KStG.
Die vom Finanzamt eingelegte Revision wurde durch den BFH zurückgewiesen. Der BFH bestätigte, dass die gewerbliche Holding-Personengesellschaft die Anforderungen des § 14 Abs. 1 KStG erfüllt.
II. Entscheidungsgründe
Der BFH stellt klar, dass eine Holding-Personengesellschaft auch dann die Voraussetzungen einer Organträgerin erfüllen kann, wenn sie weder entgeltliche Dienstleistungen gegenüber Tochtergesellschaften noch andere operative Tätigkeiten ausübt. Ausreichend sei bereits eine gewerbliche Tätigkeit als geschäftsleitende Holding. Dies sei gegeben, wenn eine solche Leitungstätigkeit nach außen durch objektive Merkmale erkennbar ist und die Holding-Gesellschaft tatsächlich auf die Geschäftspolitik der Tochtergesellschaften einwirkt. Dies liege unter anderem dann vor, wenn sich die Leitungstätigkeit in der Weitergabe von Richtlinien, der Erteilung schriftlicher Weisungen oder in regelmäßig dokumentierten Besprechungen nachweisen lässt.
Im Streitfall bezog sich das FG insbesondere auf Protokolle von Geschäftsführersitzungen, in denen konkrete Maßnahmen zur Margenverbesserung und zur operativen Ausrichtung der Gruppe beschlossen wurden. Die Sitzungen fanden im Rhythmus von 14 Tagen statt; einzelne Protokolle enthielten sogar detaillierte Festlegungen zum Tagesgeschäft. Entscheidend war auch, dass die Hauptgeschäftsführer, gleichzeitig Stiftungsvorstände der Komplementärin der X-KG, die Beschlüsse durchsetzen konnten. Der BFH folgte dieser Würdigung und sah in der belegten Einflussnahme eine gewerbliche Tätigkeit.
Des Weiteren stellte der BFH fest, dass die bloße Ausübung von Gesellschafterrechten, etwa durch Teilnahme an Gesellschafterversammlungen oder Zustimmungserfordernisse nicht ausreichend sei. Auch eine personelle Verflechtung, etwa durch identische Geschäftsführungen in Holding- und Tochtergesellschaft, genüge für sich genommen ebenfalls nicht. Es komme entscheidend darauf an, dass die Holdinggesellschaft tatsächlich steuernd tätig ist und diese Steuerungsentscheidungen auch umgesetzt werden.
Die genannten Kriterien versteht der BFH nicht als starre Tatbestandsmerkmale, sondern als Indizien, die im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu prüfen seien. Maßgeblich sei stets das Gesamtbild der tatsächlichen Betätigung. Für die Praxis bedeutet dies: Die geschäftsleitende Tätigkeit muss nachvollziehbar dokumentiert sein. Eine bloße nachträgliche Zusammenstellung wird nicht ausreichen, insbesondere wenn die handelnden Personen in mehreren Organfunktionen tätig sind. Entscheidend ist, dass die Initiative zur Steuerung nachweislich von der Holdinggesellschaft ausgeht und nicht lediglich das Ergebnis konzerninterner Abstimmungen ist.
Offen ließ der BFH allerdings, ob eine Beteiligung an mindestens zwei Tochtergesellschaften zwingende Voraussetzung für die Annahme einer gewerblichen Holding ist.
III. Praxishinweise
Mit der Entscheidung konkretisiert der BFH, ab wann eine Holding-Personengesellschaft als gewerblich tätig gilt und somit die Voraussetzungen für die Stellung als Organträgerin im Rahmen der körperschaftsteuerlichen Organschaft erfüllen kann. Entgegen der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung ist neben einer geschäftsleitenden Tätigkeit keine zusätzliche entgeltliche oder operative gewerbliche Tätigkeit erforderlich. Weder der Gesetzeswortlaut noch der Zweck des § 14 KStG verlangen dies. Das Urteil kann jedoch auch über den konkreten Fall der Organschaft hinaus von Bedeutung sein, da es zusätzliche Kriterien und Indizien liefert, die als Orientierungshilfe dienen, um zu bestimmen, wann die Schwelle von einer vermögensverwaltenden zu einer gewerblich tätigen Holding-Personengesellschaft überschritten wird.
Eine Beteiligungsholding wird grundsätzlich als gewerblich tätig eingestuft, wenn sie durch ihr tatsächliches Führungsverhalten steuernden Einfluss auf ihre Tochtergesellschaften ausübt, unabhängig davon, ob eine entgeltliche Dienstleistungsbeziehung besteht. Das FG hat in diesem Zusammenhang insbesondere die Entscheidungsbefugnis und Durchsetzungskraft der Geschäftsführung durch die X-KG sowie das Agieren im Namen der X-KG gegenüber der Tochtergesellschaft als Kriterium hervorgehoben. Maßgeblich war das tatsächliche planvolle Lenken durch häufige und regelmäßige Geschäftsführersitzungen, die konsequente Umsetzung strategischer Vorgaben sowie die Einflussnahme auf das Tagesgeschäft und konkrete Geschäftsfälle.
Wer dagegen Beteiligungen lediglich hält und ausschließlich auf Gesellschafterebene tätig wird, handelt vermögensverwaltend. Gleiches gilt in der Regel auch dann, wenn lediglich eine beratende Funktion ausgeübt wird, etwa im Rahmen eines Aufsichtsrats- oder Beiratsmandats bei den Tochtergesellschaften. In solchen Fällen fehlt es an einer tatsächlichen Entscheidungsbefugnis. Darüber hinaus wird diese Tätigkeit nicht der Holding-Personengesellschaft zugerechnet, da sie nicht in deren Namen erfolgt, sondern aufgrund einer anderen Rechtsposition der handelnden Personen. Aus dem Urteil ergibt sich zudem, dass eine weitreichende personelle Verflechtung der Geschäftsführer alleine nicht ausreicht. Das Handeln als Geschäftsführer auf einer anderen Ebene sollte der Holding-Personengesellschaft nicht zugerechnet werden können. Erforderlich sei vielmehr, dass die Handlungen ausdrücklich im Namen der Holding-Personengesellschaft erfolgen und diese rechtlich dazu in der Lage ist, die Entscheidungen anzuweisen.
IV. Blick über den Tellerrand
Das Urteil und eine daraus folgende Qualifikation einer Holding-Personengesellschaft als gewerblich kann auch für die Reduzierung von deutscher Kapitalertragsteuer sowie der Verhinderung einer Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG herangezogen werden.
Im Rahmen eines Freistellungs- oder Erstattungsverfahrens (§ 50c EStG) von deutscher Kapitalertragsteuer kommt es unter anderem auf die sog. sachliche Entlastungsberechtigung gemäß § 50d Abs. 3 EStG an. Zusammengefasst fordert die Finanzverwaltung für eine Entlastung von deutscher Kapitalertragsteuer eine gewerbliche Tätigkeit des Anteilseigners im Ausland. Dies kann vorliegen, wenn der Anteilseigner einer „aktiven Beteiligungsverwaltung“ nachgeht. Für diese Frage bietet das BFH-Urteil Leitlinien, die es in der Praxis zu beachten gilt. Es muss nachgewiesen und dokumentiert werden, dass der Anteilseigner gegenüber seinen Tochtergesellschaften Weisungen gibt, die überwacht und deren Umsetzung geprüft werden. Die Finanzverwaltung fordert, dass diese Weisungen gegenüber mindestens zwei Tochtergesellschaften erteilt werden. Ob dies zwingend erforderlich ist, ließ der BFH mangels Relevanz im entschiedenen Fall offen – weshalb im Zweifel geschäftsleitende Maßnahmen an zwei Tochtergesellschaften erbracht werden sollten.
Alternativ kann auch die Zwischenschaltung einer originär gewerblich tätigen Holding-Personengesellschaft mit Betriebsstätte in Deutschland, der die Anteile an einer Kapitalgesellschaft funktional zuzuordnen sind, die Erstattung der Kapitalertragsteuer erleichtern. Die Idee der Gestaltung ist, dass durch die Holding-Personengesellschaft eine beschränkte Steuerpflicht für die Gesellschafter der Personengesellschaft entsteht, eine Steuererklärung abgegeben werden muss und die Kapitalertragsteuer ihren abgeltenden Charakter verliert. Im Rahmen des Veranlagungsverfahrens wird sodann die Kapitalertragsteuer auf die deutsche Steuerschuld angerechnet, wodurch eine Erstattung erfolgen kann – beispielsweise, wenn die Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 KStG greift.
Auch im Hinblick auf die Vermeidung einer sogenannten Entstrickung von Anteilen an Kapitalgesellschaften (§ 6 AStG) aus dem inländischen Vermögen kann das Urteil von Bedeutung sein. Eine originär gewerblich tätige Personengesellschaft kann die Steuerverhaftung solcher Anteile im Inland sichern, vorausgesetzt, die Beteiligungen sind ihr funktional zuzuordnen. Hierfür kann je nach Einzelfall eine gewerbliche geschäftsleitende Holding-Personengesellschaft ausreichen, weshalb das BFH-Urteil herangezogen werden kann.
Da das BFH-Urteil keine konkreten Aussagen zur Zuordnung einer Beteiligung zu einer Betriebsstätte beinhaltet, sollten die konkreten Fälle vor der Umsetzung genauestens geprüft werden.