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04.03.2021

Steuerboard

Die EU-Blacklist hält Einzug in das deutsche Steuerrecht – Werden Steueroasen jetzt ausgetrocknet?

Am 15.02.2021 hat das BMF den Entwurf eines Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb und zur Änderung weiterer Gesetze veröffentlicht. Kernstück ist ein neues Steueroasen-Abwehrgesetz (StAbwG). Ziel ist es, Steuerhoheitsgebiete, die anerkannte Standards in den Bereichen Transparenz in Steuersachen, unfairen Steuerwettbewerb und bei der Umsetzung der BEPS-Mindeststandards nicht erfüllen, zur Umsetzung und Beachtung internationaler Standards im Steuerbereich anzuhalten. Ob Steueroasen damit langsam ausgetrocknet werden, muss die Zukunft zeigen.

Die EU-Blacklist hält Einzug in das deutsche Steuerrecht – Werden Steueroasen jetzt ausgetrocknet?

RA Ronald Buge
Partner bei POELLATH, Berlin

Ausgangslage

Vor ziemlich genau einem Jahr, kurz bevor das Corona-Virus die Herrschaft über die Nachrichten übernahm, sorgte eine Maßnahme des ECOFIN für Aufsehen: Die Cayman Islands wurden auf die EU-Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete für Steuerzwecke (kurz EU-Blacklist genannt) gesetzt. Zur Begründung wurde angegeben, dass die Cayman Islands keine angemessenen Maßnahmen hinsichtlich der wirtschaftlichen Substanz im Bereich der kollektiven Vermögensanlagen getroffen hätten (ABl. C 64 vom 27.02.2020, S. 11). Bei der turnusmäßigen Aktualisierung der EU-Blacklist im Oktober 2020 waren die Cayman Islands dann wieder von der EU-Blacklist verschwunden (vgl. ABl. C 331 vom 07.10.2020, S. 3). Vielfach wurde diese Maßnahme als politische Retourkutsche für den Brexit gewertet, sind doch die Cayman Islands nach wie vor britisches Überseegebiet.

Prototyp einer „Steueroase“

Gleichwohl dürften die Cayman Islands – ähnlich wie etwa die Kanalinseln – geradezu prototypisch für den Begriff der „Steueroase“ oder des „Steuerparadieses“ stehen, erheben sie doch nach wie vor praktisch keine direkten Steuern, insbesondere im Hinblick auf das internationale Finanzgeschäft. Sie haben sich deshalb gerade im Bereich der kollektiven Vermögensanlagen zu einem beliebten Standort entwickelt. Dies war allerdings nur möglich, weil sie sich von einigen Dingen verabschiedeten, die für nicht kooperative Gebiete typisch sind. So unterzeichneten sowohl die Cayman Islands als auch die Kanalinseln FATCA-Abkommen mit den USA, und zwar nach dem sog. Model 1 (das auch Deutschland abgeschlossen hat), waren von Anfang an beim sog. Common Reporting Standard dabei und haben sogar mit Deutschland (und natürlich auch noch vielen anderen Ländern) bilaterale Abkommen über den Informationsaustausch abgeschlossen (Cayman Islands – BGBl. II 2011 S. 665, Guernsey – BGBl. II 2010 S. 974, Jersey – BGBl. II 2015 S. 1327). Und auch was z.B. die Bekämpfung der Geldwäsche betrifft, halten sie sich an internationale Standards.

Bedeutung der Blacklist

Die zeitweise Aufnahme der Cayman Islands auf die EU-Blacklist richtete allerdings auch den steuerlichen Fokus auf diese Liste. Es stellte sich die Frage: Welche Auswirkungen hat das für deutsche Steuerpflichtige? Die Antwort war so schlicht wie überraschend: Keine!

Die EU-Blacklist spielte bislang im deutschen Steuerrecht keine Rolle. Erstmals ausdrücklich erwähnt wurde sie im Zusammenhang mit den Mitteilungspflichten für grenzüberschreitende Steuergestaltungen (DAC 6): Gem. § 138e Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. bb AO stellen Gestaltungen, die zum Gegenstand haben, dass der Empfänger grenzüberschreitender Zahlungen zwischen verbundenen Unternehmen, die als Betriebsausgabe abziehbar sind, in einem Steuerhoheitsgebiet ansässig ist, das auf der EU-Blacklist geführt wird, ein sog. unbedingtes Kennzeichen dar, das stets zur Mitteilungspflicht der betreffenden Gestaltung führt.

Ansonsten gab es nur die im Jahr 2009 mit großen Erwartungen durch das sog. Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz (StHBG vom 29.07.2009, BGBl. I 2009 S. 2302) eingeführte innerstaatliche Blacklist. Kern des StHBG war zum einen § 90 Abs. 2 Satz 3 AO und zum anderen die §§ 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f EStG, 33 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e KStG, die allerdings lediglich eine Verordnungsermächtigung enthielten, von der die Bundesregierung mit der Steuerhinterziehungsbekämpfungsverordnung (SteuerHBekV vom 18.09.2009, BGBl. I 2009 S. 3046) Gebrauch gemacht hat.

§ 90 Abs. 2 Satz 3 AO enthält die Voraussetzungen für einen nicht kooperativen Staat oder ein nicht kooperatives Gebiet. Dabei handelt es sich um Staaten oder Gebiete

  • mit denen kein Abkommen besteht, das die Erteilung von Auskünften entsprechend Art. 26 OECD-MA 2005 vorsieht,
  • die auch nicht in einem vergleichbaren Umfang (freiwillig) Auskünfte erteilen und
  • bei denen auch keine Bereitschaft zu einer entsprechenden Auskunftserteilung besteht.

Die SteuerHBekV enthält sodann eine Reihe von Maßnahmen, sofern Steuerpflichtige Geschäftsbeziehungen zu diesen Staaten oder Gebieten unterhalten. Dies umfasst u.a. ein Verbot des Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzugs (§ 1 SteuerHBekV), die Versagung der Entlastung vom Steuerabzug (§ 2 SteuerHBekV) sowie die Versagung des Teileinkünfteverfahrens, der Steuerbefreiung gem. § 8b KStG sowie des Abgeltungsteuertarifs bei Dividenden und Veräußerungsgewinnen (§§ 3, 4 SteuerHBekV).

Das BMF stellte allerdings recht bald nach Inkrafttreten dieser Regelungen fest, dass zum 01.01.2010 kein Staat oder Gebiet die Voraussetzungen für Maßnahmen nach der SteuerHBekV erfüllt (BMF-Schreiben vom 05.01.2010, BStBl. I 2010 S. 19)! Daran hat sich bis heute nichts geändert. Die SteuerHBekV ist somit totes Recht. Und eine innerstaatliche Blacklist gibt es auch nicht bzw. – je nach Sichtweise – gibt es sie, sie ist jedoch „weiß“.

Entwurf für ein Steueroasen-Abwehrgesetz

Am 15.02.2021 hat das BMF nun den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb und zur Änderung weiterer Gesetze veröffentlicht. Kernstück ist ein neues Steueroasen-Abwehrgesetz (StAbwG).

Dieses Gesetz regelt zunächst ebenfalls, was nicht kooperative Steuerhoheitsgebiete sind (§ 3 Abs. 1 StAbwG-E). Die Regelung selbst ist etwas verwunderlich, weil sie zum einen bestimmte materielle Voraussetzungen aufstellt (Intransparenz in Steuersachen, unfairer Steuerwettbewerb oder Nichterfüllung der BEPS-Mindeststandards, vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1, 6 StAbwG-E), zum anderen aber kumulativ fordert, dass das betreffende Land auf der EU-Blacklist stehen muss (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 StAbwG-E). Im Ergebnis werden damit nur Länder erfasst, die auch auf der EU-Blacklist stehen. Das ist offenbar aber auch so beabsichtigt (so ausdrücklich die amtliche Begründung, S. 20 des Referentenentwurfs). Allerdings bestünde nach der gewählten Systematik auch für Länder, die auf der EU-Blacklist stehen, die theoretische Möglichkeit nachzuweisen, dass die materiellen Voraussetzungen der §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1, 6 StAbwG-E nicht erfüllt sind, so dass keine Maßnahmen nach dem StAbwG ergriffen werden dürften. Dies erscheint jedoch wenig realistisch.

Sodann regelt das Gesetz – wie schon bislang die SteuerHBekV – bestimmte Maßnahmen im Fall von Geschäftsbeziehungen oder Beteiligungsverhältnissen in oder mit Bezug auf ein nicht kooperatives Steuerhoheitsgebiet. Dies umfasst die aus der SteuerHBekV bereits bekannten Maßnahmen – die Versagung des Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzugs (§ 8 StAbwG-E), die Versagung der Entlastung vom Steuerabzug (§ 10 Abs. 1 StAbwG-E) sowie die Versagung des Teileinkünfteverfahrens, der Steuerbefreiung gem. § 8b KStG sowie des Abgeltungsteuertarifs bei Dividenden und Veräußerungsgewinnen (§ 12 StAbwG-E). Hinzugekommen sind eine verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung (§ 9 StAbwG-E) und eine erweiterte beschränkte Steuerpflicht (§ 10 Abs. 2 StAbwG-E).

Selbstredend sollen die bisherigen Regelungen, insbesondere die SteuerHBekV aufgehoben werden, weil sie aufgrund der Neuregelung gegenstandslos sind.

Auswirkungen im Falle einer Verabschiedung

Sofern dieses Gesetz verabschiedet wird stellt sich die Frage, welche Auswirkungen dieses Gesetz haben wird. Das Schicksal der SteuerHBekV wird es mit Sicherheit nicht ereilen, denn die EU-Blacklist ist – anders als die innerstaatliche Blacklist – nicht leer. Auf ihr stehen derzeit (vgl. ABl. C. 66 vom 26.02.2021, S. 40) folgende Steuerhoheitsgebiete:

  • Amerikanisch-Samoa
  • Anguilla
  • Dominica
  • Fidschi
  • Guam
  • Palau
  • Panama
  • Samoa
  • Seychellen
  • Trinidad und Tobago
  • Amerikanische Jungferninseln
  • Vanuatu

Zugegeben, das sind z.T. durchaus exotische Gebiete, z.T. aber sicher auch Gebiete, zu denen der eine oder andere Steuerpflichtige in der Tat Geschäftsbeziehungen oder Beteiligungsverhältnisse unterhält. Diese Steuerpflichtigen werden überlegen müssen, ob sie riskieren wollen, von den Maßnahmen des StAbwG getroffen zu werden oder sich in andere, weniger „gefährlichere“ Steuerhoheitsgebiete zurückzuziehen.

Die wesentlich stärkere Auswirkung wird aber sein, dass insbesondere institutionelle Investoren sicherstellen werden wollen, dass sie von vornherein keine Geschäftsbeziehungen zu derartigen Staaten unterhalten. Z.T. haben diese heute schon freiwillig entsprechende Vorgaben, weil sie – nicht ganz zu Unrecht – Reputationsschäden befürchten, sofern bekannt würde, dass sie in entsprechenden Jurisdiktionen investierten. Dieser Trend wird sich verstärken, zumal Deutschland mit den Regelungen des StAbwG nicht allein dasteht. Viele Staaten, z.B. Frankreich, haben bereits vergleichbare Regelungen. Und es drohen nicht mehr nur Reputationsschäden, sondern echte steuerliche Nachteile. Der so erzeugte „Marktdruck“ dürfte nicht zu unterschätzen sein.

Und Druck kommt auch von anderer Seite: Am 21.01.2021 verabschiedete das Europäische Parlament eine Entschließung, mit der der Rat und die Europäische Kommission aufgefordert werden, die Kriterien für die Aufnahme auf die EU-Blacklist und die damit verbundenen Maßnahmen zu verschärfen (vgl. https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2021-0022_DE.html).

Ob die betroffenen Steuerhoheitsgebiete dann einfach nur von Investitionen aus Europa abgeschnitten werden, diese aber womöglich von anderer Seite bekommen oder ob sie tatsächlich Anstrengungen unternehmen, von der EU-Blacklist herunterzukommen, die Steueroasen also langsam austrocknen, wird die Zukunft zeigen.


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