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06.12.2022

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Die Besteuerung einer sog. „passiven Entstrickung“

Das Inkrafttreten des neuen Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) mit Spanien zum 01.01.2013 führte nicht zu einer Besteuerung der stillen Reserven von spanischen Immobilienkapitalgesellschaften, deren Anteile von in Deutschland ansässigen Steuerpflichtigen gehalten werden. Eine aktuelle Entscheidung des FG Münster bestätigt dies und bringt mehr Rechtsklarheit für viele deutsche Eigentümer von Immobilien in Spanien.

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RA Michael Feldner, LL.M.
Associate bei POELLATH, Berlin

Die Entstrickung im deutschen Steuerrecht

Für Wirtschaftsgüter im Betriebsvermögen ist die sog. Entstrickungsbesteuerung in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG geregelt sowie für bestimmte Anteile an Kapitalgesellschaften im Privatvermögen in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AStG. Im Kern geht es dabei um folgenden Sachverhalt: Ein in Deutschland steuerlich Ansässiger verlagert Wirtschaftsgüter von Deutschland ins Ausland, wodurch die Bundesrepublik Deutschland aufgrund eines DBA mit diesem Staat das Besteuerungsrecht am (zukünftigen) Gewinn aus der Veräußerung dieser Wirtschaftsgüter verliert bzw. das Besteuerungsrecht Deutschlands hieran eingeschränkt wird. In diesen Fällen soll eine fiktive Veräußerung bzw. Entnahme der Wirtschaftsgüter besteuert werden, bei der es zu einer Entstrickung sämtlicher in den Wirtschaftsgütern enthaltener stiller Reserven kommt.

Neben dieser (aktiven) Entstrickung aufgrund der Verlagerung eines Wirtschaftsguts bzw. von Kapitalgesellschaftsanteilen ins Ausland ist es fraglich, ob auch eine sog. passive Entstrickung besteuert werden kann. Mit passiver Entstrickung ist die Situation gemeint, dass die Bundesrepublik Deutschland ein neues DBA abschließt oder ein bestehendes DBA geändert wird, wodurch das Besteuerungsrecht Deutschlands an bereits im Ausland befindlichen Wirtschaftsgütern plötzlich ausgeschlossen oder beschränkt wird. Obwohl der Steuerpflichtige also keine Handlung vornimmt und die Wirtschaftsgüter bleiben wo sie sind, soll plötzlich eine Steuer auf die im Wirtschaftsgut enthaltenen stillen Reserven anfallen.

In der Literatur ist die Frage der Steuerentstehung aufgrund einer passiven Entstrickung äußerst umstritten. Es gibt gewichtige Stimmen für und gegen das Erfassen der passiven Entstrickung. Nach Ansicht der Finanzverwaltung soll es nicht auf eine Handlung des Steuerpflichtigen ankommen, weshalb die passive Entstrickung ebenfalls steuerpflichtig sein soll.

Problematisch ist die Entstrickungsbesteuerung, weil beim Steuerpflichtigen tatsächlich kein Zufluss an Liquidität erfolgt. Besteuert wird daher immer die Vermögenssubstanz. Im Fall der passiven Entstrickung kommt erschwerend hinzu, dass der Steuerpflichtige die Besteuerung nicht durch ein eigenes Handeln auslöst, sondern alleine die Änderung einer rechtlichen Situation, von der der Steuerpflichtige im Zweifel nicht einmal etwas mitbekommen muss, zu einer Besteuerung führen würde.

Keine steuerpflichtige passive Entstrickung durch die Änderung des DBA-Spanien zum 01.01.2013

Erhebliche praktische Bedeutung erlangte die Frage nach der Zulässigkeit der Besteuerung einer passiven Entstrickung im Fall Spanien. Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Spanien ist 2011 ein neues DBA auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen abgeschlossen worden, welches zum 01.01.2013 in Kraft getreten ist und das bisherige DBA ablöste. Nach dem neuen DBA hat Spanien ein Besteuerungsrecht für die Veräußerung von Anteilen an einer sog. Immobiliengesellschaft (Gesellschaft mit mehr als 50% Immobilienvermögen in Spanien), auch wenn der veräußernde Gesellschafter in Deutschland ansässig ist. Macht Spanien von seinem Besteuerungsrecht Gebrauch, ist Deutschland zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung verpflichtet, die in Spanien gezahlte Steuer auf die deutsche Steuer anzurechnen. Nach dem alten DBA-Spanien konnten die Gewinne aus Anteilsveräußerungen dagegen nur im Ansässigkeitsstaat des veräußernden Gesellschafters besteuert werden.

Die Finanzverwaltung sieht hierin die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts an einem möglichen Veräußerungsgewinn von Anteilen deutscher Steuerpflichtiger an spanischen Immobiliengesellschaften. Dies betrifft eine Vielzahl an Steuerpflichtigen, denn die Einbringung einer in Spanien belegenen Immobilie in eine spanische S.L., zumeist eine sog. Vermögensverwaltungsgesellschaft (Sociedad Patrimonial), war bzw. ist eine zulässige und weit verbreitete Gestaltungsvariante. Gegenüber dem direkten Halten der Immobilie durch einen deutschen Eigentümer lassen sich durch das Halten mittels einer Kapitalgesellschaft insbesondere Steuervorteile beim Verkauf, bei der Vermögensteuer sowie der Erbschaft- und Schenkungsteuer in Spanien erzielen. Auf der anderen Seite können durch die Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft auch hohe Kosten sowie Verkehr- und Ertragsteuern anfallen.

In einer aktuellen Entscheidung hat sich nun das FG Münster (Urteil vom 10.08.2022 – 13 K 559/19 G,F) mit der Frage beschäftigt und die Besteuerung einer passiven Entstrickung für unzulässig erklärt. Der Tatbestand des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG setze ein dem Steuerpflichtigen zurechenbares Verhalten voraus. Die passive Entstrickung sei dagegen allein durch die Bundesrepublik Deutschland herbeigeführt worden, die in eigener Souveränität ohne eine Mitwirkungshandlung der Steuerpflichtigen ihr Besteuerungsrecht neu geordnet habe. Dieses systematische Ergebnis folge zudem auch aus der Gesetzeshistorie.

Würde man dies anders sehen, so wäre die Besteuerung einer passiven Entstrickung jedenfalls europarechtswidrig. Denn der EuGH habe klargestellt, dass eine sofortige Steuereintreibung ohne die Gewährung eines Zahlungsaufschubs unzulässig sei. Dies hatte auch bereits das FG Köln (Urteil vom 17.06.2021 – 15 K 888/18) in einem Fall zu § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AStG a.F. (jetzt § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AStG) entschieden und ausdrücklich klargestellt, dass auch die nachträglich eingeführte Stundungsregelung nicht rückwirkend den Verstoß gegen das Europarecht heilen könne.

Ausdrücklich offen ließ das FG Münster, ob die Klausel für Immobiliengesellschaften im DBA-Spanien überhaupt eine Beschränkung des Besteuerungsrechts Deutschlands darstelle. Denn erst zum Zeitpunkt des tatsächlichen Verkaufs der Anteile stünde fest, ob und in welchem Umfang eine spanische Steuer auf die deutsche Steuer angerechnet werden müsse. Es bestünde daher lediglich die Gefahr einer zukünftigen Steueranrechnung.

Keine Rechtssicherheit für zukünftige Fälle

Das FG Münster hat die Revision zum BFH zugelassen und auch gegen das Urteil des FG Köln ist die Revision beim BFH anhängig. Es ist daher zu hoffen, dass der BFH die Entscheidungen bestätigt und der Besteuerung einer passiven Entstrickung endgültig eine Absage erteilt.

Da beide Entscheidungen allerdings die alte Rechtslage betreffen und mittlerweile der vom EuGH geforderte Zahlungsaufschub mit § 4g Abs. 1 EStG bzw. § 6 Abs. 4 AStG ins deutsche Recht eingeführt wurde, lässt sich aus ihnen keine Rechtssicherheit für zukünftige Fälle ableiten. Insbesondere die auch im Fall des DBA-Spanien relevante Klausel für Immobiliengesellschaften wird zukünftig wohl in immer mehr DBA Einzug halten. Solange noch keine endgültige Klarheit in Sachen Besteuerung einer passiven Entstrickung geschaffen ist, müssen daher sich abzeichnende Revisionen und Abschlüsse von DBA im Auge behalten und gegebenenfalls bestehende Strukturen angepasst werden.

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