Und wie können Arbeitgeber diesen Vorgaben gerecht werden? Nun, indem sie den Mitarbeitern, die frühzeitig Urlaub beantragen, diesen auch gewähren und die säumigen Beschäftigten rechtzeitig konkret auf bestehenden Resturlaub, dessen Umfang und die Folgen bei weiterhin ausstehendem Urlaubsantrag hinweisen. Zudem sollten sie dokumentieren, dass sie ihre Mitarbeiter auf den ausstehenden Resturlaub aufmerksam gemacht haben. Klingt bekannt, oder? Nein, bei der letzten Entscheidung dieser Art ging es um den Verfall von Urlaubsansprüchen zum Ablauf des Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraums, wenn der Arbeitgeber nicht rechtzeitig auf Resturlaub und den drohenden Verfall am 31.03. des Folgejahres hinweist. Dieses Mal geht es um die Verjährung nach Ablauf der Verjährungsfrist von immerhin drei Jahren. Gerade im Arbeitsverhältnis ist das Rechtsinstitut der Verjährung von besonderer Bedeutung – die Verjährung von Ansprüchen drei Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem sie entstanden sind, ist der einzige Weg, Rechtsfrieden und Rechtsklarheit herbeizuführen und Diskussionen über (tatsächliche oder vermeintliche) Ansprüche aus „grauer Vorzeit“, deren Umstände kaum noch jemand kennt, zu vermeiden. Im entschiedenen Fall hatte eine Steuerfachangestellte über viele Jahre hinweg kaum Urlaub genommen, weil sie zu viel zu tun hatte. Als das Arbeitsverhältnis endete, wollte sie den über die Jahre nicht genommenen Urlaub ausbezahlt haben. Aber der Arbeitgeber berief sich für alle Urlaubsansprüche, die länger als drei Jahre zurücklagen, auf Verjährung. Die Klägerin hatte mit ihrem Kampf gegen die Einrede der Verjährung – anders, als bislang nach deutscher Rechtspraxis zu erwarten gewesen wäre – Erfolg: Sie bekommt jetzt für 76 Tage Urlaubsabgeltung. Denn das Unternehmen hatte ihr wegen der Arbeitsüberlastung keine wirkliche Chance gegeben, den Urlaub auch tatsächlich zu nehmen. Das Urteil belegt ein weiteres Mal: Schlechte Fälle führen zu schlechten Entscheidungen. Denn dass eine (über-)motivierte Arbeitnehmerin auf einen rücksichtslosen Arbeitgeber trifft, sollte eher die Ausnahme sein – gerade seit der EuGH-Rechtsprechung zur Vermeidung des Verfalls von Jahresurlaub. In dem vom BAG und EuGH behandelten Fall jedoch haben beide Seiten versagt: Die sich selbst übermäßig engagierende Arbeitnehmerin ebenso wie der Arbeitgeber, der dem Erholungsbedürfnis seiner Mitarbeiterin nicht Rechnung trägt – mit entsprechenden Folgen für Gesundheit, Leistung, Motivation und Fehlerfreiheit der Arbeitsleistung. Richtigerweise hätte der Arbeitgeber von vornherein über Jahre Rückstellungen für nicht gewährten Urlaub bilden müssen, außerdem hat er berechtigte Ansprüche seiner Vertragspartnerin in beträchtlicher Weise ignoriert. Die Folge der Entscheidung ist für alle misslich, gerade auch für die sorgfältig agierenden Unternehmen mit guter Personalarbeit: Eine weitere Hinweispflicht, die beachtet und organisiert werden muss. Die es in „guten“ Arbeitsverhältnissen eben auch nicht brauchen würde. Und wie vermeidet man negative Folgen des Urteils aus Luxemburg? Mit weiterhin guter, sorgfältiger Personalarbeit:
- Mit einer rechtzeitigen Urlaubsplanung. Der Urlaubsplan ist Managementaufgabe.
- Indem Vorgesetzte angehalten werden, in ihrem Team eine über das Jahr verteilte Urlaubnahme zu organisieren, um nicht Anfang Dezember plötzlich von umfangreichem Resturlaub im Team überrascht zu werden.
- Indem hoch motivierte Mitarbeiter angehalten werden, den ihnen zustehenden Urlaub auch zeitgerecht in Anspruch zu nehmen (und nicht die Arbeit für diejenigen Kolleginnen und Kollegen mit erledigen müssen, die ihren Urlaub pünktlich beanspruchen).
- Durch sachgerechte Vertragsgestaltung – die entschiedene Rechtsfrage gilt zunächst nur für den auf europäischen Vorgaben beruhenden gesetzlichen Mindesturlaub, nicht jedoch für einen darüber hinausgehenden freiwillig gewährten zusätzlichen Urlaub. Mehr noch als bisher schon ist es zwar bequem, aber eben nicht empfehlenswert, die Regelungen für den gesetzlichen Mindesturlaub einfach auf den gesamten Urlaub zu erstrecken.
Besteht Anlass, wieder einmal den EuGH zu schelten? Weil er die heilige Kuh der Verjährung schlachtet? Mitnichten. Verantwortungsbewusste Arbeitgeber und ihre Berater haben es in der Hand, Extremfälle wie den hier entschiedenen zu verhindern.