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20.04.2021

Interview

„Das Verbandssanktionengesetz ist nicht ausgereift“

Mit dem RegE für ein Gesetz zur Stärkung der Integrität der Wirtschaft sollen den Strafverfolgungsbehörden und Gerichten Sanktionsmöglichkeiten gegen Unternehmen zur Verfügung gestellt werden. Solche „Verbandstaten“ können auch Steuerstraftaten sein und damit stellt sich die Frage, welche Auswirkungen sich für die Tax Compliance ergeben. Hierzu sprachen wir mit Dr. Konstantin von Busekist von der KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH und Stephan Ludwig von der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.

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Dr. Konstantin von Busekist und Stephan Ludwig

DB: Was bedeutet der RegE für ein Verbandssanktionengesetz für die Verfolgung und Bestrafung von Steuerstraftaten aus Unternehmen heraus?

von Busekist: „Zunächst einmal bedeutet der Entwurf, dass bei einer vorsätzlichen Verkürzung von Steuern zukünftig ein hohes Bußgeld festgesetzt werden kann, wenn die Verkürzung – so heißt es im Gesetzesentwurf – durch eine angemessene Organisation, Auswahl, Anleitung und Aufsicht hätte verhindert oder wesentlich erschwert werden können. Sanktioniert werden soll damit über das Verbandssanktionengesetz (VerSanG) im Wesentlichen das Unterlassen von angemessenen Compliance-Maßnahmen, das den entsprechenden Verstoß begünstigt hat. Zwar gibt es auch bereits nach derzeitiger Rechtslage die Möglichkeit, in derartigen Fällen ein – deutlich niedrigeres – Bußgeld zu verhängen, jedoch wird davon – jedenfalls im Falle von steuerlichen Verstößen – in der Praxis bisher wenig Gebrauch gemacht. Dies dürfte sich mit Inkrafttreten des VerSanG und dem Eintritt ins Legalitätsprinzip ändern. Zudem dürfte die finanzielle Belastung in Verfehlungsfällen teilweise erheblich sein, denn neben dem aus dem Nachsteuergewinn zu zahlenden Bußgeld bleibt es ja bei der Nachentrichtungspflicht für die Steuer, Zinsen und Verspätungszuschlägen sowie einer Einziehung nach 29a OWiG.“

DB: Welche Änderungen gibt es bei der strafbehördlichen Ermittlung?

Ludwig: „Ganz entscheidend wird in der Praxis sein, dass im Gesetzesentwurf eine Abkehr vom Opportunitätsprinzip vorgesehen ist und zukünftig ein Verfolgungszwang bestehen soll. Bisher lag die Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden – beispielsweise im Falle von Korrekturmeldungen – weitestgehend im Ermessen der Finanzbehörden. Dies führt in der Praxis zu einer sehr unterschiedlichen Verwaltungspraxis. Im besten Fall wurden Verdachtsfälle als schlichte Korrekturanzeige gewertet und „geräuschlos“ entschieden.  Wenn nicht, erfolgte eine umfangreiche Beurteilung nach strafrechtlichen Grundsätzen, wobei auch in diesen Fällen Verfahren nach §§ 130, 9, 30 OWiG keineswegs immer eingeleitet wurden. Nach dem Gesetzesentwurf sollen die Finanzbehörden zukünftig gezwungen werden, Verdachtsfälle auch mit Blick auf die Verbandssanktion zu verfolgen und ggf. zu ahnden. Dies wird zu einer Vielzahl von Verfahren führen.“

DB: Und das heißt für Unternehmen …

Ludwig: „dass sich die Unternehmen selbst zunehmend darauf einstellen müssen, sich gegen den Vorwurf einer Steuerhinterziehung zu verteidigen. Zu bedenken ist ferner, dass die Aufarbeitung einer Steuerhinterziehung zur Erstellung einer Selbstanzeige eine interne Ermittlung darstellt. Hier entsteht ein Spannungsfeld zwischen den §§ 17, 5 VerSanGE sowie §§ 153, 370, 371 AO welches die Frage aufwirft, ob die Arbeiten zur Berichtigung einer Erklärung nicht auch den Grundsätzen einer unternehmensinternen Ermittlung unterworfen werden müssen.“

DB: Auf Prävention wird also ein noch stärkerer Fokus liegen. Welche Bedeutung gewinnen damit Tax Compliance Management Systeme?

Ludwig: „Bereits heute ist es so, dass im Rahmen von Aufgriffen in Betriebsprüfungen danach gefragt wird, welche Maßnahmen das Unternehmen getroffen hat, um entsprechende Fehler der Vergangenheit zu beheben und künftiges Fehlverhalten zu verhindern. Insoweit wird nach Indizien gesucht, die Aufschluss darüber geben, ob sich der Fehler möglicherweise vorsätzlich ereignet und das Unternehmen die Steuerverkürzung billigend in Kauf genommen hat. Auch derzeit gelingt eine Enthaftung nur dann, wenn das Unternehmen über geeignete präventive Maßnahmen eine Indizienlage geschaffen hat, die klar gegen die billigende Inkaufnahme einer Steuerverkürzung spricht. Insoweit kommt der Prävention mittels Implementierung eines Tax Compliance Management Systems bereits heute eine sehr hohe Bedeutung zu.“

von Busekist: „So ist es. Und diese Bedeutung wird mit dem VerSanG noch zunehmen, da das Unterlassen entsprechender Tax Compliance Maßnahmen ausdrücklich sanktionsbewehrt ist. Zudem sieht der Gesetzesentwurf vor, dass vor der Tat getroffene Vorkehrungen zur Vermeidung und Aufdeckung sanktionsmildernd berücksichtigt werden können. Wie in der Gesetzesbegründung ausgeführt, bezieht sich der Begriff „Vorkehrungen“ auf Compliance-Maßnahmen im weiteren Sinne. Damit erfährt die Rechtsprechung aus dem sog. „Panzerhaubitzen-Fall“ (BGH vom 09.05.2017 – 1 StR 265/16) eine gesetzliche Kodifizierung.“

DB: Ihr Rat?

von Busekist: „Insgesamt tun Unternehmen daher gut daran, wenn sie – wie es in der Gesetzesbegründung heißt – ihre internen Abläufe bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zu überprüfen und erforderlichenfalls weitere Tax Compliance-Maßnahmen ergreifen. Allerdings sollte Tax Compliance immer im Verbund des Gesamtsystems gesehen werden, denn das VerSanG würde ja zu einer deutlichen Verbreiterung der vom CMS erfassten Rechtsrisikofelder führen und da lassen sich nicht x-beliebig viele Systeme nebeneinanderschalten, ohne die Organe völlig zu überfordern.“

DB: Aber wie kann ein Unternehmen denn beurteilen, ob es in Sachen Tax Compliance angemessen aufgestellt ist?

Ludwig: „Für die eigene Absicherung ist es auf jeden Fall sinnvoll, das Tax CMS einer externen Begutachtung zu unterziehen. Der Maßstab würde sich dabei mit Einführung eines VerSanG natürlich nochmal ändern. Es wäre wünschenswert, wenn hier seitens des Gesetzgebers oder der Exekutive klare Maßstäbe artikuliert würden.

Beim VerSanG soll das nicht gehen, beim Lieferkettengesetz in der derzeitigen Entwurfslage geht das aber schon. Das Steuerrecht kennt mit Richtlinien und Erlassen durchaus das Instrumentarium dafür, genutzt wird es für diese Zwecke aber nicht. Insgesamt sehr unbefriedigend, wenn hinzutritt, dass der Gesetzgeber derzeit im „Compliance-Bereich“ leider insgesamt nicht sehr konsistent handelt. Nehmen wir nur noch das HinSchG oder das FiSG dazu ergibt sich ein gänzlich uneinheitlicher Flickenteppich an Governance-relevanten Regelungen für Unternehmen. Wir sehen in unserer Praxis häufig, dass sich Unternehmen auf die steuerlichen Themen fokussieren, bei denen die Steuerabteilungen ohnehin tief involviert sind. Steuerarten, wie zum Beispiel die Quellensteuer, die beispielsweise an die Beschaffungsprozesse anknüpfen, werden hingegen häufig nicht mit dem entsprechenden Augenmerk behandelt. Gerade diese Steuerarten sind aber oftmals besonders gefahrgeneigt, eben weil die Steuerabteilung in diese Prozesse nicht hinreichend eingebunden wird.“

DB: Zukünftig muss also ein hoher Fokus auf dem Thema Prozesse und Kontrollen liegen. Wie wirkt sich das auf die Betriebsprüfungen von morgen aus?

Ludwig: „Es wäre aus Sicht der Praxis sehr wünschenswert, wenn sich im Rahmen von Betriebsprüfungen ein Standard für die Prüfung und Anerkennung von Tax CMS herausbilden würde. Die Einführung eines Tax CMS macht die Prozesse aus steuerlicher Sicht robuster und dadurch weniger fehleranfällig. Insoweit wäre es auch gerechtfertigt, sich im Rahmen von Betriebsprüfungen stärker auf eine Überprüfung der Prozesse und Kontrollen zu fokussieren und weniger auf das Prüfen von Einzelfällen. Dadurch könnten die Betriebsprüfungen sehr viel effizienter ablaufen und sicherlich auch zeitnäher abgeschlossen werden. Dies bringt den Unternehmen schneller Rechtssicherheit und spart vor allem personelle und finanzielle Ressourcen.“

DB: Was sollte im Rahmen des Gesetzesentwurfes zum Verbandssanktionengesetz noch berücksichtigt werden?

von Busekist: „Es gibt eine Reihe von systematischen verfahrensrechtlichen Fragen, die u.E. noch nicht hinreichend im Gesetzesentwurf berücksichtigt werden. Dies betrifft zum einen das Zusammenspiel zwischen Selbstanzeige und internen Untersuchungen wie zuvor kurz angesprochen.  Zum anderen stellt sich aber die Frage, wie sich eine Selbstanzeige auf eine Verbandsbuße auswirkt. Angenommen, die Selbstanzeige erfasst nicht alle potenziellen Täter der abgegebenen Erklärung und entfaltet damit für diese keine strafaufhebende Wirkung: Würde dies bedeuten, dass der Ausschlussgrund des § 5 VerSanGE insofern nicht einschlägig ist und damit über § 3 des VerSanGE der Verband sehr wohl verfolgt werden kann? Sollte dies der Fall sein, würde das die Abgabe einer Selbstanzeige in der Praxis noch schwieriger und komplexer machen als sie es ohnehin schon ist.“

Ludwig: „Zudem ist zu klären, wie es sich auswirkt, dass bei Mitwirkung der Leitungsorgane an der Verbandstat eine Tatbestand-ausschließende Berücksichtigung des Tax CMS nach § 3 Abs.1 VerSanG nicht in Betracht kommen soll. Die Geschäftsleitung ist für die Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen der Gesellschaft verantwortlich und insoweit liegt es nahe, ihr allein deshalb ein „Mitwirken“ zu unterstellen und entsprechende Tax CMS Maßnahmen nicht sanktionsmildernd zu berücksichtigen. Das ist sicherlich vom Gesetzgeber so nicht gewollt und sollte klargestellt werden.

von Busekist: „Darüber hinaus gibt es aber auch eine Vielzahl von allgemeinen, nicht steuerspezifischen Kritikpunkten, die weitläufig artikuliert wurden. Die hier sämtlich aufzuführen, würde diesen Rahmen sprengen. Festhalten lässt sich, dass das Gesetz in seiner jetzigen Fassung noch nicht vollständig ausgereift ist.“

DB: Vielen Dank für das Interview!


Das Interview führte Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro

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