Das Tarifeinheitsgesetz trat am 10. Juli 2015 in Kraft. Mit ihm wurde das Tarifvertragsgesetz geändert. Anlass für das Tarifeinheitsgesetz war die Aufgabe des Grundsatzes der Tarifeinheit durch das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2010 (4 AZR 549/08). Nach dem Grundsatz der Tarifeinheit darf in einem Betrieb nur ein Tarifvertrag zur Anwendung kommen. Infolge der Aufgabe des Grundsatzes der Tarifeinheit kam es in verschiedenen Branchen zu einem Wettbewerb der in einem Betrieb vertretenen Gewerkschaften. Die Mitglieder von verhältnismäßig kleineren Gewerkschaften, wie z.B. der GDL oder dem Marburger Bund, waren nicht mehr an die Friedenspflicht des im Betrieb angewandten Tarifvertrags einer anderen Gewerkschaft gebunden. Sie begannen zu streiken, um für ihre Mitglieder einen eigenen Tarifvertrag abzuschließen. Für Arbeitgeber war nicht nur diese Streikmöglichkeit nachteilig, sondern auch die Folgen von mehreren im Betrieb geltenden Tarifverträgen. Diese mussten auf die jeweiligen Arbeitsverhältnisse angewandt werden, so dass Arbeitnehmer zwar die gleiche Tätigkeit ausüben konnten, aber u.U. unterschiedliche Arbeitsbedingungen galten. Der Gesetzgeber hat dieses Konkurrenzverhältnis durch das Tarifeinheitsgesetz gelöst. Die wesentliche Regelung des Tarifeinheitsgesetzes ist in § 4a Abs. 2 S. 2 TVG enthalten. Ist ein Unternehmen an verschiedene Tarifverträge gebunden, überschneiden sich die Geltungsbereiche unterschiedlicher Tarifverträge und weichen die Tarifverträge inhaltlich voneinander ab (sog. Tarifkollision), sind in dem Betrieb nur die Rechtsnormen des Tarifvertrags derjenigen Gewerkschaft anwendbar, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des zuletzt abgeschlossenen kollidierenden Tarifvertrags im Betrieb die meisten in einem Arbeitsverhältnis mit dem Unternehmen stehenden Mitglieder hat. Dadurch kann der Tarifvertrag einer nur zahlenmäßig in geringem Umfang in dem Betrieb repräsentierten Gewerkschaft wieder verdrängt werden. Zur Feststellung, welche Gewerkschaft die Mehrheitsgewerkschaft im Betrieb ist, ist ein besonderes Beschlussverfahren vorgesehen. Steht am Ende dieses Beschlussverfahrens fest, dass der Tarifvertrag einer kleineren Gewerkschaft verdrängt wird, kann diese nach § 4 Abs. 4 TVG die Nachzeichnung der Rechtsnormen des mit ihrem Tarifvertrag kollidierenden Tarifvertrags verlangen. Verhältnismäßig kleine Gewerkschaften sehen in dem Tarifeinheitsgesetz eine Schwächung ihrer Stellung und beklagen einen Verstoß gegen die grundrechtlich geschützte Koalitionsfreiheit. Das Bundesverfassungsgericht (11.07.2017 – 1 BvR 1571/15) folgte dieser Argumentation in wesentlichen Teilen nicht. Das Gesetz sei verfassungsgemäß, müsse aber nachgebessert werden. Trotz der erfolgten Nachbesserungen klagten einzelne Gewerkschaften vor dem EGMR. Sie beriefen sich auf einen Verstoß gegen Art. 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention (ERK). Nach Art. 11 Abs. 1 ERK hat jede Person das Recht, sich frei und friedlich mit anderen zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen; dazu gehört auch das Recht, zum Schutz seiner Interessen Gewerkschaften zu gründen und Gewerkschaften beizutreten. Art. 11 Abs. 2 ERK regelt, dass die Ausübung dieser Rechte nur Einschränkungen unterworfen werden darf, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale oder öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind. Der EGMR entschied nun (05.07.2022 – 815/18), dass das Tarifeinheitsgesetz nicht gegen Art. 11 ERK verstößt. Einen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 11 ERK nahm der EGMR nicht an. Das Tarifeinheitsgesetz wolle das ordentliche und faire Funktionieren der Tarifautonomie sicherstellen, indem es Gewerkschaften, die Arbeitnehmer in Schlüsselpositionen vertreten, daran hindert, getrennt Tarifverhandlungen zum Nachteil anderer Arbeitnehmer zu führen. Außerdem wolle es umfassende Kompromisse erleichtern. Es diene also dem Schutz der Rechte anderer (Arbeitnehmer, die keine Schlüsselposition innehaben), der Gewerkschaften (die die Interessen der Arbeitnehmer ohne Schlüsselpositionen vertreten) und auch der Rechte der Arbeitgeber. Ein ungerechtfertigter Eingriff läge deshalb nicht vor. Die klagenden Gewerkschaften könnten ihre Rechte auch im Wesentlichen weiter ausüben, ihre Mitglieder vertreten und mit dem Arbeitgeber verhandeln.
Meldung
19.12.2024
Gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Werbeaufwendungen
Die Anmietung von Werbeträgern kann gewerbesteuerlich hinzugerechnet werden, wenn sie fiktiv zum Anlagevermögen gehören.