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21.06.2021

Interview

„Das neue Grundsteuermodell führt zu Belastungsverschiebungen“

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Der Betrieb

Die Bundesländer haben sich auf ein Grundsteuermodell geeinigt und die Grundsteuerreform tritt ab dem 01.01.2025 in Kraft. Allerdings müssen bis zum 01.01.2022 rund 35 Millionen Immobilien neu bewertet werden. Dies stellt so gut wie alle Unternehmen – Eigentümer wie auch Mieter – vor große Herausforderungen. Dr. Heinrich Fleischer, Associate Partner Real Estate Tax, und Timo Beddig, Senior Manager im Bereich Tax, Technology & Transformation bei EY, beide Experten für Grundsteuer, geben einen Überblick und Tipps für die nächsten wichtigen Schritte.
DB: Gleich vorneweg: Wie teuer wird die neue Grundsteuer für Eigentümer und Mieter?
Fleischer: Dem Gesetzgeber folgend sollte man ja meinen, dass sich nicht viel ändern dürfte. Grundsätzlich soll im Rahmen der Reform gewährleistet werden, dass das bundesweite Grundsteueraufkommen in Höhe von rund 14 Milliarden Euro jährlich weiterhin sichergestellt wird. Diese postulierte Aufkommensneutralität wird im Ergebnis zwar möglicherweise dazu führen, dass die grundsteuerliche Belastung insgesamt gleich bleibt. Zweifel an der Aufkommensneutralität sind aber durchaus berechtigt. In der Praxis wird es aufgrund von Pauschalierungen in jedem Fall zu Belastungsverschiebungen zwischen den einzelnen Grundstückseigentümern kommen. Somit werden einige zukünftig mehr Grundsteuer zahlen, während bei anderen die Belastung im Vergleich zu heute sinken wird. Entsprechende Auswirkungen werden dann auch die Mieter zu spüren bekommen.

Beddig: Neben der Datenaufbereitung aufseiten der steuerpflichtigen Eigentümer ist dies auch die eigentliche Herausforderung im Rahmen der Grundsteuerreform. Das Bundesmodell beziehungsweise die jeweiligen Ländermodelle können im ersten Schritt durch die Ausgestaltung der Steuermesszahlermittlung auf die Grundsteuer einwirken. Im Bundesmodell sind die Messzahlen bereits festgelegt. Einige Ländermodelle weichen hiervon jedoch zum Teil deutlich ab oder haben sich noch nicht final festgelegt. Ziel des Gesetzgebers war es: Zukünftige Messbetragsvolumen sollen möglichst nah an das heutige heranreichen.

Bis Ende 2024 müssen Städte und Gemeinden auf Basis der festgesetzten Messbeträge ermitteln, mit welchen möglichen Hebesatzanpassungen die Aufkommensneutralität gewährleistet und das Steuersubstrat sichergestellt werden können. Vor Mitte 2022 ist nicht mit einer Anforderung der Feststellungserklärungen durch die Finanzverwaltung zu rechnen. Somit bleibt den Städten und Gemeinden nicht mehr viel Zeit, um zu verhindern, ab dem 01.01.2025 mit Schätzbescheiden arbeiten zu müssen, oder gar keine Grundsteuer erheben zu können.
DB: Was bedeutet die Grundsteuerreform für den Mittelstand?
Beddig: Die individuellen Auswirkungen der Reform sind insbesondere abhängig vom jeweiligen Grundstücks- und Immobilienbestand der Gesellschaft. Je mehr Grundstücke im Unternehmen vorhanden sind, desto zeitintensiver und damit kostspieliger wird es, die erforderlichen Daten aufzubereiten und zu konsolidieren.

Fleischer: Auf Basis unserer bisherigen Markterfahrungen können wir derzeit nicht feststellen, dass der deutsche Mittelstand durch die Reform vergleichsweise mehr oder weniger stark betroffen ist. Auch große Dax-Konzerne stehen regelmäßig vor der Herausforderung, die erforderlichen Prozesse zur Datenbeschaffung und Aufarbeitung überhaupt erst zu schaffen.

Es ist jedoch wichtig, dass bereits jetzt mit der Aufbereitung der Daten begonnen wird.

Beddig: Genau – und was oftmals verkannt wird: Die Grundsteuer ist keine einmalige Aufgabe mehr. Eine Hauptfeststellung der Grundsteuerwerte wird zukünftig alle sieben Jahre stattfinden. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber in § 228 Abs. 2 BewG (Bewertungsgesetz) eine Anzeigepflicht eingeführt. Es gilt daher im Unternehmen den prozessualen Rahmen zu schaffen, um diesen Anforderungen gerecht werden zu können. Gleichzeitig sollte eine sinnvolle Aufbereitung von Daten wie Bescheiden, Grundbuchauszügen, Plänen etc. vorgenommen werden. Denn gerade diese Daten sind heute oftmals lediglich in Papierform vorhanden und sollten entsprechend sinnvoll aufbereitet und mit den bereits vorhandenen Daten zusammengeführt werden.

Fleischer: Immerhin: Die Reform bietet mitunter auch Gestaltungsspielräume im Bereich der Grundsteuer. So kommt neben den Hebesätzen der Kommunen als Steuerungsgröße noch das jeweilige Landesmodell hinzu. Hier lassen sich durch Simulationsrechnungen entsprechende Planungen vornehmen. Somit könnte dann ein abweichendes Landesmodell trotz eines nominal höheren Hebesatzes zu einer im Einzelfall günstigeren Grundsteuerbelastung führen und Standortentscheidungen entsprechend mit beeinflussen.
DB: Bundesmodell oder Sonderweg einzelner Bundesländer: Welche Methode ist die bessere für Immobilienbesitzer?
Fleischer: Welches Modell geeigneter oder weniger geeignet wäre, unterliegt einer Einzelfallbetrachtung und muss sich anhand der konkreten Festsetzungen unter Berücksichtigung der einzelnen Hebesätze noch zeigen. Jedenfalls haben sich einige Bundesländer gegen das Bundesmodell entschieden, da dieses in Großstadtlagen zu erheblichen Grundsteuererhöhungen und damit auch Belastungen von Mietern geführt hätte. Die Modelle unterscheiden sich hinsichtlich ihrer unterschiedlichen Komplexität und den Datenerfordernissen. So sind bei dem Bundesmodell deutlich mehr Daten erforderlich als beispielsweise beim baden-württembergischen Ländermodell, das ausschließlich auf Grundstücksfläche und Bodenrichtwerte abstellt.

Beddig: Entscheidend wird auch die Abstimmung zwischen Bund und Ländern hinsichtlich des Verwaltungsverfahrens zur Erhebung der Grundsteuer sein. Dies beginnt etwa bei der elektronischen Übermittlung der Feststellungserklärungen, die für das Bundesmodell zwingend sein soll. Ob dies für die Ländermodelle ebenfalls vorgeschrieben werden soll, ist bis dato ungewiss. In Bayern soll zum Beispiel eine Abgabe der Erklärungen in Papierform weiterhin möglich sein.

Fleischer: Aber gerade aufgrund des nunmehr vorliegenden Flickenteppichs im Bereich der Grundsteuer sollten sich Unternehmen frühzeitig die Frage stellen, wie die Datenbeschaffung und -aufbereitung erfolgen sollen. Einem Minimalprinzip folgend, könnten etwa nur die in den jeweiligen Ländern erforderlichen Daten erhoben beziehungsweise konsolidiert werden. Dies ist jedoch nicht empfehlenswert. Sofern die erforderlichen Daten des Bundesmodells für alle Bundesländer aufbereitet würden, ergeben sich weitere Chancen für die Steuerpflichtigen. So bietet die Datengrundlage neben der Grundsteuer auch eine fundierte Basis für spätere Berechnungen, etwa im Bereich der Grunderwerbsteuer, bei der jedoch noch weitere Daten erforderlich wären.

Gerade deshalb sollten sich Unternehmen auch im Sinne einer Kostenoptimierung bereits am Anfang des Projekts die Frage stellen, in welchem Umfang und zu welchem Zweck die Datenaufbereitung erfolgen soll.
DB: Welche Nachteile hat das Bundesmodell?
Beddig: Im Vergleich zu den bereits bekannten Landesgrundsteuermodellen verlangt das Bundesmodell mehr Daten, um die erforderliche Berechnung des Grundsteuerwerts durchführen zu können. Gleichzeitig sind Ertragswertverfahren und insbesondere das Sachwertverfahren für viele Grundstückseigentümer schlichtweg nicht verständlich und zu kompliziert. Der Grund: Berechnungsparameter wie Normalherstellungskosten, Umrechnungskoeffizienten oder Vervielfältiger sind für die meisten Eigentümer nicht eingängig. Da sind einzelne Ländermodelle wie in Baden-Württemberg sicherlich deutlich „massentauglicher“.

Fleischer: Die Massentauglichkeit einzelner Modelle kann ebenfalls an der turnusmäßigen Neubewertung bemessen werden. Während im Bundesmodell alle sieben Jahre der Grundsteuerwert neu ermittelt werden muss, fällt dieser Aufwand in einigen Bundesländern weg. Gleichzeitig haben aber auch die Ländermodelle das Dilemma, dass bei ihnen bereits die Verfassungsmäßigkeit infrage gestellt wird. Es wird sich zeigen, inwieweit einzelne Modelle erneut vor dem Bundesverfassungsgericht landen werden.
DB: Wie können sich Unternehmen jetzt am besten vorbereiten?
Fleischer: Eine gute Vorbereitung sollte damit beginnen, dass sich Unternehmen fragen, ob sie aus Datensicht auf die Grundsteuerreform vorbereitet sind. Dazu gehören Fragen wie: Gibt es bereits implementierte Prozesse für die Einheitsbewertung (insbesondere vor dem Hintergrund der Tax Compliance)? Sind die benötigten Daten in der erforderlichen Form bereits vorhanden oder welche Maßnahmen müssen getroffen werden, um die Daten entsprechend aufzubereiten? Und welche weiteren Zwecke sollen und könnten mit den aufzubereitenden Daten noch verfolgt werden (z.B. Ermittlung Grunderwerbsteuer)?

Ist die Datenaufbereitung als Pflicht-Programm erledigt, folgt nun die prozessuale Umsetzung der Reform. Dies betrifft insbesondere die Erstellung und Abgabe der erforderlichen Feststellungserklärungen sowie die Prüfung der ergangenen Bescheide. Hierfür bieten sich entsprechende Toollösungen an wie z.B. das Grundsteuertool PropEY, mit dessen Hilfe die Steuerpflichtigen die Anforderungen der Grundsteuerreform einfach und zielgerichtet umsetzen können. Unternehmen sollten auf jeden Fall keine weitere Zeit mehr verlieren und mit der Evaluierung und Umsetzung der Grundsteuerreform beginnen.
DB: Vielen Dank Ihnen beiden für das aufschlussreiche Interview!
Das Interview führte Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro.


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