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16.09.2022

Interview

Das BAG zur Einführung elektronischer Zeiterfassung

Der Arbeitgeber ist nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann. Aufgrund dieser gesetzlichen Pflicht kann der Betriebsrat die Einführung eines Systems der (elektronischen) Arbeitszeiterfassung im Betrieb nicht mithilfe der Einigungsstelle erzwingen (Beschluss vom 13.09.2022 – 1 ABR 22/21). Ist das wirklich ein „Paukenschlag“?

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Rupert Felder

DB: Herr Prof. Dr. Felder, das BAG hat gesprochen – wie ist das Urteil anhand der bisher bekannten Pressemitteilung zu werten?

Felder: Tja, bislang liegt eben nur eine dünne Pressemeldung vor. Daher sind alle gespannt auf weiteren Erkenntnisgewinn, wenn die Urteilsbegründung vorliegt. Aber die Formulierung, wie sie vorliegt, lädt eher nicht dazu ein, einen Proteststurm zu erfassen, weil sie nur die Rechtslage wiedergibt.

DB: Inwiefern, das BAG verlangt doch ein System zur Erfassung der Arbeitszeit?

Felder: Das verlangt das BAG nicht, das verlangt das Arbeitsschutzgesetz, sagt das BAG. In dem Verfahren geht es nicht um die Arbeitszeiterfassung an sich, sondern um die Frage, ob der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zur Einführung von Arbeitszeiterfassung hat. Und das BAG sagt logisch und knapp, dass es kein Mitbestimmungsrecht gibt, weil schon das Gesetz eine Arbeitszeiterfassung verlange. Damit kann der Betriebsrat nicht verlangen, was sich schon aus dem Arbeitsschutzgesetz ergibt; das ist eine eigentlich präzise, knappe und befriedigende Ablehnung der Mitbestimmung. So weit, so gut.

DB: Aber was hat es dann mit der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung auf sich?

Felder: Das wird die entscheidende Frage: Hier gibt es seit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in 2019 nichts Neues. Auch jetzt steht im BAG-Urteil nur, dass „ein System“ einzuführen ist. Aber ist das ein technisches System, ist Selbsterfassung auch ein System, da gehen die Meinungen und die betriebliche Wirklichkeit auseinander. Alle Welt redet von Flexibilisierung und wir lernen, dass die jungen Talente alles wollen, nur keine Zeiterfassung. Aber die herkömmliche Regelungswelt ist davon meilenweit entfernt. Das wird nicht nur eine arbeitsrechtliche, das wird eine personalpolitische Auseinandersetzung und ich kann nur raten, dass der Bundesgesetzgeber sich die Anforderungen der Personalpraxis genau anschaut, um zu einer pragmatischen Regelung zu kommen.

DB: Das heißt, dass die Unternehmen der vermeintliche “Paukenschlag” aus Erfurt, von dem vielerorts die Rede ist, gar nicht so “schlimm” trifft, wie in einigen Fällen getan wird?

Felder: Wie gesagt, die bisher vorliegende Pressemitteilung aus Erfurt gibt die geltende Rechtslage wieder, mehr nicht. Es bleibt zu hoffen, dass – wenn wir von einer “Pauke” reden – diese wenigstens so laut war, dass endlich der Gesetzgeber handelt. Den das ist überfällig, spätestens nach der EuGH-Entscheidung im Mai 2019. Wir müssen das deutsche Arbeitszeitrecht mit allem, was dazu gehört, modernisieren und an die tatsächlichen Gegebenheiten, aber auch Wünsche und Vorstellungen der Mitarbeiter anpassen bzw. einen gesetzlichen Rahmen schaffen, der hierfür Spielräume lässt. Der BVAU, also wir Arbeitsrechtspraktiker, erhoffen uns hier zumindest für die schwerlich in den Griff zu bekommenden Arbeitsverhältnis-Typologien Außendienst, Vertrauensarbeitszeit und Homeoffice Erleichterungen in der Erfassung der Arbeitszeit. Modernes Verständnis von „New Work“ und die Strichliste im Arbeitszeitkonto passen nicht so ganz zusammen.

 

Prof. Dr. Rupert Felder ist Vizepräsident des Bundesverbands der Arbeitsrechtler in Unternehmen e.V. (BVAU) und Personalleiter der Heidelberger Druckmaschinen AG.


Das Interview führte Silvio Fricke, BVAU

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