Umgang mit fehlendem Umsetzungsgesetz
Das nationale Umsetzungsgesetz zur CSRD lässt weiter auf sich warten. Die Frist zur Umsetzung endete für die Bundesrepublik bereits im Juli 2024. Unternehmen, die nach der CSRD für das Geschäftsjahr 2024 berichtspflichtig wären, müssen folglich noch nach der vor der CSRD geltenden CSR-Richtlinie berichten. Da zunächst nicht absehbar war, dass sich die CSRD-Umsetzung substanziell verzögern wird, haben sich die betroffenen Unternehmen bereits auf eine Berichterstattung nach der CSRD vorbereitetet und werden ihre Geschäftsberichte überwiegend nach dem neuen CSRD-Standard veröffentlichen. Da die CSRD-Berichtspflichten deutlich über die Berichtspflichten nach der früheren CSR-Richtlinie hinausgehen, sind die für dieses Jahr am CSRD-Bericht vorzunehmenden Anpassungen an die CSR-Richtlinie überschaubar. Dass die CSRD in nationales Recht umgesetzt werden wird, ist sicher. Vor diesem Hintergrund sind Unternehmen gut beraten, sich frühzeitig mit den CSRD-Berichtspflichten nach den ESRS-Standards vertraut zu machen und die nun anstehende Veröffentlichung als „Testlauf“ zu nutzen. Der Aufwand für die neue Nachhaltigkeitsberichterstattung ist nicht zu unterschätzen. Etablieren Unternehmen frühzeitig ihre Prozesse zur Erstellung des CSRD-Berichts, lässt sich der Aufwand in den Folgejahren, in denen die CSRD Geltung beanspruchen wird, deutlich reduzieren.
Berichterstattung zu Arbeitskräften des Unternehmens oft unterschätzt
Den Fokus der Nachhaltigkeitsberichterstattung legen Unternehmen in vielen Fällen auf den Umweltbereich. Umweltschutz ist überwiegend die erste Assoziation, wenn es um Nachhaltigkeitsthemen geht. Nach dem Aufbau der ESRS ist der E-Bereich der erste der drei Nachhaltigkeitsbereiche. Es zeigt sich, dass der S-Bereich bei der Etablierung des Berichterstattungsprozesses oft zunächst nur stiefmütterlich behandelt wird. Die relevanten Abteilungen wie HR werden teilweise erst spät in den Prozess einbezogen. Dies gilt es zu vermeiden. Der umfangreichste Berichtsbereich der ESRS ist die Berichterstattung über die Arbeitskräfte des Unternehmens (ESRS S1). Hierzu sind große Datenmengen abzufragen, zu verarbeiten und schließlich korrekt zuzuordnen. Die Begrifflichkeiten der ESRS decken sich überwiegend nicht mit dem uns bekannten nationalen arbeitsrechtlichen Begriffsverständnis. Vor diesem Hintergrund ist es ratsam, die aufgeschlüsselten Daten einer arbeitsrechtlichen Prüfung zu unterziehen. Dabei ist insbesondere darauf zu achten, dass Begriffe und die dahinterstehenden Daten einheitlich verwendet werden sowie arbeitsrechtliche Risiken vor einer finalen Veröffentlichung identifiziert und bestenfalls beseitigt werden.
Einbindung des Betriebsrats
Nach Art. 19a Abs. 5 der CSRD hat die Unternehmensleitung die Arbeitnehmervertreter auf geeigneter Ebene zu unterrichten und mit ihnen die einschlägigen Informationen und die Mittel zur Einholung und Überprüfung von Nachhaltigkeitsinformationen zu erörtern. Nach dem Referentenentwurf zur Umsetzung der CSRD in deutsches Recht soll eine entsprechende Regelung in § 289b Abs. 6 HGB aufgenommen werden. Nach der Begründung des Referentenentwurfs sollen durch diese Vorschrift die Arbeitnehmervertreter auf geeigneter Ebene bei der Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts eingebunden werden. Geben die Arbeitnehmervertreter im Rahmen ihrer Beteiligung eine Stellungnahme ab, muss sie dem Leitungsorgan des Unternehmens zugeleitet werden.
Da die CSRD noch nicht in nationales Recht umgesetzt ist, existiert aktuell noch keine Pflicht des Unternehmens zur Einbindung des Betriebsrats in die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Unternehmen binden nach unserer Erfahrung den Betriebsrat bislang nur selten in den Berichterstattungsprozess ein. Dies ist aktuell weder rechtlich noch tatsächlich schädlich. Bislang zeigen die Betriebsräte selbst nur wenig Aktivität, wenn es um eine Beteiligung bei der konkreten Berichterstattung geht. Anders ist dies selbstverständlich bei personellen und unternehmerischen Maßnahmen im Zusammenhang mit der nachhaltigen Transformation des Unternehmens. Insbesondere bei der Etablierung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen mit Bezug zur Belegschaft greifen die bekannten Beteiligungsrechte, welche von den Betriebsräten eingefordert und wahrgenommen werden. Unabhängig davon ist es ratsam, den Betriebsrat bei der Nachhaltigkeitstransformation frühzeitig in die erforderlichen Veränderungsprozesse einzubeziehen.
Harmonisierung mit arbeitsrechtlichem Begriffsverständnis
Die arbeitsrechtliche Komplexität der Nachhaltigkeitsberichterstattung ergibt sich primär aus der Begriffsverwendung der ESRS. Diese legen als europäischer Berichtsstandard nicht das Begriffsverständnis des deutschen Arbeitsrechts zugrunde. Selbst synonym verwendete Begriffe drücken nicht zwangsläufig denselben Inhalt aus. Bei der ESRS-S1-Berichterstattung ist die konsequente Beachtung der ESRS-Terminologie von entscheidender Bedeutung:
Der Standard deckt die Arbeitskräfte eines Unternehmens ab. Darunter fallen Arbeitnehmer und Fremdarbeitskräfte. Unter Fremdarbeitskräfte fallen Selbstständige und Mitarbeiter, die über eine Arbeitnehmerüberlassung tätig werden. Diese werden nach den ESRS als Personen definiert, die mit dem Unternehmen einen Vertrag über die Erbringung von Arbeitsleistungen geschlossen haben. Die Berichterstattung über Arbeitskräfte hat per se keine Auswirkung auf den arbeitsrechtlichen Status der beschriebenen Personengruppen. Klarstellend erwähnt Ziffer 4 der ESRS S1, dass die Informationen, die in Bezug auf Fremdarbeitskräfte anzugeben sind, keinen Einfluss auf deren Status nach geltendem Arbeitsrecht haben. Dennoch könnten durch eine unreflektierte und nicht mit arbeitsrechtlichen Kategorien abgestimmte Berichterstattung über Arbeitskräfte unbewusst Indizien über potenzielle arbeitsrechtliche Compliance-Risiken wie Scheinselbständigkeit oder eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung zutage gefördert werden. Bspw. verlangen die ESRS Angaben zur Einbeziehung von Arbeitskräften des Unternehmens in den Dialog mit dem Unternehmen. Hier sollten nicht undifferenziert Angaben zur Einbeziehung gemacht werden, da selbstständige Fremdarbeitskräfte nach dem ESRS-Begriffsverständnis zu den Arbeitskräften des Unternehmens zählen, in der Regel aber nicht in die Arbeitsorganisation eingegliedert sind und auch nicht sein sollten (Risiko Scheinselbstständigkeit).
Schwierigkeiten bereiten daneben in vielen Fällen die Angaben nach ESRS S1-16. Diese Angabepflicht betrifft das prozentuale Verdienstgefälle zwischen weiblichen und männlichen Arbeitnehmern und das Verhältnis zwischen der Vergütung der höchstbezahlten Einzelperson und dem Median der Vergütung der Arbeitnehmer. Da sich Vergütungssysteme verschiedener Unternehmen in unterschiedlichen Ländern stark unterscheiden und einzelne Vergütungskomponenten sehr unterschiedlich eingesetzt werden und ausgeprägt sein können, ist eine arbeitsrechtliche Einordnung und Bewertung im Kontext von ESRS S1-16 empfehlenswert. Anderenfalls besteht die Gefahr, aufgrund falscher Bewertung dem Vorwurf geschönter Angaben zum Gender-Pay-Gap ausgesetzt zu sein. Innerhalb einer vertretbaren arbeitsrechtlichen Einordnung können die anzugebenden Werte hingegen im Rahmen des Zulässigen optimiert werden.
Mögliche Prozessschritte zu arbeitsrechtlicher Begleitung der Berichterstattung
Aus der Erfahrung der ersten Berichterstattungsprojekte haben sich für eine arbeitsrechtliche Begleitung des Berichterstattungsprozesses die folgenden Prozessschritte als hilfreich erwiesen.
- Arbeitsrechtliche Bestandsaufnahme („High Level Due Diligence“)
- Prüfung Beschäftigtendatenschutz
- Einbindung des Betriebsrats oder anderer Mitarbeitervertretungsgremien
- Identifizierung ESRS-Berichtspunkte auf arbeitsrechtlicher Relevanz
- Synchronisierung ESRS-Begrifflichkeiten mit nationalem arbeitsrechtlichem Begriffsverständnis
- Identifizierung arbeitsrechtlicher Optimierungsbedarf
- Konzeptionierung und Umsetzung arbeitsrechtlicher Optimierung
- Konkrete Umsetzung in der Nachhaltigkeitsberichterstattung.
Fazit
Erste Erfahrungen aus der Beratung zeigen, dass Unternehmen die Nachhaltigkeitsberichterstattung ernst nehmen und trotz bürokratischer Last die damit verbundenen Chancen sehen und wahrnehmen. Eine arbeitsrechtliche Begleitung der Berichterstattung zu den Arbeitskräften des Unternehmens optimiert den Berichterstattungsprozess und minimiert rechtliche Risiken. An der nachhaltigen Unternehmenstransformation im Allgemeinen und bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung im Besonderen ist eine Vielzahl unterschiedlicher Expertisen und Blickwinkel erforderlich, die sich gegenseitig bereichern.