Das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz hat für große, kapitalmarktorientierte Unternehmen mit durchschnittlich mehr als 500 Arbeitnehmern die Pflicht zur Erstellung einer nichtfinanziellen Erklärung geschaffen; die Erklärung ist im Jahr 2018 erstmals vom Aufsichtsrat zu prüfen. Was dabei zu beachten ist, erklärt Prof. Dr. Thorsten Grenz.
DB: Herr Professor Grenz, nach § 171 Abs. 1 Satz 4 AktG hat der Aufsichtsrat die nichtfinanzielle Erklärung inhaltlich zu prüfen. Welche Anforderungen muss der Aufsichtsrat erfüllen, um dieser Prüfungspflicht gerecht zu werden?
Grenz: „Bei der nichtfinanziellen Erklärung – im Folgenden verwende ich den in der Praxis üblichen, weniger sperrigen Begriff „CSR-Reporting“ (kurz für „Corporate-Social-Responsibility“) – handelt es sich um breit gefächerte, zum Teil nur eingeschränkt in Zahlen zu fassende Informationen, denen in der Regel noch keine standardisierten und harmonisierten Berichtsprozesse und -systeme zu Grunde liegen. Der Prüfungsgegenstand ist folglich ungewöhnlich breit und vielschichtig – hier erweist sich daher als überaus vorteilhaft, wenn die Besetzung des Aufsichtsrats anhand eines systematischen Anforderungskatalogs zur Auswahl seiner Mitglieder erfolgt ist, so dass sich gegenseitig ergänzende, insgesamt breite Expertise vorhanden und klar ist, welches Ratsmitglied zu welchen Fragestellungen besonderes sachverständig ist. Das umfasst die vom letzten großen Reformvorhaben – dem AReG 2016 – geforderte „Sektorkompetenz“ des Aufsichtsrats genauso wie sein kumuliertes funktionales Know-how und Marktkenntnisse. Ein so zusammengesetzter Aufsichtsrat ist gut aufgestellt, die mit dem CSR-Bericht verbundenen zusätzlichen Prüfungsaufgaben souverän erfüllen zu können.“
DB: Kann diese Pflicht delegiert werden? Welche interne oder externe Unterstützung ist denkbar?
Grenz: „Nein – eine Delegation der Prüfung der CSR-Berichterstattung ist nicht möglich: die Verantwortung liegt beim Plenum des Aufsichtsrats. Eine Vorbereitung durch den Prüfungsausschuss ist zwar sinnvoll, wenn es um Prozess- und Kontrollthemen oder ggf. die Ausschreibung an einen externen Prüfer geht. Die Verantwortung bleibt jedoch beim Plenum, dessen Mitglieder eine hinreichende Grundlage für ihre eigenverantwortliche Prüfung erhalten müssen.
Allerdings kann der Aufsichtsrat Unterstützung in Anspruch nehmen. Die Prüfung des CSR-Reports durch den Aufsichtsrat ohne externe Unterstützung ist die im Gesetz vorgesehene Grundform – die externe Unterstützung ist nur eine ergänzende Kann-Bestimmung! Ich erwarte allerdings, dass die Inanspruchnahme von Unterstützung zum Regelfall wird: Ein richtig besetzter Aufsichtsrat hat zwar die Kompetenz, die CSR-Prüfung durchzuführen; im Normalfall dürften ihm aber schlicht die Ressourcen fehlen, die Prüfungshandlungen selbst vorzunehmen – so dass er dafür auf Unterstützung zurückgreifen wird. Unterstützung bedeutet nun nicht unbedingt externe Unterstützung: Besonders die Interne Revision des Unternehmens bietet sich hier an! Diese berichtet dann in dieser Angelegenheit direkt an den Aufsichtsrat. Wenn man sich für externe Unterstützung entscheidet, dann halte ich es für sinnvoll, den Abschlussprüfer zu beauftragen und nicht einen weiteren Prüfer: der Abschlussprüfer ist zum einen bereits mit dem Unternehmen vertraut, zum anderen bestehen zwischen CSR-Report und anderen Berichten Überschneidungen; z.B. bei der Darstellung des Geschäftsmodells oder den Risiken. Das muss „aus einem Guss“ sein und nahtlos zusammenpassen; denn nicht ist unnötiger als Widersprüche zwischen Berichten! Bei der Beauftragung des Abschlussprüfers mit der Prüfung des CSR-Berichts ist zu beachten, dass es sich dabei um eine Nichtprüfungsleistung handelt, die dem „Fee Cap“ unterliegt: Der Obergrenze für Honorare an den Abschlussprüfer für sämtliche Nichtprüfungsleistungen, die bei 70 Prozent des Abschlussprüferhonorars liegt. Schließlich muss Klarheit herrschen, welche Art von Prüfung sinnvoll ist: reicht eine prüferische Durchsicht („limited assurance“) oder wird eine Prüfung mit hinreichender Sicherheit („reasonable assurance“) beauftragt? Ich erwarte, dass die „limited assurance“ zunächst deutlich überwiegen wird. Dabei steht die Prüfung der Plausibilität des Berichts im Vordergrund, die so erreichte zusätzliche Sicherheit ist also begrenzt: Die „limited assurance“ ist keine, auch keine in ihrem Umfang reduzierte Prüfung, sondern eben eine Durchsicht. Ihr Ergebnis ist folglich auch kein positiv formuliertes Gesamturteil, sondern lediglich die Erklärung, dass die Durchsicht keine wesentlichen Fehler aufgedeckt hat. Diese unterschiedliche Prüfungsintensität indiziert, dass der Prüfung der Rechnungslegung unverändert das Hauptaugenmerk zu gelten hat: Diese bleibt eine Hauptaufgabe des Aufsichtsrats. Prüfungstechnisch ist zu beachten, dass eine Durchsicht regelmäßig keine Systemprüfungen umfasst und daher auch keine Anregungen zur Weiterentwicklung der Systeme geben kann. Perspektivisch erwarte ich, dass wir vermehrt umfangreiche Prüfungen mit „reasonable assurance“ sehen werden. Dieses kann sowohl für Unternehmen mit hohem CSR-Risikogehalt sinnvoll sein als auch für CSR-Berichte, die vollständig in den Lagebericht integriert sind.“
DB: Wie kann sichergestellt werden, dass alle relevanten CSR-Aspekte in der Aufsichtsratsarbeit berücksichtigt werden?
Grenz: „Das ist in der Tat eine ganz wichtige Frage! Hier entscheidet sich, ob CSR als lästige Pflichtübung empfunden wird oder dazu beiträgt, dass das Unternehmen besser wird – denn CSR-Themen kommt bei Investoren, Kunden und der allgemeinen Öffentlichkeit ein immer höherer Stellenwert zu. Hier kann der Aufsichtsrat unmittelbar einwirken: Die Befassung mit CSR darf sich nicht beschränken auf die Prüfung des CSR-Berichts. Der Aufsichtsrat sollte sich bereits unterjährig mit dem Thema CSR auseinandersetzen und dabei die CSR-Strategie, die Ziele sowie die angewandten Konzepte und internen Prozesse mit dem Vorstand erörtern. So gewinnt der Aufsichtsrat das nötige tiefe Verständnis, um die Plausibilität und Vollständigkeit beurteilen zu können. Dabei hilft die Orientierung der CSR-Berichterstattung an einem der sogenannten Rahmenwerke, z.B. der Global Reporting Initiative (GRI) oder des Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) – zumal ein Verzicht darauf nach dem „Comply-or-Explain-Prinzip“ angegeben und erklärt werden muss. Die Rahmenwerke enthalten umfangreiche Kataloge von Indikatoren zur CSR, anhand derer der Aufsichtsrat die Vollständigkeit und Auswahl der vom Vorstand als relevant angesehenen Kriterien kritisch hinterfragen kann.“
DB: Wie kann der Aufsichtsrat die (Weiter-) Entwicklung des CSR-Systems begleiten?
Grenz: „Ich sehe gegenwärtig die Integration der diversen Berichte als große Herausforderung: Lagebericht, Risiko-, Compliance- und nun der CSR-Bericht – sie stehen viel zu häufig nur „additiv“ nebeneinander. Dieses wird mit dem CSR-Bericht überdeutlich: Dass es drei Optionen zu seiner Veröffentlichung gibt, zeigt doch, dass nicht zu Ende gedacht ist, wie die Berichte zusammenhängen. Auf dem Weg zu mehr Integration und Systematik ist der Aufsichtsrat Impulsgeber und Sparringspartner.“
DB: In welcher Form und Tiefe berichtet der Aufsichtsrat an die Hauptversammlung?
Grenz: „Der Aufsichtsrat berichtet zunächst schriftlich an die Hauptversammlung: Seine Berichterstattung zur Prüfung des CSR-Berichts wird wohl Teil des bereits etablierten Berichts des Aufsichtsrats sein. Stellen Aktionäre Fragen zum CSR-Bericht, dann gilt es, unsere dualistische Governance-Struktur aus Vorstand und Aufsichtsrat zu beachten: Der Aufsichtsrat wird Fragen zur Prüfung des CSR-Berichts beantworten. Fragen zum Inhalt sind dagegen an den Vorstand gerichtet: die hypothetische Frage etwa zur Angemessenheit der CO2-Reduktionsziele des Unternehmens wird durch den Vorstand beantwortet. Die Arbeitsteilung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat entspricht hier der beim Dialog mit Investoren: der Aufsichtsrat beschränkt sich da wie hier auf diejenigen Angelegenheiten, die in seiner Verantwortung liegen.“
Vielen Dank für das Interview, Herr Professor Grenz!
Zur Person
Prof. Dr. Thorsten Grenz ist Geschäftsführender Gesellschafter der KIMBRIA Gesellschaft für Beteiligung und Beratung mbH, Mitglied des Aufsichtsrats der Drägerwerk AG & Co. KgaA und Honorarprofessor für Betriebswirtschaftslehre an der Christian-Albrechts-Universität Kiel sowie Präsident Financial Experts Association e.V.