Das Finanzamt hatte gegenüber dem Kläger, einem Sportverein, im Mai 2020 die Körperschaftsteuer für 2018 festgesetzt. Da sich aus dem Bescheid eine Nachzahlung ergab, setzte es zugleich Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO für den Monat April 2020 fest. Der Verein beantragte die zinsfreie Stundung aller Zahlungsansprüche aus dem Körperschaftsteuerbescheid für 2018 und berief sich dabei auf das BMF-Schreiben vom 19.03.2020 über „Steuerliche Maßnahmen zur Berücksichtigung der Auswirkungen des Corona-Virus“. Dem folgte das Finanzamt und gewährte die zinslose Stundung.
Zugleich beantragte der Kläger den Erlass der Nachzahlungszinsen wegen sachlicher Unbilligkeit. Zur Begründung führte er aus, dass die Zinsen nicht entstanden wären, wenn das Finanzamt den Körperschaftsteuerbescheid vor dem 01.04.2020 erlassen hätte. Den Erlass der Zinsen lehnte das Finanzamt ab, weil der Kläger deren Entstehung durch Beantragung höherer Körperschaftsteuervorauszahlungen habe vermeiden können. Die Zinsen seien zudem nicht unmittelbar durch die Corona-Pandemie verursacht worden.
Erfolg vor dem FG: Nachzahlungszinsen sachlich unbillig
Das Finanzgericht Münster hat der hiergegen erhobenen Klage mit Urteil vom 26.10.2022 (13 K 1920/21) stattgegeben. Es hat das Finanzamt verpflichtet, den beantragten Erlass der Nachzahlungszinsen zu gewähren. Das dem Finanzamt eingeräumte Ermessen sei insoweit auf Null reduziert.
Die Erhebung der Nachzahlungszinsen sei im konkreten Fall sachlich unbillig, weil der Kläger durch die verspätete Steuerfestsetzung zweifelsfrei keinen Liquiditätsvorteil erlangt und das Finanzamt keinen Liquiditätsnachteil erlitten habe. Abstrakt sei die im Mai 2020 erfolgte Steuerfestsetzung zwar geeignet, den Liquiditätsvorteil auszulösen, den § 233a AO abschöpfen wolle. Da der Kläger allerdings nach dem BMF-Schreiben vom 19. März 2020 unstreitig einen Anspruch auf zinsfreie Stundung der Körperschaftsteuernachzahlung habe, sei nicht erkennbar, inwieweit er durch die verzögerte Steuerfestsetzung einen zusätzlichen Liquiditätsvorteil erlangt haben könnte.
Höhere Vorauszahlungen nach Corona-Ausbruch widersprüchlich
Der Hinweis des Finanzamts auf die Möglichkeit einer höheren Vorauszahlung greife nicht durch. Der Kläger sei berechtigt, die gesetzlich gewährte Karenzzeit von 15 Monaten auszunutzen. Im April 2020 sei zwar absehbar gewesen, dass es nicht mehr rechtzeitig zu einer Steuerfestsetzung komme. Da die Corona-Pandemie zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits ausgebrochen war, erscheine es widersprüchlich, die offenen Steuernachforderungen zinsfrei zu stunden und andererseits vom Kläger eine Vermeidung von Zinsen durch höhere Vorauszahlungen zu verlangen.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (BFH-Az. XI R 28/22).