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17.11.2020

Interview

Carve-out-Transaktionen: Worauf bei der Organisation und Berichterstattung zu achten ist

Beitrag mit Bild

Der Betrieb

Carve-out-Transaktionen sind auch in Krisenzeiten ein wichtiges Gestaltungselement bei Transformationsprojekten. Unabhängig davon, ob eine strategische Abtrennung von Randbereichen des Unternehmens oder die gezielte Sanierung unprofitabler Aktivitäten angestrebt wird, schaffen Carve-outs die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Transformation. Was bei der Organisation von Carve-out-Projekten zu beachten ist und wie ein Carve-out bilanziell abzubilden ist, erläutern Nikolaus Färber, Mitglied des Vorstands der FAS AG, und Dr. Rainer Doll, Partner bei der FAS AG, im DB-Interview.

DB: Im Zuge der Corona-Krise sind viele Unternehmen zu Restrukturierungen oder Änderungen ihrer Konzernorganisation gezwungen. Welche Möglichkeiten bieten Carve-out-Transaktionen für Unternehmen in diesem Zusammenhang?

Doll: Wir erleben Carve-out-Transaktionen aktuell als wichtiges Gestaltungsmittel im Rahmen zahlreicher Transformationsprojekte. Egal ob es um neue Geschäftsmodelle geht, bei dem etwa eigene Wertschöpfungsanteile reduziert werden sollen, die strategische Abtrennung von Randbereichen oder die gezielte Sanierung nicht profitabler Aktivitäten: Carve-outs schaffen die Voraussetzungen, Geschäftsaktivitäten neu zu justieren und für neue Eigentümerstrukturen zu öffnen.

DB: Worauf sollte bei der Abgrenzung des Carve-out-Objekts geachtet werden?

Doll: Bei der Abgrenzung ist grundsätzlich darauf zu achten, dass das neu definierte Objekt im Hinblick auf Investoren oder künftig erforderliche Refinanzierungen betriebswirtschaftlich attraktiv bleibt. Gerade bei schwach profitablen Bereichen ist darauf zu achten, dass im Moment der rechtlichen Verselbstständigung auch eine positive Fortführungsprognose vorliegt, um die Geschäftsführung nicht sofort Haftungsrisiken auszusetzen. Das bedeutet, dass das Carve-out-Objekt über einen gewissen Mindestzeitraum finanziert sein muss.

Färber: Die Abgrenzung des Carve-out-Objekts leitet sich grundsätzlich aus den entsprechenden Anlässen ab. Je nach Anlass ergibt sich ein unterschiedlicher Scope. So kann bspw. bei innerbetrieblichen Umstrukturierungen oder bei einem Szenario einer zukünftigen Integration eine andere Abgrenzung bezüglich Zentralfunktionen getroffen werden als im Vergleich zu einem Stand-Alone-Szenario. Darüber hinaus sind insb. steuerliche, personalbezogene und IT-technischen Aspekte mit zu berücksichtigen.

DB: Welche Bereiche des durchführenden Unternehmens sind von der organisatorischen Abwicklung i.d.R. besonders betroffen und wo wird der Aufwand erfahrungsgemäß häufig unterschätzt?

Doll: Erfahrungsgemäß sind gerade die Bereiche Rechnungswesen, IT und HR besonders betroffen. Unterschätzt wird häufig, dass zahlreiche Beschaffungs-, Belieferungs- und Dienstleistungsverträge auf die neue Einheit umgestellt bzw. neu abgeschlossen werden müssen. Regelmäßig ist hierfür die Zustimmung externer Vertragspartner erforderlich. Somit sind auch Bereiche wie Einkauf, Vertragsmanagement oder Immobilien zumeist stark involviert.

Färber: Neben den genannten Bereichen haben steuerliche Vorgaben und Regelungen eine sehr hohe Bedeutung bei Carve-out-Transaktionen. Hier ergeben sich meist sehr komplexe steuerliche Fragestellungen aus dem Bereich des Umwandlungssteuerrechts und hier wiederum mit den Details rund um den steuerlichen Teilbetrieb. Hier empfiehlt sich zumeist eine steuerliche Machbarkeits-Analyse zu Beginn des Carve-out-Projekts durchzuführen.

DB: Was zeichnet ein gutes Carve-out-Projektmanagement aus?

Doll: Ein gutes Carve-out-Projektmanagement stellt sicher, dass betroffene Bereiche frühzeitig mit wahrscheinlichen Fragestellungen konfrontiert werden und fördert im Falle von Schnittstellen den Austausch zwischen Fachabteilungen.

Färber: Carve-out-Projektmanagement entspricht letztlich einem Komplexitäts-Management sowohl hinsichtlich inhaltlicher Themen als auch bezüglich zeitlicher Aspekte. Eine klare Ressourcenplanung, die Definition von Arbeitspaketen und Meilensteinen sowie die Verankerung der Projektverantwortung spielen zusätzlich eine zentrale Rolle. Gerade bei der Ressourcenplanung ist die Berücksichtigung bestehender Aufgaben jedes Mitarbeiters realistisch einzuschätzen. Eine Überbelastung der Mitarbeiter führt auf Dauer zu Frustration und Projektgefährdung.

DB: Eine besondere Herausforderung stellt die Berichterstattung über Carve-outs dar, da es keine rechtliche Definition von Carve-out-Abschlüssen in Deutschland gibt. Nach welchen Maßstäben kann die bilanzielle Abbildung bei nach HGB bilanzierenden Unternehmen stattfinden?

Färber: Basis für solche Überlegungen sind die gewählten bzw. angedachten rechtlichen Gestaltungen. Häufig basieren Carve-outs auf einer Kombination von sog. Asset-Deals, Spaltungen und Anteilsübertragungen. Aus handelsrechtlicher Sicht, sind zur Bilanzierung die entsprechenden einzelnen handelsrechtlichen Regelungen zugrunde zu legen. Im Prinzip reden wir hier von Anschaffungsvorgängen, wobei bei Spaltungen die Regelungen des deutschen Umwandlungsgesetzes zu beachten sind. So darf in speziellen Fällen der übernehmende bzw. neue Rechtsträger nach dem Umwandlungsgesetz als Anschaffungskosten die Buchwerte aus der Schlussbilanz des übertragenden Rechtsträgers fortführen.

DB: Gibt es einen Zusammenhang zwischen kombinierten Abschlüssen und Carve-out-Abschlüssen?

Färber: Man muss sich klar machen, dass Carve-out-Abschlüsse historische Finanzinformationen wie Einzel- und Konzernabschlüsse sind. Damit werden bilanziell tatsächlich stattgefundene Transaktionen bzw. Geschäftsvorfälle in einem bestimmten Betrachtungszeitraum der Vergangenheit beurteilt. Außer für den Fall, dass es sich um einen Carve-out bezüglich nur eines einzigen Unternehmens handelt, gehören Carve-outs regelmäßig zu der Gruppe der „kombinierten“ Abschlüsse. In der Praxis steht man häufig vor der Herausforderung, dass eine Teileinheit mit einer oder mehreren Teileinheiten und bzw. oder einer oder mehreren rechtlichen Einheiten kombiniert werden muss und es keine Konzernmuttergesellschaft gibt. Das Bild welches ich hier vor Augen habe, ist ein stark integrierter Geschäftsbereich, der weder in einem Teilkonzern noch in einem Einzelabschluss dargestellt werden kann und in einen eigenständigen Teilkonzern überführt werden soll. Dabei spielen gesellschaftsrechtliche Grenzen regelmäßig keine Rolle, d.h. solche integrierten Geschäftsbereiche erstrecken sich typischerweise über gesellschaftsrechtliche Grenzen hinweg. Um die Frage nach der Bilanzierung wieder aufzugreifen, muss man leider feststellen, dass sich zur Frage der bilanziellen Abbildung des kombinierten Abschlusses keine Regelungen nach HGB finden. Das deutsche Handelsrecht kennt lediglich die Begriffe des Jahresabschlusses und Konzernabschlusses. Soweit sich die handelnden Parteien im Rahmen eines Carve-outs darauf einigen, einen handelsrechtlichen kombinierten Abschluss aufzustellen, werden in der Praxis regelmäßig die internationalen Regelungen analog angewendet. Das Ergebnis ist vereinfacht gesagt ein Carve-out-Abschluss i.S. eines Konzernabschlusses, der jedoch keine Konzernmuttergesellschaft und keine integrierte rechtliche Struktur hat. Hierdurch ist eine Eigenkapitalkonsolidierung nicht möglich. Jedoch sind Inter-Company-Transaktionen und -Positionen sowohl in der GuV als auch bei den Vermögengegenständen und den Verbindlichkeiten zu eliminieren. Das Eigenkapital hingegen wird in einer Net Asset-Position zusammengefasst.

DB: Wie kann der Übergang von einem kombinierten Abschluss oder einem Carve-out-Abschluss auf einen konsolidierten Abschluss gestaltet werden und wo liegen Ihrer Erfahrung nach besondere Schwierigkeiten?

Färber: Wie in der vorherigen Frage bereits angedeutet, liegen die Schwierigkeiten zum einen im Bereich der Eigenkapitalkonsolidierung. Neben der Eigenkapitalkonsolidierung stellt sich nach IFRS zu dem die Frage, ob eine IFRS-Erstanwendung nach IFRS 1 vorliegt oder nicht, und ob bspw. die Möglichkeit nach IFRS 1.D16 besteht, die IFRS-Buchwerte aus dem Konzernabschluss des Mutterunternehmens fortzuführen. Um den Übergang auf einen konsolidierten Abschluss sicherzustellen, ist insb. zu Beginn der Carve-out-Transaktion zu klären, ob die Buchwerte fortgeführt werden können oder nicht. Ein Variante ist, dass der Carve-out zunächst als konzerninterne Transaktion vorgenommen wird und als Teilkonzern aufgestellt wird. Ein möglicher Verkauf gestaltet sich anschließend sich als reiner Anteilsverkauf, der den bekannten Regeln folgt.

Vielen Dank für das Interview.

Das Interview führte Sebastian Boochs

 


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