Der Mindestlohn hat die Tarifverhandlungen komplizierter gemacht und manchen Tariflohn verdrängt. Wie eine Befragung von acht Branchenverbänden durch das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) zeigt, sehen einige Verbände darin einen erheblichen Eingriff in die Tarifautonomie.
Seit dem 1. Januar 2015 gilt in Deutschland der gesetzliche Mindestlohn. Zunächst waren es 8,50 Euro pro Stunde, seit Anfang dieses Jahres bekommen fast vier Millionen Beschäftigte 8,84 Euro. In fast allen betroffenen Branchen hat der Mindestlohn Tariflöhne verdrängt oder die Tariflohndynamik vorbestimmt. Einige Verbände werten das als Eingriff in die Tarifautonomie.
Tarifverhandlungen werden komplizierter
Der Mindestlohn hat in allen Branchen zu einem spürbaren Anstieg der Stundenlöhne geführt. Diese finanzielle Mehrbelastung für die Unternehmen wurde nicht an anderer Stelle – beispielsweise durch Kürzungen bei tariflichen Sonderzahlungen oder Zuschlägen – aufgefangen. Solche Einschnitte gab es allein in der Systemgastronomie, allerdings dort auch nur für Neueingestellte. Da der Lohnabstand zwischen weniger qualifizierten und qualifizierten Tätigkeiten verringert worden ist und einige Gewerkschaften zudem einen Abstand zwischen dem untersten Tariflohn und dem Mindestlohn fordern, dürften die Tarifverhandlungen in Zukunft deutlicher komplizierter werden. „Wenn die Arbeitgeberverbände und ihre Mitgliedsunternehmen aus wirtschaftlichen Gründen nicht zu einer Entlohnung bereit sind, die deutlich über dem gesetzlichen Mindestlohn liegt, wird es im Zweifel keine neuen Tarifverträge geben“, befürchtet IW-Tarifexperte Hagen Lesch.
(IW Köln, PM vom 22.05.2017/ Viola C. Didier)