Mitteilungspflichten nach § 138 Abs. 2 AO
Teil des Kanons der Mitteilungspflichten ist auch § 138 Abs. 2 AO, der den inländischen Steuerpflichtigen dazu verpflichtet, die deutsche Finanzverwaltung über die Aufnahme oder Veränderung eines Auslandsengagements bzw. einer Auslandsbeziehung zu informieren. Da jene Engagements immer wieder strukturellen Änderungen unterliegen, ist die Norm nicht zuletzt aufgrund der Bußgeldbewehrung zwingend zu beachten.
Die bereits 1972 eingeführte Norm unterlag zwischenzeitlich zahlreichen Änderungen; zuletzt ergaben sich wesentliche Änderungen des § 138 Abs. 2 AO durch das Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz 2017. Die Erweiterungen wurden begleitet von dem wenige Monate später veröffentlichen BMF-Schreiben vom 05.02.2018, das zwischenzeitlich drei Mal ergänzt wurde. Der Mitteilungspflicht unterliegen bzw. unterlagen bislang u.a. folgende Vorgänge:
- der Erwerb, die Aufgabe oder die Veränderung einer Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften (§ 138 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO), sowie
- der Erwerb oder die Veräußerung von Beteiligungen an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Sitz und Geschäftsleitung außerhalb Deutschlands („ausländische Gesellschaft“), wenn damit eine Beteiligung von mindestens 10% am Kapital oder am Vermögen der ausländischen Gesellschaft erreicht wird oder die Summe der Anschaffungskosten aller Beteiligungen mehr als 150.000 € beträgt (dabei sind unmittelbare und mittelbare Beteiligungen zusammenzurechnen; § 138 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 sowie Satz 2 AO).
Änderungen durch das Jahressteuergesetz 2020
Mit dem JStG 2020 wurde § 138 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b AO um eine sog.
Börsenklausel
ergänzt. Danach hat keine Mitteilung eines Erwerbs oder einer Veräußerung einer Beteiligung von weniger als 1% am Kapital oder am Vermögen einer ausländischen Gesellschaft zu erfolgen, wenn mit der Hauptgattung der Aktien der ausländischen Gesellschaft ein wesentlicher und regelmäßiger Handel an einer Börse (im EU- oder EWR-Raum bzw. in einem Drittstaat, wenn von der BaFin zugelassen) stattfindet. Während für die Ermittlung der genannten Beteiligungshöhe alle gehaltenen Beteiligungen zu berücksichtigen sind, sollen bei der Ermittlung der Summe der Anschaffungskosten von 150.000 € nicht mitteilungspflichtige Erwerbe bzw. Veräußerungen außer Betracht bleiben. Die Finanzverwaltung wendet die Börsenklausel bereits in einer weitestgehend identischen Fassung seit 2018 (vgl. BMF-Schreiben vom 18.07.2018) – bislang jedoch ohne gesetzliche Grundlage – an.
Darüber hinaus sollen nunmehr auch
Feststellungserklärungen
zur Mitteilung genutzt werden (vgl. § 138 Abs. 5 AO). Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 19/22850, S. 165) soll damit die bisherige Verwaltungsauffassung aus dem BMF-Schreiben vom 05.02.2018, Tz. 1.2, gesetzlich verankert werden, sodass u.a. auch eine Personengesellschaft als mitteilungspflichtiger Steuerpflichtiger gelten kann.
Änderungen durch das weitere BMF-Schreiben vom 28.12.2020
Die bislang bereits zu Recht kritisierte – weil m.E. vom Gesetzeswortlaut nicht gedeckte –Sichtweise der Finanzverwaltung, dass die Mitteilungspflicht auch den Erwerb mittelbarer Beteiligungen an Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen umfasse, wurde mit dem vorhergehenden BMF-Schreiben vom 18.09.2020 zwar eingeschränkt, jedoch nicht beseitigt. Danach wurde geregelt, dass mittelbar über ausländische Investmentfonds erworbene bzw. veräußerte Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften nicht mitteilungspflichtig seien. Daraus ließ sich umgekehrt jedoch auch folgern, dass anderweitig mittelbar erworbene bzw. veräußerte Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften der Mitteilungspflicht unterlagen.
Mit BMF-Schreiben vom 28.12.2020 konkretisierte die Finanzverwaltung nun ihre Auffassung zu
mittelbaren Erwerben
sowie
mittelbaren Veräußerungen
von Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften (§ 138 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 sowie Satz 2 AO).
Nach Tz. 1.3.1 gelte bei Erwerben ergänzend folgendes: „Die Mitteilungspflicht besteht bei Vorliegen der Voraussetzungen nur für die Beteiligungen, die der inländische Steuerpflichtige selbst entgeltlich oder unentgeltlich erworben hat. Im Falle des Erwerbs einer unmittelbaren Beteiligung an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse hat der inländische Steuerpflichtige auch die hierdurch gleichzeitig miterworbenen mittelbaren Beteiligungen mitzuteilen, soweit die übrigen Voraussetzungen hierfür vorliegen.“
Nach Tz. 1.3.2 gelte bei Veräußerungen ergänzend folgendes: „Die Mitteilungspflicht besteht bei Vorliegen dieser Voraussetzungen nur für die unmittelbaren Beteiligungen, die der Steuerpflichtige selbst veräußert hat, und hierdurch gleichzeitig mitveräußerte mittelbare Beteiligungen.“
Angesichts der Änderungen durch das JStG 2020, mit der die bislang gesetzlich nicht geregelte Börsenklausel in § 138 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b AO verankert wurde, verwundert es, weshalb der Gesetzgeber nicht auch die Mitteilungspflicht hinsichtlich mittelbar erworbener bzw. veräußerter Beteiligungen ausdrücklich geregelt hat. Dies insbesondere deshalb, da die Interpretation der Norm durch die Finanzverwaltung deutlich von Literatur und Praxis kritisiert wird und letztlich vom Gesetzeswortlaut nicht gedeckt ist. Im Ergebnis wird versucht, „durch die Hintertür“ Daten zu erheben, die Steuerpflichtigen ohnehin häufig nicht vollständig vorliegen (z.B. bei Private Equity-Strukturen oder bestimmten Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen) und deshalb aus gutem Grund nicht ohne weiteres vom Gesetzgeber (und auch nicht von der Finanzverwaltung!) erwartet werden können. Schon allein deshalb erscheint die Auffassung der Finanzverwaltung als überzogen.
Auswirkungen der Änderungen auf die Praxis oder „Was ist denn nun mitzuteilen?“
Die Kodifizierung einer Börsenklausel (und damit der gelebten Praxis) ist sowohl im Sinne der Rechtssicherheit als auch der Verfahrensökonomie zu begrüßen. Nach der Gesetzesbegründung soll hierdurch vermieden werden, dass eine Reihe von normalen Aktiengeschäften ohne erkennbare steuerliche Relevanz mitteilungspflichtig wären.
Ferner ist zu begrüßen, dass die Mitteilungspflicht aus Sicht der Finanzverwaltung nunmehr dahingehend beschränkt sein soll, dass nur diejenigen
mittelbaren Beteiligungen
an Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen
mitzuteilen sind, die zum Zeitpunkt eines unmittelbaren Erwerbs einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse bestehen. M.a.W.: Eine Mitteilung zum Erwerb oder zur Veräußerung von mittelbar gehaltenen Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften nach einem unmittelbaren Erwerb bzw. vor einer unmittelbaren Veräußerung ist somit nicht mitteilungspflichtig. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Mitteilungspflicht hinsichtlich der mittelbar erworbenen bzw. mittelbar veräußerten Beteiligungen einer gesetzlichen Grundlage entbehrt – aus gutem Grund! Ansonsten würde – wie bereits angedeutet – der Gesetzgeber stets voraussetzen, dass dem Anleger z.B. bei Co-Investments im Rahmen von Private Equity-Transaktionen oder Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen sämtliche mittelbar gehaltenen Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften bekannt sind. Diese müssten z.B. dann gemeldet werden, wenn – unter Berücksichtigung der Börsenklausel – die 150.000 €-Grenze zwar nicht durch den unmittelbaren Erwerb (bzw. Vorerwerbe) gerissen werden würde, jedoch durch die Addition der Anschaffungskosten der jeweils mittelbar erworbenen Beteiligungen. Offen bleibt dabei auch, ob z.B. eine zwischengeschaltete, selbst mitteilungspflichtige inländische Kapitalgesellschaft die Kette der zu meldenden ausländischen Gesellschaften unterbrechen würde. Käme der Steuerpflichtige seiner Pflicht nicht nach, könnte im Ergebnis ein Bußgeld drohen.
Leider äußert sich das BMF-Schreiben vom 28.12.2020 gerade nicht zu dem Fall des mittelbaren Erwerbs bzw. der mittelbaren Veräußerung von Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften durch unmittelbaren Erwerb eines Gesellschaftsanteils an einer
ausländischen Personengesellschaft
, d.h. mit Geschäftsleitung und Sitz außerhalb Deutschlands. Von einer
Abschirmwirkung
der ausländischen Personengesellschaft
für
deren
mitteilungspflichtigen Gesellschafter
als inländischem Steuerpflichtigem muss aber ausgegangen werden. Zum einen spricht der Wortlaut des § 138 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO nur von Beteiligungen, wonach nach allgemeiner Auffassung nur unmittelbare Beteiligungen gemeint sind. Auch ergibt sich nichts Gegenteiliges aus dem Wortlaut des § 138 Abs. 2 Satz 2 AO, aus dem die Finanzverwaltung – m.E. bereits unzutreffend – die Mitteilungspflicht für mittelbare Beteiligungserwerbe ableiten möchte. Diese Norm gilt ausweislich ihres Wortlauts überdies nicht für die Fälle des Erwerbs, der Aufgabe oder der Veränderung einer Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften. Letztlich hat der Gesetzgeber mit den Änderungen im JStG 2020 anerkannt, dass Personengesellschaften selbst auch (mitteilungspflichtige) Steuerpflichtige i.S.v. § 138 Abs. 2 AO sein können. Angesichts der „verfahrensrechtlichen Intransparenz“ der Personengesellschaft erscheint dies auch folgerichtig. So sind bei einer mehrstufigen Personengesellschaftsstruktur letztlich auf jeder Ebene Feststellungserklärungen abzugeben, auf welche die Neuregelung durch das JStG 2020 gerade abstellt. Somit sind dort auch nur die von der jeweiligen (mitteilungspflichtigen) Personengesellschaft unmittelbar erworbenen bzw. veräußerten Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften mitzuteilen.
Zum Abschluss bleibt noch ein besonderes
Schmankerl
, das zur
Vorsicht
mahnt: Im Februar 2021 soll dem Vernehmen nach noch die Corona-bedingte, geplante Verlängerung der Abgabefrist für die Steuererklärung 2019 bis August 2021 umgesetzt werden. Leider hat es der Gesetzgeber versäumt, auch die 14-Monats-Frist (§ 138 Abs. 5 AO) entsprechend anzupassen. Damit müssen spätestens im Februar 2021 die Meldungen für den Veranlagungszeitraum nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz erfolgen. Es bleibt also spannend!