08.03.2023

Meldung, Wirtschaftsrecht

BGH zur Berufungsfrist

Hat der Gegner zugestimmt, kann ein Anwalt darauf vertrauen, dass dem zweiten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist stattgegeben wird.

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Wer nachweisen kann, dass der Prozessgegner mit einer zweiten Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist einverstanden ist, darf auch darauf vertrauen, dass das Gericht diesem Antrag stattgeben wird. Mit dieser Begründung hat der BGH einem Kläger die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt (Beschluss vom 30.01.2023 – VIa ZB 15/22).

Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist

In dem Verfahren ging es um eine Forderung von 13.000 Euro im Zusammenhang mit einem Diesel-Auto. Gegen das klageabweisende Urteil hat der Kläger zunächst fristgemäß Berufung eingelegt. Wegen großer Arbeitsbelastung hat sein Prozessbevollmächtigter vor Fristablauf die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Dem hat das Berufungsgericht mit dem Hinweis „Eine weitere Verlängerung ist nicht zu erwarten“ entsprochen. Am Tag des Fristablaufs beantragte der Anwalt erneut eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um sechs Wochen. Dabei versicherte er anwaltlich, er sei wegen großer Arbeitsbelastung nicht zur fristgemäßen Bearbeitung in der Lage und die Beklagte habe der weiteren Fristverlängerung zugestimmt.

Das Berufungsgericht lehnte die weitere Verlängerung der Frist unter Berufung auf den vorigen Hinweis jedoch ab, ebenso wie den Antrag auf Wiedereinsetzung (OLG Dresden, Beschluss vom 18.07.2022 – 5a U 654/22). Außerdem hätte der Kläger früher die Gründe für seine Verhinderung mitteilen müssen und ggf. bei Gericht nachfragen müssen. Schließlich sei das Fristverlängerungsgesuch so spät bei dem Berufungsgericht eingegangen, dass mit einer Entscheidung vor Fristablauf nicht mehr zu rechnen gewesen wäre.

BGH: Vertrauen in die Verlängerung der Frist geschützt

Die Rechtsbeschwerde zum BGH gegen diese Entscheidung hatte Erfolg. Das Berufungsgericht habe zu Unrecht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt. Es habe kein Verschulden des Rechtsanwalts nach § 233 ZPO vorgelegen. Dieser habe darauf vertrauen dürfen, dass seinem rechtzeitig gestellten Antrag gem. § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO stattgegeben werden würde.

Im Wiedereinsetzungsverfahren könne sich ein Rechtsmittelführer mit Erfolg auf sein Vertrauen in eine Fristverlängerung berufen, wenn deren Bewilligung mit großer Wahrscheinlichkeit erwartet werden könne. Dabei sei bei Einwilligung des Gegners auch das Vertrauen in eine zweite Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist geschützt. Hierzu müssten auch keine erheblichen Gründe vorgetragen werden. Das Gericht habe die Fristverlängerung auch nicht unter Berufung auf den vorigen Hinweis ablehnen dürfen. Schließlich habe der Gesetzgeber mit § 520 Abs. 2 ZPO ausdrücklich beabsichtigt, die Verlängerung bei erteilter Einwilligung zu vereinfachen.

Fristen dürfen ausgereizt werden

Auch die Tatsache, dass der Verlängerungsantrag erst am letzten Tag der Frist gestellt worden war und sein Anwalt zuvor nicht bei Gericht nachgefragt hatte, dürfe dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen. Schließlich sei eine Partei grundsätzlich berechtigt, eine Frist bis zum letzten Tag auszuschöpfen. Der Fristverlängerungsantrag müsse nicht so rechtzeitig gestellt werden, dass vor Fristablauf noch mit einer Entscheidung gerechnet werden könne, sondern es reiche, wenn er vor Fristablauf gestellt werde. Für eine Rückfrage, ob dem Antrag stattgegeben wurde, bestehe kein erkennbarer Anlass, wenn der Anwalt – wie hier – mit der Verlängerung der Frist rechnen konnte.


BRAK vom 07.03.2023 / Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro

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