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10.07.2024

Meldung, Wirtschaftsrecht

BGH zum Referenzzins für Zinsanpassungen in Prämiensparverträgen

Der BGH hat im Rahmen von zwei Musterfeststellungsklagen über den Referenzzins für Zinsanpassungen in Prämiensparverträgen entschieden.

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Die Musterkläger in beiden Verfahren sind seit über vier Jahren als qualifizierte Einrichtungen in die Liste nach § 4 UKlaG eingetragene Verbraucherschutzverbände. Die beklagten Sparkassen schlossen in den Jahren 1993 bis 2006 bzw. in der Zeit vor Juli 2010 mit Verbrauchern sog. Prämiensparverträge ab, die eine variable Verzinsung der Spareinlage und ab dem dritten Sparjahr eine der Höhe nach – bis zu 50 % ab dem 15. Sparjahr – gestaffelte verzinsliche Prämie vorsehen.

Streit um Änderung des variablen Zinssatzes

Die Musterkläger halten die Regelungen in den Sparverträgen zur Änderung des variablen Zinssatzes für unwirksam und die während der Laufzeit der Sparverträge von den Musterbeklagten vorgenommene Verzinsung für zu niedrig. Sie begehren mit ihren Musterfeststellungsklagen u. a. die Bestimmung eines Referenzzinses, der für die von den Musterbeklagten vorzunehmenden Zinsanpassungen maßgebend ist.

Beide Oberlandesgerichte haben jeweils mit sachverständiger Hilfe festgestellt, dass die Musterbeklagten jeweils verpflichtet sind, die Zinsanpassungen in den Sparverträgen auf der Grundlage der Umlaufrenditen börsennotierter Bundesanleihen mit einer Restlaufzeit von über 8 bis 15 Jahren (Zeitreihe der Deutschen Bundesbank) vorzunehmen. Die Musterkläger verfolgen ihre Feststellungsziele mit der Revision jeweils weiter, soweit die Oberlandesgerichte die Klagen abgewiesen haben.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat beide Revisionen zurückgewiesen (Urteile vom 09.07.2024 – XI ZR 44/23 und XI ZR 40/23). Er hat entschieden, dass die in den Prämiensparverträgen infolge der Unwirksamkeit der Zinsanpassungsklauseln entstandene Regelungslücke durch ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB zu schließen ist.

Die Oberlandesgerichte haben jeweils rechtsfehlerfrei angenommen, dass der danach zu bestimmende Referenzzins nicht nach der Methode gleitender Durchschnitte zu berechnen ist. Denn Sparer wären bei Anwendung der sog. Gleitzinsmethode entgegen ihrer Erwartung bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses überwiegend an die Zinsentwicklung zurückliegender Jahre gebunden, da künftige Zinsänderungen in den maßgeblichen Durchschnittszins nur entsprechend ihrem Zeitanteil einfließen. Sparer vergleichen im Rahmen ihrer Anlageentscheidung bei der maßgebenden objektiv-generalisierenden Sicht den ihnen angebotenen variablen Zins mit dem gegenwärtigen durchschnittlichen Marktzins und nicht mit einem Zins, der aus überwiegend in der Vergangenheit liegenden Zinsen berechnet wird.

Beide Oberlandesgerichte sind außerdem zutreffend davon ausgegangen, dass die Umlaufrenditen von Hypothekenpfandbriefen (Zeitreihe WX4260) als Referenzzins für die variable Verzinsung risikoloser Spareinlagen nicht in Betracht kommen. Diese von den Musterklägern als Referenzzins befürworteten Umlaufrenditen spiegeln trotz ihrer Besicherung durch Pfandbriefe nicht den „risikolosen“ Marktzins wider, sondern enthalten einen Risikoaufschlag, der im Vergleich zu den Umlaufrenditen von Bundesanleihen zu einer vergleichsweise höheren Verzinsung führt. Der typische Sparer, der Sparverträge der vorliegenden Art abschließt, zeigt allerdings keinerlei Risikobereitschaft, sodass der im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung zu bestimmende Referenzzins ebenfalls keinen Risikoaufschlag enthalten darf.

Die von den Oberlandesgerichten als Referenzzins herangezogenen Umlaufrenditen inländischer Bundeswertpapiere mit Restlaufzeiten von über 8 bis 15 Jahren (Zeitreihe WU9554) genügen den Anforderungen, die im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung an einen Referenzzins für die variable Verzinsung der Sparverträge zu stellen sind. Sie werden von der Deutschen Bundesbank, einer unabhängigen Stelle, nach einem genau festgelegten Verfahren ermittelt sowie in deren Monatsberichten regelmäßig veröffentlicht und begünstigen daher weder einseitig die Sparer noch die beklagten Sparkassen. Die Umlaufrenditen von Bundesanleihen spiegeln zudem die jeweils aktuellen risikolosen Zinsen am Kapitalmarkt wider und enthalten in Ermangelung eines Ausfallrisikos keinen Risikoaufschlag. Zudem kommen die Restlaufzeiten von über 8 bis 15 Jahre der herangezogenen Umlaufrenditen der typisierten Spardauer bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe nach 15 Jahren hinreichend nahe.


BGH vom 09.07.2024 / RES JURA Redaktionsbüro

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