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02.05.2023

Meldung, Wirtschaftsrecht

BGH zu den Auswirkungen geringfügiger Belehrungsfehler auf das Widerspruchsrecht

Die Ausübung des Widerspruchsrechts verstößt gegen Treu und Glauben, wenn ein geringfügiger Belehrungsfehler vorliegt, durch welchen den Versicherungsnehmern nicht die Möglichkeit genommen wird, ihr Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben.

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©Dan Race/fotolia.com

Die Klägerin macht aus behauptet abgetretenem Recht Ansprüche auf bereicherungsrechtliche Rückabwicklung fondsgebundener Lebens- beziehungsweise Rentenversicherungsverträge mit Versicherungsbeginn zum Jahr 2002 geltend. Die Versicherungsnehmer erhielten jeweils den Versicherungsschein, die Versicherungsbedingungen nebst Verbraucherinformation sowie ein Begleitschreiben zugesandt.

Belehrung fehlerhaft – Folgen aber unbeachtlich

Das Begleitschreiben enthielt eine Belehrung, die auszugsweise lautete: „Der Vertrag gilt … als abgeschlossen, wenn Sie nicht innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt der genannten Unterlagen schriftlich widersprechen. … Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs an uns.“ Die Belehrung sah also die Schriftform anstelle der ausreichenden Textform für einen Widerspruch vor. In der Folgezeit zahlten die Versicherungsnehmer jeweils die Versicherungsbeiträge. Im Dezember 2016 bis April 2017 kündigt die Versicherungsnehmerin sukzessive alle Verträge und erhält jeweils den Rückkaufswert ausgezahlt. Im Dezember 2017 erklärt sie für alle Verträge den Widerspruch nach § 5a VVG a.F. und fordert noch Zahlung von ca. 10.000 Euro. Das Landgericht weist die Klage ab. Das Kammergericht weist die Berufung zurück.

Das Urteil des BGH

Die Revision vor dem BGH hat keinen Erfolg (Urteil vom 15.02.2023 – IV ZR 353/21). Der Grundsatz von Treu und Glauben stünde, wie das Berufungsgericht schon rechtsfehlerfrei festgestellt habe, der Geltendmachung des Rückabwicklungsanspruchs entgegen. Bei einer fehlerhaften Belehrung könne der Versicherer grundsätzlich keine vorrangige Schutzwürdigkeit für sich beanspruchen. Dies schließe jedoch nicht aus, eine Durchsetzung des Anspruchs wegen widersprüchlichen Verhaltens im Einzelfall zu versagen, wenn besonders gravierende Umstände vorlägen, die das Verhalten des/der Versicherungsnehmer/in als besonders treuwidrig erscheinen ließen. Ein vorrangiges schutzwürdiges Vertrauen des Versicherers in den Fortbestand des Vertrags komme in Betracht, wenn Umstände vorlägen, die den Schluss darauf zuließen, dass der/die Versicherungsnehmer/in auch in Kenntnis seines Lösungsrechts vom Vertrag an diesem festgehalten hätte.

Dieser Schluss sei hier gerechtfertigt, da alle Verträge erst im Jahr 2017 nach vorheriger Kündigung und Abrechnung widerrufen worden seien. Der Fehler in der Belehrung über die Schriftform anstelle der seit dem 01.08.2001 ausreichenden Textform könne die Versicherungsnehmerin nicht ernsthaft von der Ausübung des Widerspruchs innerhalb der bei ordnungsgemäßer Belehrung geltenden Frist abgehalten haben.


Vzbv vom 27.04.2023 / Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro

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