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09.12.2025

Meldung, Steuerboard

BFH zweifelt an der Europarechtskonformität des § 20 Abs. 2 AStG

Die jüngste Vorlage des BFH zu § 20 Abs. 2 AStG lenkt den Blick erneut auf die Frage, ob der zwingende Methodenwechsel ohne jede Entlastungsmöglichkeit mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar ist. Im Kern steht ein Sachverhalt, in dem wirtschaftlich tätige luxemburgische Strukturen allein aufgrund des nationalen Switch-over der deutschen Besteuerung unterworfen wurden. Der BFH sieht hierin eine mögliche unionsrechtliche Beschränkung und ruft den EuGH an. Der Beitrag stellt den zugrunde liegenden Sachverhalt dar, erläutert die unionsrechtlichen Zweifel des BFH und zeigt auf, weshalb die praktische Bedeutung des § 20 Abs. 2 AStG im EU-Raum durch abkommensrechtliche Aktivitätsklauseln inzwischen weitgehend relativiert ist. Ein abschließender Blick unter Berücksichtigung des Urteils sowie der geplanten Änderungen bei der Hinzurechnungsbesteuerung zeigt zudem auf, wie die gewerbesteuerliche Kürzung nach § 7 Satz 8 und § 9 Nr. 2 GewStG insbesondere im Private-Equity-Kontext anzuwenden sein dürfte.

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StB/FBIStR Dipl-Fw. (FH) Raphael Baumgartner, M.A. (Taxation),
ist Counsel bei POELLATH in München

StBin Cindy Slominska, M.A. (Taxation),
ist Associate bei POELLATH in München

I. Sachverhalt

Die Klägerin ist eine in Deutschland ansässige SE, die in den Streitjahren 2007 und 2008 Organträgerin der A GmbH war. Die A GmbH hatte im Jahr 2006 in Luxemburg die B S.à r.l. gegründet. Diese Gesellschaft war nicht nur formal errichtet, sondern verfügte über eigene Büroräume, eigenes Personal und lokale Beraterstrukturen. Sie errichtete vier luxemburgische Tochtergesellschaften, die ihrerseits die Anteile an mehreren Enkelgesellschaften hielten, welche in Deutschland Immobilien erwarben und verwalteten. Die Finanzierung des gesamten Konzerns erfolgte sowohl durch Eigenkapital als auch durch gruppeninterne Darlehen der B S.à r.l.

Zwischen der A GmbH und der B S.à r.l. wurde rückwirkend eine atypisch stille Gesellschaft vereinbart. Steuerlich führte das dazu, dass die Gewinne der B S.à r.l., einschließlich der Zinserträge aus den weitergereichten Darlehen, der A GmbH als luxemburgische Betriebsstätteneinkünfte zugerechnet wurden. Die wesentlichen Erträge aus der atypisch stillen Gesellschaft bestanden aus Zinsen aus den ausgereichten Darlehen an die Tochtergesellschaften.

Nach dem in den Jahren 2007 und 2008 geltenden DBA-Luxemburg wären diese Betriebsstätteneinkünfte grundsätzlich nach der Freistellungsmethode von der deutschen Besteuerung auszunehmen gewesen. Das Finanzamt folgte dem jedoch nicht. Es qualifizierte die Zinseinkünfte als niedrig besteuerte Zwischeneinkünfte im Sinne der §§ 7 und 8 AStG und nahm deshalb einen Methodenwechsel nach § 20 Abs. 2 AStG vor. Die Folge war, dass die Freistellung vollständig entfiel und die Einkünfte der deutschen Besteuerung unterlagen, allerdings unter Anrechnung der luxemburgischen Steuern („Anrechnungsmethode“).

Die Klägerin hielt diesen zwingenden Methodenwechsel für unionsrechtswidrig, weil § 20 Abs. 2 AStG keinerlei Möglichkeit eines Entlastungsnachweises zulässt, obwohl die B S.à r.l. tatsächlich über Substanz verfügte und wirtschaftlich tätig war. Da nach Auffassung des BFH europarechtliche Zweifel bestehen könnten, setzte er das Revisionsverfahren aus und legte dem EuGH mehrere Fragen zur Reichweite und Vereinbarkeit der Umschaltklausel vor.

II. Entscheidungsgründe

Der BFH hat dem EuGH mehrere Fragen vorgelegt, weil er ernsthafte Zweifel hegt, ob § 20 Abs. 2 AStG in seiner gegenwärtigen Fassung mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar ist. Der Kern seiner Bedenken liegt darin, dass die Norm keinerlei Möglichkeit eines Gegenbeweises vorsieht. Während die Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG ausdrücklich zulässt, dass der Steuerpflichtige die tatsächliche wirtschaftliche Aktivität einer ausländischen Gesellschaft belegt und sich so vom Verdacht einer künstlichen Gestaltung entlastet, verschließt § 20 Abs. 2 AStG diese Möglichkeit vollständig. Dadurch entsteht ein Regelungsmechanismus, der selbst substanzielle und operativ tätige Auslandsniederlassungen so behandelt, als handele es sich um rein missbräuchliche Strukturen, und der nach Auffassung des BFH unionsrechtlich problematisch sein kann.

Der BFH macht deutlich, dass § 20 Abs. 2 AStG zwar nicht zu einer Ungleichbehandlung gegenüber rein inländischen Betriebsstätten führt, jedoch sehr wohl zu einer unterschiedlichen Behandlung von Niederlassungen innerhalb verschiedener EU-Mitgliedstaaten. Genau hier setzt seine unionsrechtliche Kritik an. Die Niederlassungsfreiheit schützt nicht nur die Ansiedlung in Deutschland, sondern auch die Entscheidung eines Steuerpflichtigen, seine Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat auszuüben. Jede staatliche Maßnahme, die eine solche grenzüberschreitende Niederlassung erschwert oder wirtschaftlich unattraktiver macht, kann daher als Beschränkung dieser Freiheit angesehen werden. Dazu zählt nach Auffassung des Senats auch der Umstand, dass die Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, Freistellung oder Anrechnung allein vom Besteuerungsniveau des Tätigkeitsstaats abhängt. Dies führt dazu, dass identische Tätigkeiten je nach Wahl des Niederlassungsstaates unterschiedlich belastet werden. Eine solche steuerliche Divergenz kann die Entscheidung, sich in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen, spürbar beeinflussen und damit eine unionsrechtlich relevante Beschränkung darstellen.

Der BFH knüpft damit an die Grundsätze des EuGH an, wie sie insbesondere in „Cadbury Schweppes“ entwickelt wurden. Dort hat der EuGH hervorgehoben, dass Maßnahmen zur Missbrauchsbekämpfung nur dann zulässig sind, wenn sie eine Prüfung erlauben, ob die betreffende Struktur wirtschaftlich begründet ist.

Auch der Hinweis auf „Columbus Container Services“ ändert aus Sicht des BFH nichts an dieser Bewertung. Der EuGH hatte dort lediglich entschieden, dass der Methodenwechsel als solcher unionsrechtlich zulässig sein kann; die Frage, ob ein zwingender Switch-over ohne jeden Entlastungsnachweis rechtmäßig ist, stand damals nicht zur Prüfung. Die aktuelle unionsrechtliche Problematik betrifft damit eine andere, wesentlich tiefere Ebene der Norm.

Zu berücksichtigen ist schließlich, dass der gesetzliche Rahmen sich in den Streitjahren 2007 und 2008 nicht deckungsgleich gestaltet. Erst ab 2008 wurde der Motivtest in § 8 Abs. 2 AStG gesetzlich verankert, sodass der EuGH beide Jahre möglicherweise unterschiedlich bewerten muss.

III. Praxishinweise

In der praktischen Anwendung des Methodenwechsels nach § 20 Abs. 2 AStG relativiert sich die Bedeutung der BFH-Vorlage, weil die meisten aktuellen DBA mit EU-Mitgliedstaaten inzwischen eigene Aktivitäts- oder Switch-over-Klauseln enthalten, die die Freistellung bereits auf Abkommensebene ausschließen, sobald die ausländische Betriebsstätte nicht überwiegend aktive Tätigkeiten im Sinne des § 8 Abs. 1 AStG ausübt. In solchen Fällen entfällt die Freistellung unmittelbar kraft Abkommensrechts, sodass der nationale Switch-over des § 20 Abs. 2 AStG regelmäßig gar nicht mehr zur Anwendung gelangt. Die maßgebliche Prüfung verlagert sich damit auf das Abkommensrecht, das teilweise restriktiver ausgestaltet ist und den Methodenwechsel unabhängig von der nationalen Regelung anordnet. Die unionsrechtliche Klärung betrifft daher vor allem ältere Fallgestaltungen, in denen das einschlägige Abkommen noch keine Aktivitätsklausel enthielt. Für die aktuelle Beratungspraxis ist die praktische Reichweite begrenzt, dennoch sollten offene Fälle weiterhin verfahrensrechtlich gesichert werden, da eine Entlastungsmöglichkeit nicht ausgeschlossen erscheint. Die weitere Entwicklung sollte beobachtet werden.

IV. Ein Blick über den Tellerrand: Die künftige Rolle der Hinzurechnungsbesteuerung im PE-Kontext und der gewerbesteuerlichen Kürzung

Bereits im Beitrag „BFH bestätigt gesellschaftsbezogenes Beherrschungserfordernis bei der Umschaltklausel – Teil II“ (vgl. Baumgartner/Slominska, DB Steuerboard vom 16.06.2025, DB1476556) wurde ausführlich dargestellt, wie bzw. ob § 20 AStG mit § 7 Satz 8 GewStG zusammenwirkt. Nun zeichnet sich jedoch eine neue gesetzgeberische Weichenstellung ab: Der aktuelle Diskussionsentwurf zum Mindeststeueranpassungsgesetz sieht nunmehr keine Aufhebung, jedoch eine deutliche Einschränkung des Anwendungsbereichs der Hinzurechnungsbesteuerung nach § 13 AStG vor. Die Beteiligungsschwelle soll von derzeit 1% auf 10% angehoben werden. Neben erfreulichen und folgerichtigen Auswirkungen bei der Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung insbesondere für die Private-Equity-Praxis bedeutet dies auch Auswirkungen auf die gewerbesteuerliche Kürzung nach § 9 Nr. 2 GewStG. Dies liegt daran, dass Investoren regelmäßig zu weniger als 10% an den Fonds beteiligt sind und die Voraussetzungen für eine fiktive Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung weder nach § 7 noch nach § 13 AStG erfüllt sein dürften.

Hiergegen könnte die Finanzverwaltung zwar anführen, dass es für die Anwendung des § 7 Satz 8 GewStG nicht auf die Beteiligungsquote eines Gesellschafters an einem gewerblichen Private-Equity-Fonds in der Form einer Personengesellschaft ankommt, sondern darauf, dass eine solche Beteiligung eine eigene Betriebsstätte des Gesellschafters vermittele, die vollständig vom Gesellschafter „kontrolliert“ werden würde. Jedoch bezieht sich der Wortlaut des § 7 Satz 8 GewStG explizit auch auf § 13 AStG, was nicht erforderlich wäre, wenn sich der Gesetzgeber der vorgenannten Auffassung hätte anschließen wollen. Insofern sollte es auf die Beteiligungsquote des Gesellschafters am Fonds ankommen.

Wird die Anhebung der Beteiligungsschwelle wie beabsichtigt mit rückwirkender Wirkung umgesetzt, dürfte die Anwendung des § 13 AStG im Private-Equity-Kontext zur Ausnahme, die vollständige gewerbesteuerliche Kürzung der Beteiligungserträge hingegen zum Regelfall werden.

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