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15.07.2025

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BFH: Zur Schenkungsteuerpflicht personenbezogener Einlagen in die Kapitalrücklage einer GmbH

Einlagen in die Kapitalrücklage gehören in der Praxis der GmbH-Finanzierung zum Alltag. Steuerlich brisant werden sie, wenn ein Gesellschafter überproportional (disquotal) viel einlegt und die Mitgesellschafter davon profitieren. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG fingiert eine freigebige Zuwendung des Einlegenden an die Mitgesellschafter, wenn deren Geschäftsanteile durch die Einlage im Wert steigen, ohne dass sie dafür eine Gegenleistung erbringen. Der BFH hat sich mit Beschluss vom 06.07.2025 (II B 43/24 (AdV)) mit der zentralen Frage beschäftigt, ob § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG auch dann anwendbar ist, wenn eine disquotale Einlage dem einlegenden Gesellschafter über eine „personenbezogene Kapitalrücklage“ bei der Gesellschaft individuell zugeordnet wird. Er äußerte ernstliche Zweifel an der Einschlägigkeit, und zwar unabhängig davon, ob die individuelle Zuordnung auf dem Gesellschaftsvertrag oder einer schuldrechtlichen Abrede beruht. Der Beschluss liefert damit neue Leitlinien für die Gestaltungs- und Beratungspraxis.

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RA/FAStR Dr. Sebastian Löcherbach, LL.M.,
ist Associated Partner bei POELLATH in München

RA/StB Dr. Marcel Duplois
ist Counsel bei POELLATH in Frankfurt/M.

I. Sachverhalt (verkürzt)

Die Satzung der X-GmbH sah zunächst eine übliche Gewinnverteilung nach den Beteiligungsquoten vor. 2014 änderten die Gesellschafter diese Regelung. Seitdem richtet sich die Gewinnverteilung nach dem individuellen finanziellen Beitrag, den ein Gesellschafter zu einer konkreten Investition geleistet hat. Für jede einzelne Investition, insbesondere jede erworbene Beteiligungsgesellschaft, der X-GmbH wird der Gewinn unterschiedlich anhand der jeweiligen Investitionsquote auf die Gesellschafter verteilt (Tracking Stock).

Anschließend leisteten die Gesellschafter zur Finanzierung von Beteiligungserwerben unterschiedliche Einlagen in die Kapitalrücklage der Gesellschaft. Sie ordneten diese durch Beschluss jeweils personenbezogen zu. Die Jahresabschlüsse wiesen die Einlagen der Höhe nach gesondert aus. Für die Einlagen der Jahre 2018 und 2019 regelten die Gesellschafter ausdrücklich, dass der entsprechende Teil der Kapitalrücklage im Fall von Ausschüttung oder Liquidation ausschließlich dem jeweils einlegenden Gesellschafter zustehen solle.

Trotz der personenbezogenen Zuordnung qualifizierte das Finanzamt die disquotalen Einlagen als schenkungsteuerbare Werterhöhung im Sinne des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG. Das FG Nürnberg folgte der Einschätzung des Finanzamts. Eine rein schuldrechtliche Vereinbarung sei nicht ausreichend, um eine Schenkung zu vermeiden. Dies bedürfe vielmehr einer ausdrücklichen Regelung im Gesellschaftsvertrag.

II. Die Entscheidung des BFH

Der BFH sah hingegen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Schenkungsteuerfestsetzung und folgte der Auffassung der Antragsteller.

1. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG erfordert eine Wertsteigerung bei den Mitgesellschaftern

§ 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG erfasse Konstellationen, in denen die Leistung eines Gesellschafters an die Gesellschaft die Vermögensposition anderer Gesellschafter ohne Gegenleistung erhöht. Erforderlich sei, dass der gemeine Wert des Anteils des Bedachten nach der Leistung des Zuwendenden an die Gesellschaft den gemeinen Wert des Anteils vor der Leistung übersteige (vgl. BFH vom 10.04.2024 – II R 22/21). Eine disquotale Einlage in die Kapitalrücklage stellt daher grundsätzlich einen entsprechend schenkungsteuerbaren Vorgang dar.

2. Personenbezogene Zuordnung verhindert entsprechende Wertsteigerung

Der BFH stellt erfreulich klar heraus, dass eine Wertsteigerung der Anteile der übrigen Gesellschafter auch bei einer disquotalen Einlage ausscheidet, wenn der einlageleistende Gesellschafter durch korrespondierende Vereinbarungen dafür Sorge trägt, dass seine Vermögenshingabe nicht endgültig in den Vermögensbereich der Mitgesellschafter verlagert wird. Dies sei der Fall, wenn – im Rahmen oder neben dem Gesellschaftsvertrag – Sonderrechte eingeräumt werden, die den ökonomischen Gleichlauf wiederherstellen, etwa (i) eine proportionale oder überproportionale Erhöhung des Gewinnbezugs, (ii) die Gewährung zusätzlicher Geschäftsanteile oder (iii) eine von der Beteiligungsquote abweichende Verteilung des Liquidationserlöses zugunsten des Leistenden.

Darüber hinaus entfalle die schenkungsteuerliche Werterhöhung auch dann, wenn – wie im Streitfall – die Gesellschafter (sei es mittels Nebenabrede, sei es mittels formalem Gesellschafterbeschluss) vereinbaren, dass die Kapitalzuführung auf einem Rücklagenkonto verbucht wird, das ausschließlich dem Einlegenden zugeordnet wird. Eine derart individualisierte Kapitalrücklage schließe eine endgültige Vermögensverschiebung zugunsten der übrigen Gesellschafter von vornherein aus.

Während das FG noch ausführte, dass eine rein schuldrechtliche Vereinbarung mangels Erkennbarkeit für einen potenziellen Erwerber nicht ausreiche, ließ der BFH die schuldrechtliche Vereinbarung genügen. Zum einen sei es nicht zu einer Anteilsübertragung auf Dritte gekommen, zum anderen habe die Vereinbarung inter partes Bindungswirkung, sodass eine Wertverschiebung faktisch ausgeschlossen sei.

3. Bindungswirkung allgemeiner Verwaltungsanweisungen

Darüber hinaus dürfe der Steuerpflichtige auch auf die einschlägigen Verwaltungsanweisungen vertrauen. Die Finanzverwaltung schreibe in R E 7.5. Abs. 11 Satz 13, 14 ErbStR 2019 selbst, dass die Leistung einzelner Gesellschafter zu keiner steuerbaren Werterhöhung führe, wenn die Leistung als schuldrechtlich zugunsten des leistenden Gesellschafters gebundene Kapitalrücklage verbucht wird. Der Steuerpflichtige habe einen Anspruch darauf, nach Maßgabe dieser allgemeinen Verwaltungsanweisung besteuert zu werden. Ohne triftige Gründe dürfe die Finanzverwaltung von dieser Auffassung nicht abweichen.

III. Bewertung der Entscheidung

Dogmatisch überzeugt der Beschluss. Der BFH verlagert den Schwerpunkt von einer streng gesellschaftsvertragsbezogenen Betrachtung zu einer Berücksichtigung der zivil- und bilanziell bindenden schuldrechtlicher Abreden. Entscheidend ist, dass die geleisteten Einlagen zwar Eigentum der Gesellschaft werden, jedoch die ökonomische Substanz über bilanzielle Einzelkontierung und dokumentierte Rückfluss- beziehungsweise Gewinnbezugsrechte beim Gesellschafter erhalten bleibt. Dies verhindert nach Auffassung des Senats eine endgültige Vermögensverschiebung zugunsten der nicht einlegenden Gesellschafter und damit die tatbestandliche Werterhöhung.

Auch systematisch fügt sich der Beschluss nahtlos in die jüngere Rechtsprechung ein: Mit Urteilen vom 19.06.2024 (II R 40/21 und II R 41/21) hat der BFH bereits anerkannt, dass eine quotenabweichende Kapitalrücklage bei vorhandener Öffnungsklausel zulässig ist; nun genügt – jedenfalls im AdV-Stadium – die klare schuldrechtliche Individualisierung ohne Grundlage im Gesellschaftsvertrag.

IV. Praktische Implikationen

Für die Beratungspraxis ergeben sich aus dem Beschluss mehrere Leitlinien:

  • In den Gesellschafterbeschlüssen über die Zuführung in die Kapitalrücklage sollte die personelle Zuordnung der Einlage, deren Rückzahlungsmodalitäten sowie deren Einfluss auf Gewinnbezugsrechte ausdrücklich geregelt werden; optimalerweise bilden Jahresabschlüsse diese Zuordnung spiegelbildlich ab.
  • Für die individuelle Zuordnung von disquotalen Einlagen reicht grundsätzlich eine rein schuldrechtliche Vereinbarung aus; gleichwohl empfiehlt es sich, eine entsprechende Öffnungsklausel im Gesellschaftsvertrag vorzusehen, insbesondere bei einem geplanten Anteilsverkauf (Vermeidung von Informationsasymmetrien).
  • Im Einspruchs- und AdV-Verfahren ist konsequent auf die objektive Beweislast des Finanzamts und die Verwaltungsvorschrift R E 7.5 ErbStR zu verweisen; moniert die Finanzverwaltung allein das Fehlen einer Öffnungsklausel im Gesellschaftsvertrag, kann der gegenständliche BFH-Beschluss vorgelegt werden.

V. Ausblick

Insgesamt unterstreicht der Beschluss einmal mehr, dass gründliche Dokumentation und vorausschauende Vertragsgestaltung die „Schenkungsteuerfalle“ disquotale Einlagen weitgehend entschärfen können. Noch steht die Hauptsacheentscheidung aus; doch schon jetzt lässt sich konstatieren: Wer Kapitalrücklagen personifiziert, bilanziell offenlegt und mit spiegelbildlichen Gewinn- und Liquidationsregelungen versieht, minimiert das Risiko einer Werterhöhungsfiktion nach § 7 Abs. 8 ErbStG erheblich. Es bleibt zu hoffen, dass der BFH in der Sache die Linie des AdV-Beschlusses bestätigen können wird, um die notwendige Gestaltungsfreiheit in den Fällen zu wahren, in denen die ökonomische Neutralität durch klare Abreden gewährleistet bleibt.

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