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09.09.2020

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BFH zur Angemessenheit von Organvergütungen bei gemeinnützigen Organisationen

„Machtmissbrauchs-Vorwürfe gegen Ex-AWO-Funktionäre“ (Handelsblatt vom 16.03.2016) – so oder so ähnlich häufen sich in den letzten Jahren die Schlagzeilen in der Presse. Mit Spannung wurde daher die Entscheidung des BFH vom 12.03.2020 (V R 5/17; vgl. hierzu Michel, DB 2020 S. 1932) zur Angemessenheit der Vergütung von Geschäftsführern von gemeinnützigen Organisationen erwartet. In dieser entwickelt das Gericht richtungsweisende Grundsätze, indem es zum einen feststellt, dass Maßstab einer angemessenen Vergütung der Fremdvergleich ist. Zum anderen kommt es zu dem Ergebnis, dass nicht bei jeder Mittelfehlverwendung der Verlust der Gemeinnützigkeit droht, sondern es einen sog. Bagatellvorbehalt gibt.

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Sachverhalt

Der BFH hatte über die Angemessenheit der Vergütung eines Geschäftsführers einer gemeinnützigen GmbH, der Klägerin, aus der Sozial- und Gesundheitsbranche zu befinden. Der Geschäftsführer war seit 1998 einzelvertretungsbefugt für die gemeinnützige GmbH und für mit ihr verbundene Unternehmen. Das Bruttojahresgehalt des Geschäftsführers betrug in den Streitjahren 2005 – 2010 136.211 € bis 195.307 € bei einem Jahresumsatz von ca. 7 Mio. € bis 15 Mio. € mit bis zu 450 Angestellten.

Im Anschluss an eine Betriebsprüfung entzog das Finanzamt der Klägerin den Status der Gemeinnützigkeit. Die Entscheidung wurde damit begründet, dass die Geschäftsführerbezüge, welche die Klägerin in den Streitjahren zahlte, unangemessen hoch gewesen seien. Vergleichsmaßstab für die Bestimmung der Unverhältnismäßigkeit seien die Gehälter (anderer) gemeinnütziger Organisationen. Die Vorinstanz wies die Klage der GmbH mit der Begründung ab, dass die unangemessen hohen Vergütungen eine Mittelfehlverwendung darstellten, die zum Verlust der Gemeinnützigkeit führe. Auf den Vergleichsmaßstab komme es nicht an, da selbst bei Verwendung der für Wirtschaftsunternehmen relevanten Daten die von der Klägerin geleisteten Jahresgesamtbezüge unangemessen hoch seien.

Entscheidungsgründe

Im Ergebnis war die Revision nur für zwei Streitjahre begründet und im Übrigen unbegründet.

Zur Begründung führte der BFH zunächst aus, das Gebot der Selbstlosigkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 2 AO) erfordere, dass keiner Person unverhältnismäßig hohe Vergütungen gezahlt werden dürfen. Bei der Beurteilung, ob eine unverhältnismäßig hohe Vergütung gewährt werde, können die für die verdeckte Gewinnausschüttung (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) entwickelten Grundsätzen herangezogen werden, so dass die Angemessenheit anhand eines externen Fremdvergleichs zu beurteilen sei. Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung sei damit auf die Bezüge für vergleichbare Tätigkeiten bei nicht steuerbegünstigten Unternehmen abzustellen. Einen speziellen Arbeitsmarkt für Beschäftigte bei gemeinnützigen Organisationen gebe es nicht.

Für die Prüfung der Angemessenheit von Geschäftsführerbezügen gelten bei gemeinnützigen Körperschaften keine Besonderheiten. Daher sei die Angemessenheit durch Schätzung zu ermitteln, wobei zu beachten sei, dass nicht nur ein bestimmtes Gehalt als angemessen anzusehen sei, sondern es eine gewisse Bandbreite gebe. Erst wenn die ermittelte Bandbreite um mehr als 20% überstiegen werde, könne ein krasses Missverhältnis und damit eine unverhältnismäßige Vergütung bejaht werden.

Unter Anwendung dieser Grundsätze war daher für die Jahre, in denen die Bezüge des Geschäftsführers unter Berücksichtigung des Sicherheitszuschlags von 20% als angemessen anzusehen sind, die Gemeinnützigkeit nicht zu versagen.

Weiter stellt der BFH fest, dass das Vorliegen unverhältnismäßig hoher Geschäftsführervergütungen und damit von Mittelfehlverwendungen nicht in jedem Fall den Verlust der Gemeinnützigkeit rechtfertige. Die Versagung müsse dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechen. Während der BFH bisher die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beim Entzug der Gemeinnützigkeit offengelassen hatte, schließt sich der BFH nun der Auffassung des Schrifttums für dessen Anwendung an, das diesen für anwendbar hält. Danach kommt eine Aberkennung der Gemeinnützigkeit nicht in Betracht, sofern nur geringfügige Verstöße gegen das Mittelverwendungsgebot des § 55 AO vorliegen.

Den sog. Bagatellvorbehalt anwendend kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass in dem Streitjahr, in dem das angemessene Gehalt lediglich um 3.000 € überschritten wurde, ein geringfügiger Verstoß vorlag, der die Versagung der Gemeinnützigkeit aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht rechtfertiget. Der Betrag ist sowohl absolut als auch im Verhältnis zur Gesamttätigkeit der Klägerin (Jahresumsatz von ca. 8 Mio. €) geringfügig.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil hat für gemeinnützige Körperschaften erhebliche Relevanz, da es den gemeinnützigen Organisationen einen Rahmen bietet, wie Vergütungen der Geschäftsführung und Mitarbeitender gemeinnützigkeitskonform ausgestaltet werden können. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund hilfreich, dass sich der gemeinnützige Sektor zunehmend dem Ruf nach mehr Professionalisierung und gestiegenen betriebswirtschaftlichen Anforderungen stellen muss. Müssen sich also gemeinnützige Organisationen auch bei der Personalsuche der allgemeinen Konkurrenz stellen, bringen ihnen die Anwendung des Fremdvergleichs und die Feststellung, dass es keinen spezifischen Arbeitsmarkt für gemeinnützige Organisationen gibt, mehr Rechtssicherheit. Darüber hinaus bleibt es aber dabei, dass zur Beurteilung der Angemessenheit der Vergütung immer eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen ist.

Sehr zu begrüßen sind die Ausführungen des Gerichts zur Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei geringfügiger Mittelfehlverwendung. Schwebte doch bislang der sofortige Verlust der Gemeinnützigkeit auch bei geringen Verstößen oft wie ein Damoklesschwert über den Gemeinnützigen. Mit Spannung ist daher zu erwarten, wie sich die Anwendung des Bagatellvorbehalts zukünftig in der Praxis auswirken wird.


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