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03.05.2023

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BFH urteilt zur Bewertung von unterquotalen Beteiligungsrechten

Die Bewertung von mit Vorzugs- oder Minderrechten versehenen Geschäftsanteilen bereitet in der Praxis vielfach Schwierigkeiten. Der BFH hatte in seinem Urteil vom 16.11.2022 (X R 17/20) nun Gelegenheit, zur Bewertung von unterquotalen Stimm- und Gewinnbezugsrechten Stellung zu nehmen.

BFH urteilt zur Bewertung von unterquotalen Beteiligungsrechten

RA Dr. Alexander Tegge
ist Associate bei POELLATH in München

Die Rechtsform der GmbH erfreut sich in der Beratungspraxis größter Beliebtheit. Ein Grund hierfür dürfte die bei dieser Rechtsform gegebene Gestaltungsfreiheit sein. So können z.B. die Geschäftsanteile ungeachtet ihres Anteils am Nennkapital mit disquotalen Vorzugs- oder Minderrechten ausgestaltet werden. Trotz der Beliebtheit derartiger Gestaltungen bereitet die Bewertung von mit Vorzugs- oder Minderrechten versehenen Geschäftsanteilen in der Praxis Schwierigkeiten und war höchstrichterlich bisher nicht geklärt. Der BFH hatte in seinem Urteil vom 16.11.2022 (X R 17/20) nun Gelegenheit, zur Bewertung von unterquotalen Stimm- und Gewinnbezugsrechten Stellung zu nehmen.

I. Sachverhalt (vereinfacht)

Der Kläger war wirtschaftlich neben vier anderen Gesellschaftern an einer Holding-GmbH beteiligt. Die Gesellschafter unterteilten die Geschäftsanteile in drei Anteilsklassen. Dabei wiesen sie dem nominal höchsten Geschäftsanteil (89% Kapitalanteil, 1% Gewinnbezugs- und Stimmrecht) ein unterquotales, anteilsbezogenes Gewinnbezugs- und Stimmrecht zu, während die nominal geringeren Geschäftsanteile überquotal an Gewinn und Stimmen partizipierten.

Sodann wendeten die Gesellschafter den nominal höchsten Geschäftsanteil einer gemeinnützigen Stiftung zu. Die Stiftung stellte dem Kläger eine Zuwendungsbestätigung über 8.305.302 € aus. Dabei wurden das unterquotale Gewinnbezugs- und Stimmrecht im Rahmen der Bewertung nicht berücksichtigt.

Das Finanzamt beanstandete die Nichtberücksichtigung des unterquotalen Gewinnbezugs- und Stimmrechts und bezifferte den Spendenabzug im geänderten Einkommensteuerbescheid mit lediglich 168.062 €. Nach zurückgewiesenem Einspruch wurde auch die Klage durch das FG Münster mit Urteil vom 20.05.2020 – 7 K 3210/17 E,F) abgewiesen.

II. Urteilsgründe

Maßgeblich befasste sich der X. Senat des BFH mit der Frage des anzuwendenden Bewertungsverfahrens und wies die Frage vor diesem Hintergrund an das FG Münster zurück. Dabei beschäftigte sich der BFH insbesondere mit der Frage der Berücksichtigung von unterquotalen, anteilsbezogenen Gewinnbezugs- und Stimmrechten im Rahmen der Bewertung.

1. Bewertung dem Grunde nach

Die Bewertung von Beteiligungen habe nach Ansicht des BFH nach den allgemeinen Bewertungsvorschriften zu erfolgen, wonach der gemeine Wert zu ermitteln sei (§§ 9, 11 Abs. 2 BewG; Rz. 65). Grundsätzlich seien dabei sämtliche ungewöhnliche und in der Person des Käufers bzw. Verkäufers liegende persönliche Verhältnisse außer Acht zu lassen (§ 9 Abs. 2 Satz 3 BewG; Rz. 70).

Bei disquotalen Beteiligungsrechten handele es sich hingegen nicht um ein ungewöhnliches Verhältnis, da § 29 Abs. 3 Satz 2 GmbHG eine disquotale Gewinnverteilung ausdrücklich zulasse (Rz. 77). Disquotal ausgestaltete Stimmrechte seien ebenfalls gesellschaftsrechtlich zulässig und in der Praxis weit verbreitet (Rz. 82). Ein persönliches Verhältnis scheide aus, da das disquotale Stimm- und Gewinnbezugsrecht nicht an die Gesellschafterstellung der Stiftung, sondern an den Anteil selbst anknüpfe und sich somit bei einem Rechtsnachfolger fortsetze (Rz. 78, 83).

Da ungewöhnliche und persönliche Verhältnisse ausscheiden, seien die disquotal ausgestalteten Beteiligungsrechte bei der Bewertung zu berücksichtigen (Rz. 67).

2. Bewertung der Höhe nach

Für die erneute Bewertung des gemeinen Werts stünden dem FG Münster nach Auffassung des BFH folgende Bewertungsmethoden zur Verfügung:

a) Direkte Methode

Bei der direkten Methode (vom Schrifttum bevorzugt, vgl. Hüttemann, in: Fleischer/Hüttemann, Unternehmensbewertung, Rn. 1.40, 20.2) erfolge die Ermittlung eines Beteiligungswerts anhand der Höhe der künftigen Zahlungsströme von der Gesellschaft an den Gesellschafter, ohne dass der Gesamtwert der Beteiligung zu ermitteln sei. Nach Auffassung des BFH könne das reduzierte Gewinnbezugsrecht mithilfe der direkten Methode unproblematisch berücksichtigt werden (Rz. 122).

b) Indirekte Methode

Bei der indirekten Methode werde zunächst der Gesamtwert des Unternehmens bestimmt und dieser anschließend mithilfe eines Gewinnverteilungsschlüssels auf die konkret zu bewertende Beteiligung aufgeteilt. Bei der Ermittlung des gemeinen Werts der konkret zu bewertenden Beteiligung sei sodann den unterquotal ausgestalteten Stimm- und Gewinnbezugsrechten durch pauschale Abschläge oder in sonstiger Weise Rechnung zu tragen (Rz. 129).

c) Bewertungszuschlag für Liquidationsbeteiligung

Zudem habe sich das FG Münster mit der Frage zu befassen, inwieweit eine überquotale Beteiligung am Liquidationserlös einen Bewertungszuschlag rechtfertige (Rz. 130). Hierfür müsste der Kläger allerdings konkrete Umstände vortragen, ob und in welchem Zeitraum mit einer Liquidation zu rechnen sei. Letztlich wies der BFH unter Hinweis auf die Unwahrscheinlichkeit einer solchen Liquidation darauf hin, dass ein solcher Zuschlag allenfalls sehr gering ausfallen dürfte.

III.  Anmerkung

Der materiellrechtliche „Aufhänger“ des Urteils war die Bestimmung des gemeinen Werts eines stark disquotal ausgestalteten GmbH-Geschäftsanteils als Grundlage für eine Zuwendungsbescheinigung. Aufgrund einer zwischenzeitlichen Gesetzesänderung ist dieser Aufhänger für Sachverhalte seit dem Vz. 2009 nicht mehr relevant, da Sachzuwendungen aus dem Privatvermögen seitdem nur noch mit dem gemeinen Wert anzusetzen sind, wenn das Wirtschaftsgut nicht mehr steuerverstrickt ist (z. B. Immobilien außerhalb der „Spekulationsfrist“, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Steuerverstrickte Wirtschaftsgüter des Privatvermögens (wie Beteiligungen i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG) können dagegen seit dem Vz. 2009 nur noch mit den fortgeführten Anschaffungskosten beim Spendenabzug in Ansatz gebracht werden (§ 10b Abs. 3 Sätze 2–4 EStG).

Ungeachtet dessen hatte der BFH die Gelegenheit in diesem überaus ausführlichen Urteil (160 Randziffern, 32 Seiten) genutzt, um die in Literatur und außersteuerlicher Rechtsprechung bereits lange bestehenden Grundsätze zur Bewertung von disquotal ausgestalteten anteilsbezogenen Gewinnbezugs- und Stimmrechten (Rz. 85–90 m. w. N.) nun höchstfinanzgerichtlich – zumindest dem Grunde nach – zu entscheiden und nachvollziehbar zu begründen. Dies ist zu begrüßen, da disquotale Beteiligungsrechte höchst praxisrelevant sind. Dies gilt nicht nur für die Ertragsteuer, sondern aufgrund der Verweisung der §§ 95, 97 Abs. 1b Satz 4 BewG – deren Anwendung der BFH in casu aufgrund des Ertragsteuersachverhalts ablehnte – auch für die Erbschaft- und Schenkungsteuer (vgl. R B 97.6 Abs. 2 ErbStR 2019).

Hinsichtlich der Bewertung der unterquotalen Gewinnbezugs- und Stimmrechte der Höhe nach und deren Ergebnis ist die erneute Entscheidung des FG Münster abzuwarten. Zwar hat der BFH dem FG Münster eine Reihe von Vorgaben an die Hand gegeben. Diese betreffen jedoch ausschließlich das unterquotale Gewinnbezugsrecht, nicht das unterquotale Stimmrecht.

Die konkrete Bewertung von disquotalen Stimmrechten ist jedoch eine besonders praxisrelevante, aber weder vom BFH noch dem FG Münster entschiedene Fragestellung (siehe hierzu Lorz/Otto, FuS 2021 S. 77 [79]). Einem Gewinnbezugs- oder Liquidationsbeteiligungsrecht lässt sich mithilfe von Gewinnverteilungsschlüsseln oder anderer Formeln – vergleichsweise nachvollziehbar – ein bestimmter Wert beimessen. Bei Stimmrechten ist eine solche Wertzumessung zweifelhaft (Grossfeld/Egger/Toennes, in: Grossfeld/Egger/Toennes, Recht der Unternehmensbewertung, Rn. 1334). Der Wert der konkreten Stimmrechtsverteilung dürfte sich nämlich nicht anhand von Zahlungsströmen oder mithilfe eines anderen monetären Anknüpfungspunktes beziffern lassen. Gleiches gilt im Liquidationsfall (Fleischer, in: Fleischer/Hüttemann, Unternehmensbewertung, Rn. 20.49, m.w.N.). Diese Gründe sprechen dafür, dass es sich bei einem (disquotalen) Stimmrecht um einen unternehmerischen Wert handeln dürfte, der zwar gesellschaftsrechtlichen Einfluss vermittelt, aber aus sich alleine heraus kein wertbildendender Faktor sein dürfte. Der erneuten Entscheidung des FG Münster kann – insbesondere mit Hinblick auf die Bewertung des unterquotalen Stimmrechts – gespannt entgegengeblickt werden.

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