Problemaufriss
Die erbschaftsteuerlichen Regelungen zur Verschonung von Betriebsvermögen (§§ 13a–13c, 28a ErbStG) dienen dazu, die Übertragung von Betriebsvermögen vor einer allzu hohen Erbschaftsteuerlast zu bewahren, damit Familienbetriebe fortgeführt und Arbeitsplätze erhalten werden können. Ziel der Nachfolgeberatung ist es häufig, diese Regeln zugunsten der Mandanten so weit wie möglich zu nutzen.
Die Regelungen wurden in den vergangenen Jahren mehrfach grundlegend überarbeitet – zuletzt 2016. Das hier besprochene Urteil erging auf Grundlage des Rechtsstandes 2007, wobei die Streitfrage jedoch für das aktuell geltende Recht von gleicher Bedeutung ist. Ausgangspunkt ist die Regelung in § 13a Abs. 1 Nr. 2 ErbStG, wonach Anteile an gewerblich tätigen Personengesellschaften grundsätzlich begünstigungsfähiges Vermögen sind, wenn es sich sowohl beim Übertragenden als auch beim Erwerber um Mitunternehmeranteile i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG handelt.
Sachverhalt und Streitfrage
Der Kläger war zu 50% an einer gewerblich tätigen KG beteiligt. Einen Teil dieser Beteiligung übertrug er im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf seinen Sohn B. Dabei behielt er sich ein lebenslanges Nießbrauchsrecht an dem übertragenen KG-Anteil vor, wonach ihm alle Erträge und Nutzungen des KG-Anteils weiterhin zustanden. Zudem erhielt er eine lebenslängliche Stimmrechtsvollmacht für die Gesellschafterversammlungen der KG, bei deren Widerruf er die Schenkung widerrufen konnte. B verpflichtete sich weiterhin, zu Lebzeiten des Klägers keine Verfügungen über den Geschäftsanteil zu treffen.
Das Finanzamt lehnte die Begünstigung vorliegend ab, weil der Erwerber B nicht Mitunternehmer geworden sei. Es fehle aufgrund des vorbehaltenen Nießbrauchs und der Stimmrechtsvollmacht an hinreichendem Mitunternehmerrisiko und -initiative. Das FG Düsseldorf gab der Klage hiergegen statt (Urteil vom 24.08.2016 – 4 K 3250/15 Erb, vgl. hierzu Graw, StR kompakt).
Entscheidung und Argumentation des BFH
Der BFH folgt dem FG Düsseldorf. Nach einer ausführlichen Darlegung der Grundsätze zur Mitunternehmerstellung im Allgemeinen sowie im Besonderen in Nießbrauchssachverhalten sieht der BFH hier letztlich sowohl Mitunternehmerrisiko als auch -initiative bei B in ausreichendem Umfang als gegeben an.
Für das Mitunternehmerrisiko genüge die Beteiligung an den stillen Reserven und Verlusten. Die Mitunternehmerinitiative sei darin zu sehen, dass B nach wie vor sein Stimmrecht innehabe und ausüben könne. Die Stimmrechtsvollmacht ändere hieran nichts, da sie widerruflich sei (wenn auch mit der Folge, dass der Schenker zum Widerruf der Schenkung berechtigt wäre) und sich die Stimmrechtsausübung durch B in einer möglichen Konfliktsituation durchsetze. Letzteres gelte im Außen- und insb. auch im Innenverhältnis zwischen dem Schenker und B. Hierin sieht der BFH einen entscheidenden Unterschied zum Sachverhalt, der dem BFH-Urteil vom 06.05.2015 (II R 34/13, DB 2015 S. 1817) zugrunde lag, wo der BFH die Mitunternehmerstellung des Erwerbers abgelehnt hatte. In dem dortigen Sachverhalt hatten die Parteien im Schenkungsvertrag vereinbart, dass der Schenker und Nießbraucher die Stimmrechte in der Gesellschaft weiter ausüben werde.
Der BFH führt – als obiter dictum – aus, das es im vorliegenden Fall sogar unschädlich gewesen wäre, wenn der Schenker sich für den Fall einer von ihm abweichenden Stimmrechtsausübung des B den Widerruf der Schenkung vorbehalten hätte, denn: „Bis der Widerruf tatsächlich erfolgt…, hat sein Stimmrecht bestand.“ Diese Begründung überrascht, da das Stimmrecht im Außenverhältnis auch in dem vorangegangenen Fall, den der BFH anders entschieden hatte, im Außenverhältnis Bestand gehabt hätte.
Ausblick / Empfehlung
Wie man an der schwierigen und letztlich schwer nachvollziehbaren Abgrenzung zum Sachverhalt des Urteils vom 06.05.2015 merkt, ist die Streitfrage durch das vorliegende Urteil für die Praxis leider weiterhin nicht rechtssicher geklärt.
Für die Beratungspraxis sei damit einmal mehr festzuhalten, dass der Nießbrauchsvorbehalt an Gesellschaftsanteilen sehr genauer Planung und Strukturierung bedarf. Dies gilt, nebenbei bemerkt, nicht nur für die steuerlichen Aspekte, sondern auch für die zivilrechtliche Ausgestaltung. Denn die Normen des BGB regeln den Nießbrauch an Gesellschaftsanteilen nur rudimentär, viele Dinge sind streitig.
Im Hinblick auf die erbschaftsteuerlichen Verschonungsregeln ist im Allgemeinen eine verbindliche Auskunft anzuraten, um böse Überraschungen zu vermeiden. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Schenker sich neben den laufenden Gewinnen durch Stimmrechtsvollmachten auch Initiativrechte vorbehalten möchte.