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26.03.2024

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BFH folgt Finanzverwaltung bei den erbschaftsteuerlichen Folgen der sog. „Jastrow’schen Klausel“

Das „Berliner Testament“ ist die beliebteste testamentarische Gestaltung deutscher Ehegatten. Um die im ersten Erbfall enterbten Kinder von der Geltendmachung des Pflichtteils abzuschrecken, sehen Berliner Testamente häufig die sog. „Jastrow’sche Klausel“ vor. Der BFH entschied im Urteil vom 11.10.2023 (II R 34/20) die erbschaftsteuerlichen Folgen einer ausgelösten „Jastrow’schen Klausel“ auf Ebene der Schlusserben. Dieses Urteil stellte der BFH auch auf seiner diesjährigen Pressekonferenz am 27.02.2024 vor.

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RA Dr. Alexander Tegge
ist Associate bei POELLATH in München

Hintergrund

Bei einem sog. „Berliner Testament“ setzen sich beide Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben ein. Erst nach dem Tod des überlebenden Ehegatten erben die (gemeinsamen) Kinder als sog. Schlusserben. Vorteil des „Berliner Testaments“ ist neben seiner Einfachheit die Vermögensabsicherung des überlebenden Ehegatten. Kehrseite der Alleinerbenstellung des überlebenden Ehegatten ist die Enterbung der Kinder im ersten Erbfall. Dadurch besteht für Kinder grundsätzlich die Möglichkeit, nach dem erstversterbenden Elternteil den Pflichtteil geltend zu machen (§ 2303 BGB). Durch die Geltendmachung des Pflichtteils könnten sich einzelne Kinder jedoch gegenüber den Kindern, die den Pflichtteil nicht fordern, einen wirtschaftlichen Vorteil verschaffen, weil sie wirtschaftlich gesehen zweimal von dem Nachlass des erstversterbenden Ehegatten profitieren (Pflichtteil nach dem erstversterbenden Elternteil sowie Erbenstellung an dem um den Nachlass des Erstversterbenden erhöhten Nachlass des Letztversterbenden). Außerdem wird die Liquidität des überlebenden Elternteils belastet, da der Pflichtteil in Geld vom Erben geschuldet wird.

Um die Geltendmachung des Pflichtteils nach dem Erstversterbenden unattraktiv zu machen, hat Jastrow 1904 eine bis heute sehr beliebte Pflichtteilsstrafklausel entwickelt (DNotZ 1904 S. 424). Die sog. „Jastrow’sche Klausel“ sanktioniert in einem ersten Schritt das pflichtteilfordernde Kind dadurch, dass es im zweiten Erbfall ebenfalls enterbt ist. Grundsätzlich hat das im zweiten Erbfall enterbte Kind dann jedoch wiederum die Möglichkeit, den Pflichtteil nach dem überlebenden Elternteil zu fordern. Damit der Pflichtteil im zweiten Erbfall so gering wie möglich ausfällt, ordnet die „Jastrow’sche Klausel“ in einem zweiten Schritt zugunsten der Kinder, die im ersten Erbfall den Pflichtteil nicht verlangen, ein Vermächtnis in Höhe ihres gesetzlichen Erbteils nach dem Erstversterbenden an. Beschwerter dieses Vermächtnisses ist der überlebende Elternteil. Das Vermächtnis fällt zwar mit Tod des erstversterbenden Elternteils an, wird aber erst mit Tod des überlebenden Elternteils fällig. Dieses Vermächtnis erhalten die nicht den Pflichtteil fordernden Schlusserben somit mit der Erbschaft nach dem länger lebenden Elternteil.

Urteil des BFH vom 11.10.2023 (II R 34/20)

BFH, Urteil vom 11.10.2023 (II R 34/20)

Der BFH entschied, dass bei einer ausgelösten „Jastrow’schen Klausel“ der Schlusserbe den Vermächtnisanspruch in Höhe seines gesetzlichen Erbteils zwar zivilrechtlich vom erstversterbenden Elternteil erwirbt (Rz. 16). Erbschaftsteuerlich sei dieses zivilrechtlich vom erstversterbenden Elternteil stammende Vermächtnis jedoch als vom letztversterbenden Elternteil stammend zu behandeln. Daher sei es im Rahmen des zweiten Erbfalls zu versteuern (Rz. 17, §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. ErbStG; so auch R E 6 Sätze 1 bis 3 ErbStR). Hintergrund sei die Fiktion des § 6 Abs. 4, Abs. 2 Satz 1 ErbStG, wonach mit dem Tod des Beschwerten fällige Vermächtnisse mit vom Beschwerten ausgesetzten Vermächtnissen gleichzusetzen sind.

Neben dem Erwerb aufgrund Vermächtnis nach dem letztversterbenden Elternteil wird das im ersten Erbfall nicht den Pflichtteil fordernde Kind zudem Schlusserbe nach dem letztversterbenden Elternteil. Diesen Erbanfall habe der Schlusserbe grundsätzlich ebenfalls zu versteuern (Rz. 18; §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 ErbStG). Im Rahmen der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs aufgrund der Schlusserbenfolge könne der Schlusserbe den Vermächtnisanspruch als Schuld des letztversterbenden Elternteils in Abzug bringen (Rz. 21, § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG, so auch R E 6 Satz 4 HS 2 ErbStR). Beim ersten Erbfall habe der länger lebende Elternteil als Alleinerbe den Vermächtnisanspruch nicht in Abzug bringen können (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG), da dieser zu diesem Zeitpunkt noch nicht fällig war (Rz. 20; so auch R E 6 Satz 4 HS 1 ErbStR).

Nicht zu beanstanden ist nach Auffassung des BFH, dass der Wert des Vermächtnisses einmal durch Erbanfall nach dem erstversterbenden Elternteil beim länger lebenden Elternteil und nochmal nach dem länger lebenden Elternteil als – nun fälliges – Vermächtnis beim Schlusserben bzw. Vermächtnisnehmer der Erbschaftsteuer unterliegt (Rz. 22). Die zweifache Entstehung der Erbschaftsteuer sei systemimmanent (Rz. 22).

Eine Doppelbesteuerung liege nicht vor, da es sich beim Erwerb nach dem erstversterbenden Elternteil und dem Erwerb nach dem länger lebenden Elternteil um zwei nacheinander erfolgende Erwerbsvorgänge von verschiedenen Erblassern mit verschiedenen Begünstigten handele (Rz. 23). Außerdem neutralisiere sich der steuerpflichtige Erwerb aufgrund des Vermächtnisses durch den gleichzeitigen Abzug als Nachlassverbindlichkeit (Rz. 24).

Anmerkung

Der Grundsatz vom „bürgerlich-rechtlich geprägten Erbschaftsteuerrecht“ (BFH, Urteil vom 26.11.1986 – II R 190/81, BStBl. II 1987 S. 175) erfährt bei der ausgelösten „Jastrow’schen Klausel“ eine Ausnahme: Zivilrechtlich mindert das Vermächtnis als Nachlassverbindlichkeit des erstversterbenden Elternteils den Wert des zu verteilenden Nachlasses (vgl. Lange, Erbrecht, 3. Aufl. 2022, § 16 Rn. 103). Für das Erbschaftsteuerrecht hat der BFH hingegen nun – der Finanzverwaltung folgend – entschieden, dass das Vermächtnis erst im zweiten Erbfall als Nachlassverbindlichkeit des länger lebenden Elternteils abzugsfähig ist.

Mit diesem Urteil bestätigte der BFH die Auffassung der Finanzverwaltung (R E 6 ErbStR). Dies überzeugt, da der Wortlaut des § 6 Abs. 4 ErbStG eindeutig ist.

Die nun entschiedenen steuerlichen Folgen der ausgelösten „Jastrow’schen Klausel“ sind für den Schlusserben jedoch nicht von Nachteil. Ungeachtet der Abzugsfähigkeit des geltend gemachten Pflichtteils nach dem erstversterbenden Elternteil (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG) treten die gleichen steuerlichen Folgen ein, wenn die „Jastrow’sche Klausel“ nicht ausgelöst wird. In beiden Fällen wird der Nachlass aufgrund der Ausgestaltung als „Berliner Testament“ nach dem erstversterbenden Elternteil doppelt besteuert.

Sofern gewünscht ist, dass der länger lebende Elternteil das Vermächtnis als Nachlassverbindlichkeit abziehen kann, muss von der Fälligkeit bei Tod des länger lebenden Elternteils abgesehen werden. Als Alternativgestaltung könnte ein fester Zeitpunkt als Fälligkeitstermin festgelegt werden, z. B. das Erreichen eines bestimmten Lebensalters des länger lebenden Elternteils. Auf diese Weise kann zwar die Abzugsfähigkeit des Vermächtnisses nach dem erstversterbenden Elternteil erreicht werden. Gleichwohl trifft den überlebenden Elternteil – neben der Auszahlung des Pflichtteils – eine erhebliche finanzielle Belastung in Form des Vermächtnisses in Höhe des gesetzlichen Erbteils der Kinder. Diese finanzielle Belastung des überlebenden Elternteils dürfte jedoch regelmäßig nicht gewollt sein.

Mehr Flexibilität bietet dagegen eine Kombination aus „Jastrow’scher Klausel“ und Zweck- und Bestimmungsvermächtnis (§§ 2151 ff., 2156 BGB; „Supervermächtnis“). Das Supervermächtnis fällt zwar beim Tod des erstversterbenden Elternteils an, der beschwerte überlebende Elternteil kann jedoch selbst festlegen, wann und in welcher Höhe die Vermächtnisnehmer das Vermächtnis erhalten bzw. wieviel Vermögen vom erstversterbenden Elternteil er zum Leben benötigt. Der erbschaftsteuerliche Vorteil an dieser Lösung liegt darin, dass das vom Beschwerten an die Vermächtnisnehmer ausgekehrte Vermögen für den überlebenden Elternteil abzugsfähig ist und im Ergebnis nur einmal (als Vermächtnis des erstversterbenden Elternteils) der Erbschaftsteuer unterliegt. Zudem lassen sich auf diese Weise die Freibeträge nach dem erstversterbenden Elternteil ausnutzen.

Um diese Vorteile des Supervermächtnisses abzusichern, sollte der Testator im Testament einen Zeitraum festlegen, in dem der beschwerte überlebende Elternteil das Vermächtnis zu erfüllen hat. So könnte z. B. geregelt werden, dass das Supervermächtnis innerhalb von sechs Jahren nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils zu erfüllen ist. Der Erfüllungszeitpunkt sollte jedoch so früh gewählt werden, dass der Beschwerte ihn auch noch erleben kann; andernfalls könnte hierin eine rechtsmissbräuchliche Regelung (§ 42 AO) liegen (vgl. Keim, ZEV 2016 S. 6 [12]). Ferner sollte der Erfüllungszeitpunkt nicht in das freie Belieben des Beschwerten gestellt werden. Nach der Zweifelsregelung des § 2181 BGB würde das Vermächtnis mit dem Tode des Beschwerten fällig werden. Diese gesetzliche Zweifelsregelung könnte wiederum zur Anwendung von § 6 Abs. 4 ErbStG führen (vgl. Sammet, in: BeckOF, 67. Edition 2024, Nr. 5.1.4.1.1 Rn. 10; Keim, ZEV 2016 S. 6 [11]).

Im Rahmen des Supervermächtnisses kann der Erblasser zudem vorsehen, dass sich der beschwerte überlebende Elternteil den Nießbrauch an den an die Kinder ausgekehrten Vermögensgegenständen vorbehalten kann. Auf diese Weise wird das Vermögen nicht zweimal besteuert und der überlebende Elternteil kann sich die Nutzungen (z.B. Miete, Zinsen, Ausschüttungen) zur Finanzierung seines Lebensabends vorbehalten.

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