Der Bundesfinanzhof hat zur Frage entschieden, ob Verluste aus vergangenen Jahren gesondert festgestellt werden können, wenn die Veranlagung zur Einkommensteuer für das Verlustentstehungsjahr nicht erfolgt ist und aufgrund inzwischen eingetretener Verjährung auch nicht mehr erfolgen kann.
In dem streitigen Fall ging es um die nachträgliche steuerliche Berücksichtigung von Kosten für die Erstausbildung der Klägerin. Sie hatte im Juli 2012 Steuererklärungen für die Jahre 2005 bis 2007 eingereicht und die Feststellung von Verlustvorträgen beantragt. Das Finanzamt lehnte die Verlustfeststellung ab. Es berief sich auf die Bindungswirkung des Einkommensteuerbescheids für das Verlustfeststellungsverfahren. Danach könne eine Verlustfeststellung nur noch dann durchgeführt werden, wenn auch der Erlass eines entsprechenden Einkommensteuerbescheids möglich sei. Dies scheide aber aus, da eine Einkommensteuerfestsetzung wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht mehr möglich sei.
Verlustvortrag kann gesondert festgestellt werden
Der Bundesfinanzhof gab der Klägerin in Bezug auf die gesonderte Verlustfeststellung Recht (Urteil vom 13.1.2015, Az. IX R 22/14). Ein verbleibender Verlustvortrag nach § 10d EStG kann auch dann gesondert festgestellt werden, wenn ein Einkommensteuerbescheid für das Verlustentstehungsjahr nicht mehr erlassen werden kann. Eine Bindungswirkung des Einkommensteuerbescheids für die Feststellung des Verlustvortrags bestehe dann nicht, wenn eine Einkommensteuerveranlagung gar nicht durchgeführt worden ist.
Urteil hat weitreichende Bedeutung
Mit der Entscheidung vereinfacht der BFH die Geltendmachung von Verlustvorträgen in zurückliegenden Jahren. Praktische Bedeutung hat dies vor allem für Steuerpflichtige, die sich in Ausbildung befinden oder vor kurzem ihre Ausbildung abgeschlossen haben. Auch wenn diese in der Vergangenheit keine Einkommensteuererklärung abgegeben haben und wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung eine Einkommensteuerveranlagung nicht mehr durchgeführt werden kann, kann innerhalb der Verjährungsfrist für die Verlustfeststellung diese noch beantragt und durchgeführt werden. Dadurch ist es möglich, über den Antrag auf Verlustfeststellung und einen Einspruch gegen die dazu vom Finanzamt erfolgte Ablehnung von einer für den Steuerpflichtigen günstigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Frage der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Kosten einer beruflichen Erstausbildung zu profitieren.
(BFH / Viola C. Didier)