Der IX. Senat (BFH vom 04.10.2016 – IX R 43/15) und der VIII. Senat (BFH vom 01.12.2020 – VIII R 21/17 und VIII R 40/18) haben bereits für vergleichbare Sachverhalte von Managementbeteiligungen Abgrenzungskriterien für die Besteuerung als Kapitaleinkommen versus Besteuerung als Arbeitslohn präzisiert. Dennoch ließ der VI. Senat zwei nun entschiedene Verfahren zur Revision zu. Der einzig erkennbare wesentliche Unterschied der Sachverhalte bestand lediglich darin, dass bei Erwerb der streitgegenständlichen Managementbeteiligung ein geldwerter Vorteil versteuert worden war, d.h. von einem verbilligten Erwerb der Managementbeteiligung ausgegangen wurde. Abgesehen davon handelte es sich um eine für Private-Equity-Investments typische Managementbeteiligungsstruktur über eine vermögensverwaltende KG, bei der die Manager im Verhältnis zum Mehrheitsgesellschafter proportional mehr Stammgeschäftsanteile gezeichnet hatten als Vorzugsgeschäftsanteile (sog. Sweet Equity).
Wesentliche Aussagen des VI. Senats in der mündlichen Verhandlung
Der Vorsitzende des VI. Senats führte im Rahmen der mündlichen Verhandlung aus, dass man sich in der Praxis noch nicht richtig verstanden gefühlt habe. Im Folgenden skizzierte der Vorsitzende die wesentlichen Grundlagen der BFH-Rechtsprechung zur Besteuerung von Managementbeteiligungen ausführlich. Ohne der schriftlichen Urteilsbegründung des VI. Senats vorgreifen zu wollen, waren vor allem folgende Aussagen interessant:
1. Die verbilligte Überlassung einer Managementbeteiligung indiziert nicht die Qualifikation eines Veräußerungsgewinns aus einer Managementbeteiligung als Arbeitslohn.
Diese Frage hatte sich infolge der Rechtsprechung des IX. Senats (s.o.) gestellt, der den An- und Verkauf einer Beteiligung zum Verkehrswert als Indiz für eine Qualifikation als Kapitalvermögen genannt hatte. Daraus ergab sich die Frage, ob ein verbilligter Erwerb der Beteiligung ein Indiz für Arbeitslohn im Verkaufsfall darstelle. Dem erteilte der VI. Senat eine deutliche Absage. Soweit eine Beteiligung tatsächlich verbilligt erworben wird, führe dies nur zu einer Besteuerung eines geldwerten Vorteils bei Erwerb der Beteiligung. Die Einkünfte aus dem Verkauf der verbilligt erworbenen Beteiligung seien jedoch unabhängig davon zu beurteilen. Die Verbilligung als solche habe damit keine Auswirkungen auf die Qualifikation des Veräußerungsgewinns als Arbeitslohn. Im streitgegenständlichen Verfahren konnte die Frage, ob tatsächlich bei Erwerb eine Verbilligung vorgelegen hatte, nicht mehr geprüft werden, da der Anschaffungsvorgang im bereits bestandskräftig veranlagten Vorjahr des streitgegenständlichen Verkaufs lag.
2. Eine Mitarbeiterkapitalbeteiligung ist grundsätzlich neben dem Arbeitsverhältnis als selbständiges Sonderrechtsverhältnis anzuerkennen, wenn sie zivilrechtlich wirksam strukturiert und auch tatsächlich durchgeführt wurde. Sie kann für Besteuerungszwecke nur dann dem Arbeitsverhältnis zugeordnet werden, wenn die Grenzen eines Gestaltungsmissbrauchs gemäß § 42 AO überschritten werden.
Dementsprechend seien auch die Einkünfte aus einem solchen Sonderrechtsverhältnis grundsätzlich als Einkünfte aus Kapitalvermögen anzusehen, solange die Kapitalbeteiligung nicht zu dem alleinigen Zweck strukturiert und mit dem Mitarbeiter vereinbart wird, um Arbeitslohn zuzuwenden und einen Steuervorteil im Verhältnis zur Besteuerung als Arbeitslohn zu erzielen.
3. Werden Einkünfte aus dem Sonderrechtsverhältnis „Mitarbeiterbeteiligung“ erzielt, so handelt es sich grundsätzlich um Kapitaleinkünfte. Das gilt nur dann nicht, wenn die Mitarbeiter aus der Kapitalbeteiligung höhere Einkünfte erzielen als andere Anteilseigner, welche die gleichen Anteile halten.
Dies war im streitgegenständlichen Fall zu verneinen. Zwar hatten die beteiligten Manager in Bezug auf das gesamte eingesetzte Kapital einen proportional höheren Erlös realisiert als der Mehrheitsgesellschafter. Dies war aber lediglich darauf zurückzuführen, dass die Manager weniger Vorzugsgeschäftsanteile gezeichnet hatten als der Mehrheitsgesellschafter. Auf die von den Managern gehaltenen Stamm- und Vorzugsgeschäftsanteile war jedoch je Anteil derselbe Erlös geflossen, wie ihn der Mehrheitsgesellschafter realisiert hatte. Ein solches disproportionales Zeichnen von Kapitalinstrumenten sei nach Auffassung des VI. Senats steuerlich nicht zu beanstanden, da es sich um eine reine Finanzierungsentscheidung handelt. Lediglich dann und auch nur insoweit, als auf dasselbe Kapitalinstrument ein höherer Erlös an die Manager gezahlt werden würde als an den Mehrheitsgesellschafter, könne der Erlös aus einer Managementbeteiligung als Arbeitslohn qualifiziert werden.
Fazit
Im Ergebnis bestätigt der VI. Senat damit die bisherige BFH-Rechtsprechung zur Besteuerung von Managementbeteiligungen auf ganzer Linie. Angesichts der nach wie vor schwierigen Herangehensweise einiger Finanzämter an die Besteuerung von Managementbeteiligungen ist zu hoffen, dass der BFH nun auch dort besser verstanden wird. Im Rahmen der mündlichen Ausführungen beantwortet der Senatsvorsitzende einige praktisch höchst relevante Detailfragen zur Besteuerung.
Es entfällt die Unsicherheit, ob die verbilligte Überlassung einer Managementbeteiligung zu einer Arbeitslohnbesteuerung des später realisierten Veräußerungsgewinns führen kann. Außerdem stellt er klar, dass eine zivilrechtlich wirksam vereinbarte Kapitalbeteiligung grundsätzlich als Kapitalüberlassungsverhältnis für Zwecke der Besteuerung anzuerkennen sei. Praktisch lassen die Grenzen des § 42 AO einen großen Gestaltungsspielraum. Und zuletzt ist auch die Feststellung, dass ein überhöhter Erlös aus einer Kapitalbeteiligung für Besteuerungszwecke in Einkünfte aus Kapitalvermögen und Einkünfte aus nicht selbstständiger Tätigkeit aufgeteilt werden könne, bisher so noch nicht getroffen worden. Es bleibt abzuwarten, ob die letzte Feststellung Eingang in die schriftliche Begründung findet, da diese Frage im vorliegenden Sachverhalt nicht entscheidungsrelevant war. Ein Obiter Dictum wäre für die Praxis jedoch hilfreich.