Kein umfassender Kündigungsschutz
Arbeitnehmer, die einen Betriebsrat gründen wollen, sollen schon bei Vorbereitungshandlungen zur Gründung einen verstärkten Schutz vor Entlassungen genießen. Ihnen soll der gleiche Kündigungsschutz zukommen, wie Betriebsratsmitgliedern. Unter Vorbereitungshandlungen ist jedes für Dritte erkennbare Verhalten zu verstehen, dass zur Vorbereitung einer Betriebsratswahl geeignet ist. Darunter fallen z.B. Kontaktaufnahme zu einer Gewerkschaft oder Gespräche mit anderen Arbeitnehmern, um die Unterstützung für eine Betriebsratsgründung zu ermitteln. Mit dieser Regelung sollen erstmalig Vorbereitungshandlungen geschützt und eine schon lange kritisierte Lücke geschlossen werden. Bisher gilt der Kündigungsschutz erst ab dem Zeitpunkt, in welchem der Arbeitnehmer zur Betriebs- oder Wahlversammlung einlädt. Die Initiatoren dieser Wahl und die Wahlvorstandskandidaten genießen bis zu ihrer Wahl keinen gesonderten Kündigungsschutz. In der Praxis kommen Arbeitgeber der Gründung von Betriebsräten daher nicht selten durch den Ausspruch von Kündigungen zuvor. Der besondere Kündigungsschutz soll jedoch auch weiterhin nicht allumfassend greifen. Arbeitnehmer, die einen Betriebsrat gründen möchten, werden erst ab dem Zeitpunkt für drei Monate geschützt, nachdem sie eine öffentlich beglaubigte Erklärung mit dem Inhalt abgegeben haben, die die Absicht einen Betriebsrat zu gründen, enthält. Weiterhin bleiben damit Möglichkeiten zur Behinderung von Betriebsratsgründungen bestehen.
Betriebsratsgründungen werden zunehmen
Das sog. vereinfachte Wahlverfahren soll für kleine Betriebe zukünftig bis zu einer Größe von 200 wahlberechtigten Arbeitnehmern möglich sein und für eine Betriebsgröße von bis zu 100 wahlberechtigten Arbeitnehmern zwingend gelten. Dies bedeutet, dass kürzere Fristen für das Wahlverfahren Anwendung finden und die Wahl nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl statt der Verhältniswahl stattfindet. Ebenso soll es in kleineren Betrieben keine Stützunterschriften für die Unterzeichnung von Wahlvorschlägen mehr geben. Dies kann zwar die Bildung eines Betriebsrats vereinfachen. Kann aber ebenso dazu führen, dass nicht ernstgemeinte Bewerbungen erfolgen und der Versuch der Gründung nur aufgrund von Individualinteressen initiiert wird. Sofern der Gesetzesentwurf verabschiedet werden sollte, werden in kleinen und mittleren Betrieben die Bestrebungen von Arbeitnehmern zur Gründung eines Betriebsrats tendenziell zunehmen.
Dauerhafte Digitalisierung
Der Betriebsrat soll auch nach dem Ende der Corona-Pandemie die Möglichkeit erhalten Sitzungen und Beschlussfassungen mittels Video- oder Telefonkonferenz durchzuführen. Dazu müssen die Voraussetzungen für die Teilnahme mittels Video- und Telefonkonferenz durch den Betriebsrat in einer Geschäftsordnung geregelt werden. Die Nutzung soll nur dann zulässig sein, wenn nicht zuvor ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrats diesem Verfahren widerspricht. Als letzte Voraussetzung bedarf es der Sicherstellung, dass Dritte keine Kenntnis vom Inhalt der Sitzung erlangen können. Dies stellt ein in der Praxis nur schwer überwindbares Hindernis dar. Sichergestellt werden könnte dies durch eine Versicherung des jeweiligen Teilnehmers zu Protokoll, dass keine Person den Raum betritt bzw. in irgendeiner Weise mithört. In Zukunft werden dadurch vermehrt die ohnehin schon überlasteten Arbeitsgerichte über die Ordnungsmäßigkeit der Beschlussfassung und deren Rechtsgültigkeit entscheiden müssen.
Neues Mitbestimmungsrecht
Dem Betriebsrats soll fortan bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit ein Mitbestimmungsrecht eingeräumt werden und somit der Katalog des § 87 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) erweitert werden. Bei der mobilen Arbeit ist der Arbeitnehmer nicht an einem festen Arbeitsort beschäftigt, wie im Betrieb oder im Homeoffice, sondern kann diesen frei bestimmen. Ungeachtet der neuen Regelung bestehen bei der Einführung jedweder Art von Telearbeit Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats (nach § 87 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, Nr. 6 und Nr. 7 BetrVG). Zudem stellt jede nachträgliche Zuweisung des Arbeitsorts „Homeoffice“ eine Versetzung dar, die nach § 99 Abs. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig ist, sofern sie länger als einen Monat andauern soll. Gleiches gilt für mobile Arbeit. Die neue Regelung würde daher lediglich zu einer Erweiterung der Mitbestimmung führen und ansonsten als Auffangtatbestand in Bezug auf die Ausgestaltung mobiler Arbeit gelten. So würde etwa die Wahl des Arbeitsortes bei der mobilen Arbeit mitbestimmungspflichtig werden. Die Einführung des Mitbestimmungsrechts ist jedoch unwahrscheinlich, da dieses bereits schon aus dem Entwurf des Mobile-Arbeit-Gesetz im Oktober gestrichen worden ist.
Fazit
Die Regelungen hinsichtlich der Durchführung von Betriebsratssitzungen mittels Video- und Telefonkonferenz und auch das erweiterte Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit, erscheinen vor dem Hintergrund fortschreitender Digitalisierung und der anhaltenden Pandemie folgerichtig. Zu berücksichtigten ist jedoch, dass die Regelungsvorhaben zu erheblichen Kostenaufwänden auf Arbeitgeberseite führen würden. Ob aufgrund der Verschärfung des Kündigungsschutzes die Gründungbestrebungen von Betriebsräten zunehmen werden bleibt abzuwarten, denn die Behinderung von Betriebsratswahlen ist bereits derzeit gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG strafbar.