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20.11.2017

Meldung, Wirtschaftsrecht

Beleidigung des Ausbilders: Kein Zulassungsverbot als Anwalt

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©Thomas Reimer/fotolia.com

Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft kann nur versagt werden, wenn das Fehlverhalten des Antragstellers geeignet ist, das Vertrauen in die Integrität der Rechtsanwaltschaft im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege zu beeinträchtigen, entschied das Bundesverfassungsgericht.

Die Versagung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Unwürdigkeit bedarf einer einzelfallbezogenen Abwägung der grundrechtlichen Belange der antragstellenden Person mit den ihrer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft entgegenstehenden Gemeinwohlbelangen, insbesondere dem Interesse der Öffentlichkeit an einer funktionierenden Rechtspflege. Denn eine solche Versagung bedeutet einen schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit der Berufswahl aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG. Sie ist nur zum Schutz eines besonders wichtigen Gemeinschaftsguts und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft. Dies hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 22.10.2017 (1 BvR 1822/16) entschieden.

Der konkrete Fall: Streit mit dem Ausbilder

Im Laufe des juristischen Referendariats der Beschwerdeführerin war es zwischen ihr und ihrem Ausbilder in der staatsanwaltschaftlichen Station mehrfach zu Auseinandersetzungen gekommen. Der ausbildende Staatsanwalt beurteilte die Beschwerdeführerin schließlich mit der Note „befriedigend“, was die Beschwerdeführerin als ungerecht empfand. Sie wandte sich nach Erhalt der Beurteilung im Februar 2011 per E-Mail an ihren Ausbilder und belegte diesen mit verschiedenen Äußerungen beleidigenden Charakters. In dem sich anschließenden Ermittlungsverfahren wandte sich die Beschwerdeführerin im April 2011 per E-Mail an die zuständige Oberstaatsanwältin und brachte Zweifel an deren Rechtstreue und intellektuellen Fähigkeiten zum Ausdruck. In der Folge wurde die Beschwerdeführerin vom Amtsgericht rechtskräftig wegen Beleidigung des Staatsanwalts zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt.

Konsequenz der Beleidigung: Ablehnung der Zulassung

Im August 2014 beantragte sie ihre Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Dieser Antrag wurde durch die Rechtsanwaltskammer mit angegriffenem Bescheid abgelehnt, weil die Beschwerdeführerin sich eines Verhaltens schuldig gemacht habe, das sie unwürdig erscheinen lasse, den Beruf einer Rechtsanwältin ordnungsgemäß auszuüben. Die gegen den Bescheid gerichtete Klage ist durch den Anwaltsgerichtshof mit dem angegriffenen Urteil abgewiesen worden. Der gegen das Urteil gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung ist durch den ebenfalls angegriffenen Beschluss des Bundesgerichtshofs abgelehnt worden. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung ihrer Grundrechte insbesondere aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG.

Erfolg vor dem Bundesverfassungsgericht

Die angegriffenen Entscheidungen der Rechtsanwaltskammer und des Anwaltsgerichtshofs verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG. Die Versagung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft bedeutet einen schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit der Berufswahl. Als jedenfalls vorübergehendes Berufsverbot stellt sie eine subjektive Berufszugangsregelung dar, die einer ihrerseits verfassungsgemäßen gesetzlichen Grundlage bedarf und nur zum Schutz eines besonders wichtigen Gemeinschaftsguts und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft ist. Der Versagungsgrund der Unwürdigkeit gemäß § 7 Nr. 5 der Bundesrechtsanwaltsordnung ist im Lichte der Berufsfreiheit einschränkend auszulegen. Ein Bewerber kann nicht allein deswegen als unwürdig angesehen werden, weil sein Verhalten im beruflichen Umfeld oder im gesellschaftlichen Bereich auf Missfallen stößt. Erforderlich ist hierfür in der Regel vielmehr, dass das von ihm gezeigte Fehlverhalten auch geeignet ist, das Vertrauen in die Integrität der Rechtsanwaltschaft im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege zu beeinträchtigen und dass diese Beeinträchtigung seine grundrechtlichen Belange überwiegt.

(BVerfG, PM vom 17.11.2017 / Viola C. Didier)


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