Bundesregierung kündigt konkrete Regeln zum Energiesparen vor allem für öffentliche Gebäude an
Derzeit gilt die Alarmstufe des nationalen Notfallplans für die Gasversorgung als zweite von drei Eskalationsstufen. Auch die Europäische Kommission beschloss kürzlich einen Notfallplan. Demnach sollen die Mitgliedstaaten ihren Gasverbrauch vom 01.08.2022 bis 31.03.2023 freiwillig um 15 % senken. Bundesminister Habeck will für Deutschland sogar 20 % Gas einsparen. Spanien ging bereits voran und verabschiedete weitreichende Energiesparmaßnahmen. So dürfen etwa Büros nicht weiter als 27 Grad heruntergekühlt bzw. auf bis zu 19 Grad beheizt werden. Für Deutschland sind vergleichbare Maßnahmen vor allem für öffentliche Gebäude angekündigt. Viele Unternehmen müssen bereits jetzt aus Kostengründen deutlich mehr Energie einsparen. Sie sollten prüfen, wie sie unter den aktuell geltenden Regeln im laufenden Betrieb Energie einsparen können. Auch müssen sie einen Notfallplan entwickeln und sich auf mögliche Engpässe oder sogar Produktionsstopps vorbereiten.
Homeoffice auch als Heilmittel der nächsten Krise?
Homeoffice könnte nach der Corona-Pandemie nun auch zur Bewältigung der Energiekrise genutzt werden. Arbeiten Büro- und Verwaltungsangestellte von zu Hause, müssten viele Büroflächen nicht mehr gekühlt oder beheizt werden. Weitere Energie wird eingespart, weil nicht mehr zur Arbeit gefahren wird. Wenn der Gesetzgeber keine Homeoffice-Pflicht einführt oder keine entsprechende vertragliche Regelung besteht, können Arbeitgeber ihre Belegschaft aber nicht einseitig ins Homeoffice versetzen. Das dürfte selbst dann nicht möglich sein, wenn die Kühlung oder Heizung im Betrieb mangels Gas vollständig ausfällt. Da die Unternehmen das Betriebsrisiko tragen, müssen sie ihre Mitarbeitenden grundsätzlich auch dann weiter bezahlen, wenn sie sie nicht beschäftigen können (§ 615 Satz 3 BGB). Etwas anderes mag gelten, wenn durch einen staatlichen Eingriff (z.B. der Bundesnetzagentur) der Betrieb nicht mehr möglich ist. Da infolge der Corona-Pandemie Homeoffice und mobiles Arbeiten in vielen Bereichen Einzug gefunden hat, ist zu erwarten, dass die Mitarbeitenden weiter davon Gebrauch machen werden. Für die Ausgestaltung des mobilen Arbeitens muss der Betriebsrat eingebunden werden (§ 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG). Für eine weitere Einsparung von Flächen, um diese nicht mehr beheizen zu müssen, sollte an die Einführung bzw. den Ausbau von Desksharing gedacht werden. Da die Mitarbeitenden ebenfalls von den gestiegenen Energiekosten betroffen sind, wird erneut die Frage nach der Übernahme der entstehenden Kosten durch den Arbeitgeber aufgeworfen werden. Die steuerliche Entlastung der Mitarbeitenden durch die Homeoffice-Pauschale ist zurzeit bis zum 31. Dezember 2022 befristet (§ 52 Abs. 2 S. 15 EStG).
Welche Energiesparmaßnahmen sind zulässig?
Beim Heizen besteht nur wenig Spielraum: Am Arbeitsplatz ist eine „gesundheitlich zuträgliche“ Raumtemperatur einzuhalten (§ 3 ArbStättV i.V.m. Ziff. 3.5 Abs. 1 des Anhangs zur ArbStättV i.V.m. „Technische Regeln für Arbeitsstätten ASR A3.5 Raumtemperatur“ [ASR A3.5]). Das bedeutet bei normaler Büroarbeit (überwiegend im Sitzen, körperlich leichte Arbeit) eine Mindesttemperatur von 20 Grad. Diese soll nun durch die angekündigte Verordnung (Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung durch kurzfristig wirksame Maßnahmen [EnSikuMaV]) auf 19 Grad abgesenkt werden. In Pausen- oder Sanitärräumen sind mindestens 21 Grad einzuhalten, in Duschräumen mindestens 24 Grad. Unternehmen dürfen aus Kostengründen die vorgegebenen Mindesttemperaturen im Betrieb nicht unterschreiten. Das gilt auch, wenn Gas knapp ist und sie die einzusparende Energie anderweitig (z.B. in der Produktion) benötigen. Nur wenn es technisch nicht (mehr) möglich ist, die Temperaturen zu erreichen (etwa beim Gasausfall), können und müssen sie andere Maßnahmen treffen (z.B. Heizstrahler, warme Kleidung und Decken) (Ziff. 4.2 Abs. 2 ASR A3.5). Mehr Spielraum besteht für Arbeitgeber hingegen im Sommer: in Innenräumen dürfen bis zu 26 Grad herrschen. Ist die Temperatur draußen höher als 26 Grad, darf die Innentemperatur sogar bis zu 35 Grad betragen, vorausgesetzt es werden weitere Maßnahmen (z.B. Einsatz von Ventilatoren) ergriffen (Ziff. 4.3 Abs. 2, 4.4 ASR A3.5). Auch beim Warmwasser darf gespart werden. Sofern warmes Wasser nicht für die Tätigkeit erforderlich ist, genügt auch kaltes Wasser zum Händewaschen (Ziff. 5.4 Abs. 2 der „Technische Regeln für Arbeitsstätten ASR A4.1 Sanitärräume“). Weitere Sparmaßnahmen hängen von den Gegebenheiten im Betrieb ab. Grundsätzlich können Unternehmen im Rahmen des Weisungsrechts Vorgaben zur Nutzung ihrer Räumlichkeiten aufstellen. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrat (z.B. § 87 Abs. 1 Nr. 1 und 7 BetrVG) sind natürlich zu beachten. Statt mit Zwang kann natürlich auch mit Informationskampagnen, Ideenwettbewerben zum Energiesparen und der Incentivierung energiesparenden Verhaltens gearbeitet werden.
Können Mitarbeitende die Arbeit verweigern, wenn die Kühlung oder Heizung abgestellt wird?
Mitarbeitende können die Arbeit nicht verweigern, nur weil im Betrieb nicht mehr im bisherigen Umfang gekühlt oder geheizt wird. Auch können sie sich nicht ohne Zustimmung des Arbeitgebers ins Homeoffice begeben. Ein Leistungsverweigerungsrecht besteht erst dann, wenn Verstöße gegen arbeitsschutzrechtliche Vorgaben einen gewissen Schweregrad erreicht haben (BAG vom 28.06.2018 – 2 AZR 436/17). Bei etwaigen Gesundheitsschäden greift vorrangig die gesetzliche Unfallversicherung und Arbeitgeber sind von einer Haftung i.d.R. befreit (§ 104 SGB VII). Verstöße gegen den Arbeitsschutz können aber als Ordnungswidrigkeit geahndet werden (§ 25 Abs. 1 Nr. 1 ArbSchG i.V.m. ArbStättV).
Kurzarbeit in energieintensiven Betrieben zulässig?
Andrea Nahles, die neue Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, hält Kurzarbeit für ein mögliches Mittel, um mit der Energiekrise umzugehen. Sollten staatliche Maßnahmen unmittelbar zu Produktionsstopps führen, dürfte Kurzarbeit möglich sein – vorausgesetzt es besteht eine vertragliche Grundlage zur Anordnung der Kurzarbeit. Anders könnte dies die Bundesagentur für Arbeit sehen, wenn Unternehmen ihre Produktion (vorsorglich) einstellen, um Kosten und Energie einzusparen. Denn Kurzarbeit setzt u.a. voraus, dass der Arbeitsausfall unvermeidbar ist und auf einem vorübergehenden Ereignis beruht (§ 96 Abs.1 Nr. 2, 3 SGB III). Klare Aussagen der Bundesagentur für Arbeit, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen Kurzarbeitergeld an die von der Energiekrise betroffenen Betriebe geleistet wird, wären wünschenswert.
Entstehen betriebliche Bündnisse zum Energiesparen?
Betriebsräte werden bei vielen Maßnahmen mitbestimmen wollen und auch dürfen. Mitbestimmungsrechte können sich etwa hinsichtlich des Ordnungsverhaltens, technischer Einrichtungen, des Gesundheitsschutzes oder mobiler Arbeit ergeben (§ 87 Abs. 1 Nr. 1, 6, 7, 14 BetrVG). Die Begleitung von Einsparmaßnahmen durch den Betriebsrat wird die Akzeptanz in der Belegschaft erhöhen.
Ausblick
Für das Energiesparen lässt der Arbeitsschutz nicht viel Spielraum. Bisher ist nur die Absenkung von Mindesttemperaturen um ein Grad angekündigt. Es wäre wünschenswert, wenn Unternehmen zukünftig Energiesparpotenziale voll ausschöpfen könnten. Einen wesentlichen Beitrag werden die Mitarbeitenden hierzu leisten müssen. Forderungen nach einer Kompensation entstehender Kosten oder einer Incentivierung energiesparenden Verhaltens sind zu erwarten.