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04.05.2022

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Auswirkung ausländischer Erbschaftsannahmen auf den Erbschaftsteuerstichtag

Grenzüberschreitende Erbfälle werfen nicht nur die Frage des anwendbaren Erbrechtsstatuts auf, sondern stellen die Beteiligten auch vor steuerliche Herausforderungen. Insbesondere wegen des weiten Anwendungsbereichs des ErbStG unterliegen grenzüberschreitende Vorgänge schnell der inländischen Erbschaftsteuer, sobald z.B. über den Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthalt von Erblasser oder Erwerber ein deutscher Anknüpfungspunkt vorhanden ist. In diesem Zusammenhang setzte sich der BFH in seinem Urteil vom 17.11.2021 (II R 39/19) mit der Frage auseinander, welche Auswirkungen die erbrechtlichen Besonderheiten eines ausländischen Erbrechtsstatuts auf den Steuerentstehungszeitpunkt in Deutschland haben.

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RAin Caroline Ruschen
Associate bei POELLATH, Frankfurt/M.

Hintergrund

Die deutsche unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht tritt grundsätzlich für den gesamten Vermögensanfall ein, wenn entweder der Erblasser oder der Erwerber im Steuerentstehungszeitpunkt Inländer waren (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Inländer sind für diese Zwecke Personen, die im Inland ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die Erbschaftsteuer entsteht grundsätzlich mit dem Tod des Erblassers (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Ausnahmen sieht das Gesetz etwa für den Erwerb unter einer aufschiebenden Bedingung vor. In diesem Fall entsteht die Erbschaftsteuerpflicht erst mit dem Eintritt der Bedingung. Angelehnt ist dieses System an Erwerbsvorgänge von Todes wegen, die das deutsche Erbrecht vorsieht (§ 3 ErbStG).

Richtet sich der Erbfall zivilrechtlich nach einem ausländischen Erbrechtsstatut, sind zur Bestimmung des deutschen Steuerentstehungszeitpunkts die ausländischen Erbrechtsregelungen den entsprechenden deutschen Regelungen zuzuordnen. Sofern dies nicht möglich ist, ist anhand der Gegebenheiten zu entscheiden, ob es abweichend von dem Zeitpunkt des Erbfalls zu einer Verschiebung des Steuerentstehungszeitpunktes kommt.

Im hier streitgegenständlichen italienischen Erbrecht fällt das Erbe nicht kraft Gesetzes dem Erben zu, sondern erst mit dessen konstitutiver Erbschaftsannahme. Insofern stellte sich die Frage, ob und wie sich diese Gegensätze in der Erbrechtssystematik auf den deutschen Steuerentstehungszeitpunkt auswirkten.

In diesem Spannungsfeld erging nun das Urteil des BFH vom 17.11.2021.

Sachverhalt

Die Klägerin ist italienische Staatsbürgerin und hatte bis Mitte 2016 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Ihr Vater (der Erblasser) war ebenfalls italienischer Staatsbürger und lebte bis zu seinem Tod in Italien. Als der Erblasser 2015 in Italien verstarb, hinterließ er einen dort belegenen Nachlass, an welchem die Klägerin aufgrund (italienischer) gesetzlicher Erbfolge zu 1/3 als Miterbin berufen war. Die zu diesem Zeitpunkt noch in Deutschland lebende Klägerin teilte den Sachverhalt gegenüber dem Finanzamt mit und wies darauf hin, dass sie die nach italienischem Erbrecht erforderliche Erbschaftsannahme noch nicht erklärt habe. Anfang Juli 2016 gab die Klägerin ihren Wohnsitz in Deutschland auf, zog nach Italien zurück und nahm dort schließlich die Erbschaft an. Das Finanzamt setzte daraufhin deutsche Erbschaftsteuer fest.

Ihren Einspruch begründete die Klägerin damit, dass sie im Zeitpunkt der Erbschaftsannahme keinen deutschen Wohnsitz mehr gehabt habe und der Erbfall daher nicht der deutschen Erbschaftsteuer unterliegen könne. Auf den Todeszeitpunkt des Erblassers komme es nicht an, da die Rechtsnachfolge italienischem Recht unterlegen habe und nach diesem bis zur Erbschaftsannahme kein Erwerb, sondern nur eine Erwerbschance vorgelegen habe.

Nach erfolglosem Einspruch hatte auch die Klage vor dem FG nur teilweise Erfolg (FG Hessen vom 22.08.2019 – 10 K 1539/17). Das FG bejahte zwar die Reduzierung der anfallenden Steuer durch Anrechnung der in Italien gezahlten Erbschaftsteuer. Im Übrigen wies es die Klage als unbegründet ab, da die Klägerin im Steuerentstehungszeitpunkt einen inländischen Wohnsitz gehabt habe. Das FG ließ die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zu.

Entscheidung des BFH

Der BFH wies die Revision der Klägerin als unbegründet zurück und bejahte die Entstehung der deutschen Erbschaftsteuer im Todeszeitpunkt des Erblassers.

1. Begriff des Erwerbs unter aufschiebender Bedingung

Da bei Qualifizierung der Erbschaftsannahme als Erwerb unter aufschiebender Bedingung die Steuer grundsätzlich erst mit Bedingungseintritt entstanden wäre, hatte sich der BFH mit § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst a ErbStG zu befassen. Dieser knüpfe an den zivilrechtlichen Begriff des § 158 Abs. 1 BGB an. Bei der Bedingung handele es sich um eine Bestimmung, wonach die Wirkung des betroffenen Rechtsgeschäfts von dem Eintritt eines ungewissen Rechtsgeschäfts abhänge und bis zu diesem Zeitpunkt „schwebe“.

2. Maßstab für die Vergleichbarkeit des ausländischen Erbrechtsstatus

Für die Einordnung des Bedeutungsgehalts der italienischen Erbschaftsannahme musste sich der BFH sodann mit dem anzuwendenden Vergleichsmaßstab auseinandersetzen. Die Klägerin vertrat an dieser Stelle die Ansicht, der Maßstab sei allein auf tatbestandlicher Ebene anzusetzen, nicht jedoch hinsichtlich der Rechtsfolgenseite. Diese Ansicht lehnte der BFH ab.

Zu prüfen sei anhand des deutschen Rechts, welche Bedeutung den ausländischen Rechtsvorgängen bei der deutschen Besteuerung beizumessen sei. Dabei sei neben der tatbestandlichen Ausgestaltung auch die Rechtsfolgenseite sowie das wirtschaftliche Ergebnis heranzuziehen. Anzuwenden seien diese Grundsätze nicht nur für die Frage, ob ein Erwerbstatbestand i.S.d. deutschen ErbStG vorliege, sondern auch für die Frage des Steuerentstehungszeitpunktes.

Schließlich sei der BFH als Revisionsgericht auch nicht hinsichtlich der Vergleichbarkeit an die Vorinstanz gebunden. Das FG habe lediglich über das Bestehen und den Inhalt des ausländischen Rechts revisionsrechtlich bindende Feststellungen getroffen. Die darüberhinausgehende Frage der Vergleichbarkeit sei eine darauf aufbauende Rechtsanwendung und von der Revisionsinstanz selbst durchzuführen.

3. Einordnung der italienischen Erbschaftsannahme

Der BFH ordnete den Erbfall mit Annahme nach italienischem Recht zunächst als eine dem Erbanfall entsprechende Vermögensnachfolge ein. Die Annahme sei insbesondere nicht als eine Art des rechtsgeschäftlichen Erwerbs zu qualifizieren.

Sodann erläutert der BFH die fehlende Vergleichbarkeit zur aufschiebenden Bedingung. Allein der Schwebezustand bis zur Ausübung der Annahme könne keine Vergleichbarkeit rechtfertigen. Ausschlaggebendes Wesensmerkmal und „innerer Grund“ für die Gewährung des Steueraufschubs nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG sei, dass sich die Wirkung stets ex nunc, d.h. erst im Zeitpunkt des Bedingungseintritts, entfaltet. Wesensmerkmal der italienischen Erbrechtsannahme sei hingegen, dass diese ex tunc, d.h. auf den Zeitpunkt der Eröffnung der Erbfolge im Todeszeitpunkt des Erblassers, zurückwirkt.

Es handele sich daher bei der Annahme durch den Erben nicht um eine aufschiebende Bedingung, sodass die Steuer im Zeitpunkt des Erbfalls entstanden sei. Da die Klägerin zu diesem Zeitpunkt ihren Wohnsitz im Inland hatte, habe ihr Erwerb der deutschen Erbschaftsteuer unterlegen.

Bedeutung für die Praxis

Da auch andere Rechtsordnungen die Annahme der Erbschaft durch den Erben voraussetzen (z.B. Griechenland, Spanien), beschränkt sich die praktische Bedeutung der BFH-Entscheidung nicht nur auf den deutsch–italienischen Erbfall.

Für die zivilrechtliche Ebene des grenzüberschreitenden Erbfalls ist zwar durch die Einführung der EU-ErbVO die Ermittlung des anwendbaren Erbrechtsstatuts in mancher Hinsicht vereinfacht worden. So ist grundsätzlich der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes maßgeblich. Außerdem kann dieser durch letztwillige Verfügung für seine gesamte Rechtsnachfolge das Recht des Staates wählen, dem er im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt seines Todes angehört.

Da Deutschland bislang jedoch nur wenig Doppelbesteuerungsabkommen auf dem Gebiet der Erbschaft- und Schenkungsteuer abgeschlossen hat, bereitet insbesondere die steuerrechtliche Ebene des grenzüberschreitenden Erbfalls weiterhin Schwierigkeiten, wie die zugrundeliegende BFH-Entscheidung veranschaulicht.

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