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23.11.2021

Steuerboard

Ausschüttungen aus EU-Gesellschaften – Einlagenrückgewähr auch ohne Antrag nach § 27 Abs. 8 KStG?

Ist ein deutscher Gesellschafter an einer ausländischen Gesellschaft beteiligt und tätigt diese Ausschüttungen, stellt sich für den Gesellschafter die Frage, ob die Ausschüttungen zu steuerpflichtigen Einkünften führen und welche praktischen Fallstricke zu beachten sind. Bei Ausschüttungen einer EU-Gesellschaft muss ein Antrag nach § 27 Abs. 8 KStG gestellt werden, um eine Steuerneutralität der Ausschüttung erreichen zu können. Wichtig dabei ist, dass der Antrag bis zum 31.12. des Jahres, das auf das Jahr der Ausschüttung folgt, zu stellen ist – für das Jahr 2020 bleiben also noch rund fünf Wochen, um die Antragsvoraussetzungen zu prüfen und den Antrag einzureichen. Ohne einen entsprechenden Antrag fingiert das Gesetz eine Steuerpflicht der Ausschüttung. Diesem Worst-Case-Szenario ist der BFH jedoch jüngst mit zwei Urteilen vom 04.05.2021 – VIII R 14/20 (DB 2021 S. 2468) und VIII R 17/18 entgegengetreten und öffnet mit diesen Verfahren die Tür für eine steuerneutrale Einlagenrückgewähr auch ohne den Antrag nach § 27 Abs. 8 KStG.

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StB Dipl.-Fw. (FH), M.A. Taxation Raphael Baumgartner
, Senior Associate bei POELLATH, München

Worum geht es?

Wenn eine Kapitalgesellschaft eine Ausschüttung an ihre Anteilseigner tätigt, ist zu prüfen, ob die Ausschüttung zu steuerpflichtigen Einkünften führt. Zur Beantwortung dieser Frage bedient sich das deutsche Steuerrecht des steuerlichen Einlagekontos sowie der Verwendungsreihenfolge. Danach liegt eine steuerbare Ausschüttung vor, soweit die Gesellschaft sog. ausschüttbare Gewinne auskehrt. Liegt hingegen kein ausschüttbarer Gewinn vor oder kehrt die Gesellschaft einen höheren Betrag aus (z.B. aus der Kapitalrücklage), liegt eine steuerneutrale Einlagenrückgewähr vor.

Für deutsche Kapitalgesellschaften besteht eine Pflicht zur jährlichen Fortentwicklung des steuerlichen Einlagekontos. In diesem Zuge hat die Kapitalgesellschaft die Verwendungsreihenfolge zu beachten und dem Gesellschafter im Falle einer Ausschüttung eine Bescheinigung darüber auszustellen, welcher Teil der Leistung als Gewinnausschüttung und welcher Teil als Einlagenrückgewähr zu qualifizieren ist. Dadurch ist eine zutreffende Besteuerung der Anteilseigner möglich. Eine solche Pflicht besteht für ausländische Gesellschaften jedoch nicht.

Die Steuerneutralität einer Einlagenrückgewähr einer Drittstaatengesellschaft lehnt die Finanzverwaltung (noch immer) ab, obwohl die Finanzgerichte dieser Auffassung in zahlreichen Fällen eine Absage erteilt haben. Demnach ist den deutschen Gesellschaftern die Möglichkeit einzuräumen, eine Einlagenrückgewähr im Rahmen des individuellen Veranlagungsverfahrens nachzuweisen (BFH vom 10.04.2019 – I R 15/16, DB 2019 S. 2052). Ein Antrag nach § 27 Abs. 8 KStG ist hierfür nicht möglich, da das Verfahren auf EU-Gesellschaften beschränkt ist. Aufgrund der ablehnenden Haltung der Finanzverwaltung hat sich das Thema zu einem echten „Dauerbrenner“ im Rahmen von Betriebsprüfungen entwickelt.

Die steuerneutrale Einlagenrückgewähr einer EU-Gesellschaft erfordert einen besonders zeitaufwendigen und formalistischen Antrag (§ 27 Abs. 8 KStG). Mit diesem Antrag, den die ausländische Gesellschaft zu stellen hat, kann festgestellt werden, ob und in welcher Höhe eine Leistung als Einlagenrückgewähr zu qualifizieren ist. Der Antrag ist spätestens bis zum 31.12. des Jahres, welches auf das Jahr der Ausschüttung folgt, bei der zuständigen deutschen Finanzbehörde zu stellen. Andernfalls sind sämtliche Leistungen als steuerpflichtige Gewinnausschüttungen zu qualifizieren. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch die Liquidation einer EU-Gesellschaft. So setzt der Antrag nach § 27 Abs. 8 KStG die rechtliche Existenz der ausländischen Gesellschaft voraus. Mit einer vollständigen Auflösung der Gesellschaft sollte somit mindestens bis zur erfolgten Antragstellung gewartet werden.

Dieser sehr restriktiven Gesetzeslage ist der BFH bereits mit Urteil vom 27.10.2020 – VIII R 18/17 (DB 2021 S. 261) entgegengetreten und hat seine Rechtsprechungsgrundsätze durch die beiden Urteile vom 04.05.2021 fortgeführt.

Die Entscheidungen vom 04.05.2021

Gegenstand der Entscheidungen war im Grunde die Frage, ob die Zuteilung von Aktien durch eine ausländische Kapitalgesellschaft an deren Anteilseigner mit einer deutschen (steuerneutralen) Abspaltung vergleichbar ist. Die Finanzgerichte haben dies in den vorliegenden Sachverhalten abgelehnt und sind von steuerpflichtigen Sachausschüttungen ausgegangen.

Der BFH bestätigte zwar, dass die ausländischen Vorgänge nicht mit einer deutschen (steuerneutralen) Abspaltung vergleichbar und somit grundsätzlich als steuerpflichtige Sachausschüttung zu qualifizieren seien. Jedoch könnten die Ausschüttungen, die als Einlagenrückgewähr qualifizieren, zu nicht steuerbaren Einkünften führen. Da in den vorliegenden Fällen aber kein Antrag nach § 27 Abs. 8 KStG gestellt worden war, fingiert das deutsche Gesetz insgesamt eine Steuerpflicht der Ausschüttung.

Diese Fiktion könnte aber in Widerspruch zu den europäischen Grundfreiheiten stehen. Das Problem der Fiktion besteht nämlich darin, dass der deutsche Anteilseigner von der ausländischen Gesellschaft abhängig ist, weil nur diese einen Antrag nach § 27 Abs. 8 KStG stellen kann. Die steuerliche Kontrolle einer Ausschüttung ist aber auch durch eine individuelle Nachweismöglichkeit im Rahmen der Einkommen- oder Körperschaftsteuererklärung des deutschen Gesellschafters möglich, weshalb die Fiktion nach § 27 Abs. 8 Satz 9 KStG dementsprechend nicht mit den europäischen Grundfreiheiten vereinbar sein könnte.

In den vorliegenden Verfahren haben sich die Finanzgerichte (noch) nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob von einer steuerneutralen Einlagenrückgewähr auszugehen ist. Eine Anrufung des EuGH war daher verfahrensrechtlich noch nicht möglich und die Fälle wurden an die Finanzgerichte zurückverwiesen.

Es ist nun Aufgabe der Finanzgerichte zu prüfen, ob eine Einlagenrückgewähr vorliegt. Für Ausschüttungen aus Drittstaatengesellschaften habe dies ausgehend von der Höhe des ausschüttbaren Gewinns auf der Grundlage des jeweiligen ausländischen Handels- und Gesellschaftsrechts und unter Beachtung der Verwendungsreihenfolge zu erfolgen. Diese Grundsätze haben die Finanzgerichte im zweiten Rechtsgang zu beachten und die deutschen Anteilseigner die erforderlichen Nachweise zu erbringen. Voraussichtlich werden die Verfahren dann dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt werden.

Fazit

Trotz der erfreulichen Urteile des BFH sollte in der Praxis jede Ausschüttung einer EU-Gesellschaft spätestens bis zum 31.12. des Folgejahres überprüft werden, um – soweit erforderlich – einen Antrag nach § 27 Abs. 8 KStG rechtzeitig stellen zu können. So kann Rechtsstreitigkeiten von vorneherein aus dem Weg gegangen werden. Sofern Ausschüttungen aus 2020 noch nicht überprüft wurden, sollte dies schnellstmöglich nachgeholt werden – die Frist zur Antragstellung endet am 31.12.2021.

Ist das Kind bereits in dem Brunnen gefallen und wurde kein Antrag nach § 27 Abs. 8 KStG gestellt, z.B., weil die EU-Gesellschaft vor Antragstellung aufgelöst wurde oder die Frist versäumt wurde, bietet die BFH-Rechtsprechung einen Ausweg aus dieser unglücklichen Situation. Die Ausschüttungen können nach den allgemeinen Rechtsprechungsgrundsätzen überprüft werden und eine Steuerneutralität einer Ausschüttung unter Berufung auf die Kapitalverkehrsfreiheit auch ohne Antrag nach § 27 Abs. 8 KStG erreicht werden. Die entsprechenden individuellen Einkommen- und Körperschaftsteuerbescheide sollten verfahrensrechtlich „offengehalten“ und die relevanten Ausschüttungen entsprechend geprüft werden. In der Praxis werden solche Fälle weiterhin in Klageverfahren münden, bis der EuGH und diesem folgend die deutschen Finanzgerichte über entsprechende Fälle entschieden haben.

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