Sachverhalt
Die Klägerin, eine Genossenschaft, vermietete Grundstücke, und zwar sowohl Wohnungen als auch gewerblich genutzte Flächen. Dementsprechend hatte die Klägerin u.a. für die Jahre 2014 bis 2016 Anträge auf die erweiterte Kürzung gestellt.
B hatte ab Mitte 2012 von der Klägerin für gewerbliche Zwecke Räume angemietet, in denen sie ein Einzelhandelsgeschäft betrieb. Die Gewinne aus diesem Gewerbetrieb der B erreichten jedoch nicht den gewerbesteuerlichen Freibetrag (24.500 €), so dass im Ergebnis keine Gewerbesteuer erhoben wurde. Um daneben privat eine Wohnung von der Klägerin anmieten zu können, erwarb B Ende 2014 einen Genossenschaftsanteil an der Klägerin. Im Jahr 2015 überließ die Klägerin der B eine Wohnung.
Die Klägerin hatte zum fraglichen Zeitpunkt ca. 6.000 Genossenschaftsmitglieder. Der Genossenschaftsanteil der B betrug danach rund 0,0168%. Außer B waren keine weitere Genossen gewerbliche Mieter bei der Klägerin.
Im Anschluss an eine Betriebsprüfung hat die Finanzverwaltung die beantragten Kürzungen für die Jahre 2014 bis 2016 abgelehnt. Nach seiner Ansicht war das Merkmal des „Dienens“ des Grundbesitzes für den Ausschluss der erweiterten Kürzung objektiv erfüllt. Denn B hatte für ihren Gewerbebetrieb einen Grundstückteil angemietet. Dabei sei es unbeachtlich, dass es sich bei der Beteiligung der B an der Klägerin lediglich um einen Splitteranteil handeln würde.
Auffassung des FG Düsseldorf
Das FG Düsseldorf entschied, dass die erweiterte Kürzung bei der Klägerin, die neben Wohnungen auch gewerblich genutzte Flächen vermietet hatte, zu gewähren sei, auch wenn deren Grundbesitz zu einem Teil dem Gewerbebetrieb einer Genossin (B) diene, die zu weniger als 1% an der Genossenschaft beteiligt sei. Nach seiner Auffassung sei der Ausschlussgrund des „Dienens“ durch einen Gesellschafter oder Genossen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung einschränkend auszulegen. Dies sei gerechtfertigt, da die Beteiligung der B weniger als 1% betrug und folglich noch nicht einmal von einem Zwergenanteil gesprochen werden könne. Daher sei ein Ausschluss der erweiterten Kürzung unverhältnismäßig und unangemessen. Das Merkmal einer „Nutzung des Grundbesitzes ganz oder zum Teil“ durch den Gesellschafter bzw. Genossen lasse für die Rechtsprechung einen Spielraum von dem typisierenden Ausschlussgrund in extremen Ausnahmefällen wie vorliegend abzuweichen.
Auffassung des BFH
Der BFH hat das Urteil des FG Düsseldorf aufgehoben und die Klage abgewiesen. Nach Ansicht des BFH habe das FG zu Unrecht die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 5 GewStG gewährt. Die Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung sei nach § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG ausgeschlossen, da der Grundbesitz ganz oder zum Teil dem Gewerbebetrieb der B diene. Dies aus folgenden Erwägungen:
- Ein schädliches „Dienen“ sei nicht deshalb auszuschließen, weil die Klägerin etwa 6.000 Genossen habe und die betragsmäßige Beteiligung der B einen äußerst geringen Umfang einnehme. Denn nach dem Wortlaut der Vorschrift komme es auf die Höhe der Beteiligung des Gesellschafters oder Genossen an der Grundstücksgesellschaft gerade nicht an. Der BFH geht davon aus, dass der Gesetzgeber den Ausschluss der Kürzung auch bei einer Splitterbeteiligung offenbar zur Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten in Kauf genommen habe. Er hält daher – entgegen dem FG Düsseldorf – eine Bagatellgrenze nicht aufgrund des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für geboten.
- Darüber hinaus sei der Ausschluss der erweiterten Kürzung auch nicht aufgrund des Umstands abzulehnen, dass die Klägerin nur einen äußerst geringen Teil ihres Grundbesitzes an B vermietet habe. Eine derartige Auslegung lasse sich nicht anhand des Wortlauts der Vorschrift belegen; vielmehr erfasst dieser ausdrücklich auch die Fälle, in denen nur ein Teil des Grundbesitzes einem Gesellschafter oder Genossen dient („ganz oder zum Teil“). Der Umfang des überlassenen Grundbesitzes sei somit unbeachtlich. Nach der Rechtsprechung des BFH sei selbst ein nur kurzfristiges „Dienen“ in diesem Sinne schädlich (BFH vom 08.06.1978 – I R 68/78: schädliches dienen von 2 bis 3 Tagen). Durch eine solche Vorschrift überschreite der Gesetzgeber auch nicht seine Gestaltungsfreiheit, sondern es werde gerade eine Auseinandersetzung über den richtigen Maßstab für eine etwaige Unerheblichkeit des „Dienens“ Im Ergebnis ist somit auch hier kein Raum für eine Bagatellgrenze.
- Die Anwendung des § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG scheide auch nicht deshalb aus, weil der von B erzielte Gewerbeertrag den Freibetrag des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG nicht erreicht habe. Eine einschränkende Auslegung sei zwar nach der Rechtsprechung für den Fall anerkannt, dass das Unternehmen, das den überlassenen Grundbesitz nutzt, gewerbesteuerfreie Einkünfte erziele. Eine Übertragung dieser Grundsätze auf Sachverhalte, bei denen der mietende Gewerbebetrieb zwar nicht von der Gewerbesteuer befreit ist, aber einen Gewerbeertrag von weniger als 24.500 € erwirtschafte, komme nicht in Betracht.
- Schließlich führt der BFH aus, dass ihm bewusst sei, dass diese streng am Gesetzeswortlaut orientierte Auslegung zu „mitunter als unbillig empfundenen Ergebnissen“ führen könne. Dies gelte insbesondere in dem vorliegenden Fall. Denn die gewerbesteuerlichen Nachteile der Klägerin stünden in einem groben Missverhältnis zur wirtschaftlichen Bedeutung der überlassenden Geschäftsräume an B und der Splitterbeteiligung der B an der Klägerin. Abhilfe könne letztlich nur durch den Gesetzgeber herbeigeführt werden, wie dies z.B. bereits im Hinblick auf das Ausschließlichkeitsgebot des § 9 Abs. 1 Satz 2 GewStG durch das Fondsstandortgesetz geschehen sei (vgl. § 9 Nr. 1 Satz 3 GewStG n.F.). Hier wurde geregelt, dass es für die Anwendung der erweiterten Kürzung unschädlich ist, wenn die dort näher bestimmten Einnahmen nicht höher als 10% der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes sind.
Anmerkungen
Nach dem vorliegenden Urteil des BFH bleibt es dabei: Es gilt das Fallbeilprinzip. Für die erweiterte Kürzung muss die vermögensverwaltende Tätigkeit eindeutig und klar von anderen Tätigkeiten getrennt werden. Ansonsten droht die volle Gewerbesteuerpflicht für die Vermietungseinkünfte. Die Einführung einer allgemeinen Bagatellgrenze zur Vermeidung von unbilligen Ergebnissen drängt sich gerade zu auf. Dies trifft insbesondere auf den vorliegenden Sachverhalt zu, bei dem die schädliche Verknüpfung zur vermögensverwaltenden Tätigkeit kaum noch messbar war. In der Vergangenheit hatte der IV. Senat des BFH zumindest angedeutet, dass er eine Bagatellgrenze durch eine einschränkende Auslegung bei dem Ausschlussgrund des „Dienens“ in Erwägung ziehen könnte. Die entschiedenen Sachverhalte waren aber nach Ansicht des BFH nicht ausreichend, um eine solche einschränkende Auslegung zu rechtfertigen (so BFH vom 07.04.2005 – IV R 34/03 bei einem Anteil von 5%; vom 26.06.2007 – IV R 9/05 bei einem Anteil von 10%).
Die Aussagen des III. Senats des BFH sind zu dieser Frage noch eindeutiger. Danach ist eine einschränkende Auslegung im Form einer Bagatellgrenze generell abzulehnen. Diese Wertung entspricht einer weiteren Entscheidung des III. Senats des BFH aus diesem Jahr (Urteil vom 29.06.2022 – III R 19/21). Dort ging es um die schädliche Nutzung eines Grundstücks durch Gesellschafter über eine GbR, an der sie zu weniger als 1% beteiligt waren. Auch für diesen Fall hat der III. Senat des BFH eine einschränkende Auslegung abgelehnt.
Somit sind nicht nur die Vermietung von Betriebsvorrichtungen oder die Begründung einer Betriebsaufspaltung Gift für die gewerbesteuerliche Begünstigung, sondern der Auslegung des III. Senats folgend jede Form der schädlichen Verknüpfung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter, unabhängig von ihrem Umfang. Der Praxis bleibt folglich nur die Möglichkeit, ein solches steuerliches Desaster im Vorfeld durch ein umfangreiches Compliance-System zu vermeiden. Mit Blick auf große Immobilienunternehmen ist dies eine aufwendige und letztendlich auch kostspielige Herausforderung.
Der Verweis des III. Senats auf den Gesetzgeber kann nur unterstrichen werden. Die Einführung von Bagatellgrenzen für Einnahmen aus erneuerbarer Energie durch das Fondsstandortgesetz ist sicherlich erfreulich und als Erleichterung zur Förderung von entsprechender „grüner“ Energie zu sehen. Es wird sich aber erst in der Zukunft zeigen, ob die dort geregelten Bagatellgrenzen tatsächlich in der Praxis ein taugliches Instrument sind, um unbillige Ergebnisse in diesem Bereich zu vermeiden. Für die weiteren Zweifelsfälle – wie hier einer Splitterbeteiligung – bleibt das Risiko bestehen, dass selbst bei einer äußerst geringfügigen Nutzung eines Grundstücksteils durch einen Minderheitsgesellschafter die Begünstigung verloren geht. Es wäre wünschenswert, wenn der Gesetzgeber endlich eine allgemeine Bagatellgrenze für die erweiterte Kürzung einführen würde, um dieses äußerst praxisrelevante Streitthema zu entschärfen.