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21.05.2025

Steuerboard

Ausnahme von der Zurechnungsbesteuerung nach § 15 Abs. 6 AStG – BFH schafft Klarheit und Erleichterungen für ausländische Stiftungen und Trusts

Familienstiftungen spielen bei der Nachfolgeplanung eine zentrale Rolle. Dabei wird regelmäßig die Errichtung einer Familienstiftung im Ausland erwogen, in steuerlicher Hinsicht aber oft durch die sog. Zurechnungsbesteuerung des § 15 AStG verhindert. Auch für deutsche Begünstigte bestehender ausländischer Familienstiftungen und -trusts stellt diese Zurechnungsbesteuerung eine erhebliche Belastung dar. Etwas anderes konnte bislang nur bei in EU- oder EWR-Staaten ansässigen Familienstiftungen und -trusts gelten, da § 15 Abs. 6 AStG für diese Fälle eine Ausnahme von der Zurechnungsbesteuerung vorsieht (sog. Escape-Klausel). Anwendungsbereich und Voraussetzungen dieser für die Praxis zentralen Vorschrift waren im Einzelnen aber unklar und umstritten. Der BFH hat sich kürzlich in vier im Wesentlichen inhaltsgleichen Entscheidungen vom 03.12.2024 grundlegend mit der Zurechnungsbesteuerung befasst und dabei insbesondere den Anwendungsbereich des § 15 Abs. 6 AStG erweitert sowie dessen Voraussetzungen geklärt (Az. IX R 31/22, IX R 32/22, IX R 15/24, IX R 16/24).

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RA Maximilian Steger
ist Associate bei POELLATH in München

I. Die Zurechnung von Vermögen und Einkünften nach § 15 Abs. 1 AStG

Nach § 15 Abs. 1 AStG werden Vermögen und Einkünfte einer Familienstiftung, die Geschäftsleitung und Sitz außerhalb Deutschlands hat (ausländische Familienstiftung), dem Stifter, wenn er in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist, sonst den in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Bezugs- oder Anfallsberechtigten entsprechend ihrem Anteil zugerechnet.

Familienstiftungen sind Stiftungen, bei denen der Stifter, seine Angehörigen und deren Abkömmlinge zu mehr als der Hälfte bezugs- oder anfallsberechtigt sind (§ 15 Abs. 2 AStG).

Zurechnung und Besteuerung erfolgen also unabhängig von tatsächlichen Ausschüttungen und wirken daher besonders belastend (Dry Income-Situation).

II. Die Ausnahme von der Zurechnung nach § 15 Abs. 6 AStG

1. Anwendungsbereich: Begrenzung auf EU-/EWR-Familienstiftungen

§ 15 Abs. 6 AStG sieht eine Ausnahme von dieser Zurechnung vor, die ihrem Wortlaut nach auf Familienstiftungen mit Geschäftsleitung oder Sitz in der EU oder dem EWR begrenzt ist. Diese Begrenzung wurde vielfach als unangemessen empfunden und ihre Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht seit jeher in Zweifel gezogen. Sie führte jedoch dazu, dass sich die deutsche Stiftungspraxis bezüglich ausländischer Familienstiftungen auf die Errichtung in der EU bzw. dem EWR, insbesondere in Liechtenstein, konzentrierte.

2. Voraussetzungen der Ausnahme

Ungeachtet dessen hat die Ausnahme von der Zurechnung gem. § 15 Abs. 6 AStG zur Voraussetzung, dass

  1.  nachgewiesen wird, dass das Stiftungsvermögen der Verfügungsmacht der Stifter bzw. der Bezugs- und Anfallsberechtigten rechtlich und tatsächlich entzogen ist und
  2.  ein hinreichender Informationsaustausch mit dem Ansässigkeitsstaat der Familienstiftung gewährleistet ist.

Letzteres kann auf Grundlage der europäischen Amtshilfe-RL, Doppelbesteuerungsabkommen mit sog. großer Auskunftsklausel oder sonstigen besonderen zwischenstaatlichen Vereinbarungen gewährleistet sein. Das ist in vielen Auslandssachverhalten der Fall (z.B. Liechtenstein, Schweiz, USA).

Demgegenüber führte der Nachweis des Entzugs der Verfügungsmacht im Sinne des § 15 Abs. 6 Nr. 1 AStG oftmals zu Streitigkeiten, da er in seinen Einzelheiten ungeklärt war. In dogmatischer Hinsicht betraf dies insbesondere die Abgrenzung zur vorgelagerten Prüfung des wirtschaftlichen Eigentums (§ 39 AO). Die Finanzverwaltung vertritt eine eher wirtschaftliche Betrachtungsweise, die insbesondere dem typischen Wunsch von Stiftern, sich gewisse Einflussnahmemöglichkeiten vorzubehalten, häufig entgegenstand. Insofern konnte sich die Finanzverwaltung aber auf das bislang einzige (rechtskräftige) einschlägige Urteil des FG Hamburg berufen (vom 17.12.2020 – 6 K 307/19).

III. Bedeutung für Trusts

Die vorstehenden Aspekte haben auch für Trusts Bedeutung.

Ausländischen Familienstiftungen stehen im Rahmen des § 15 AStG sonstige Zweckvermögen, Vermögensmassen und rechtsfähige oder nichtrechtsfähige Personenvereinigungen gleich (§ 15 Abs. 4 AStG). Hauptanwendungsfall dafür sind Trusts, sofern diese steuerlich intransparent sind und damit stiftungsähnlichen Charakter aufweisen. Ist dies, wie regelmäßig bei einem irrevocable discretionary trust, der Fall, gelten die vorstehenden Grundsätze entsprechend.

Da solche Trusts meist außerhalb der EU bzw. des EWR ansässig sind, führte dies regelmäßig dazu, dass es bei in Deutschland steuerpflichtigen Begünstigten eines intransparenten Familientrusts zu einer Zurechnung an diese kam, eine Ausnahme nach § 15 Abs. 6 AStG aber nicht möglich war.

IV. Die Entscheidungen des BFH

Im Rahmen seiner Entscheidungen konkretisierte der BFH die Zurechnungsbesteuerung verschiedentlich. Besonders bedeutsam für die Praxis sind dabei die beiden nachfolgenden Aspekte im Zusammenhang mit § 15 Abs. 6 AStG.

1. Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 15 Abs. 6 AStG: Begrenzung auf EU-/EWR-Familienstiftungen unionsrechtswidrig

In der Begrenzung des § 15 Abs. 6 AStG auf EU-/EWR-Familienstiftungen erkennt der BFH einen Verstoß gegen die auch für Drittstaaten geltende Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV). Jedenfalls die Einbringung des Stiftungsvermögens anlässlich der Gründung stelle nach der maßgeblichen Rechtsprechung des EuGH Kapitalverkehr im Sinne des Art. 63 AEUV dar. Zur Beseitigung des Verstoßes ist es wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts geboten, § 15 Abs. 6 AStG im Wege der geltungserhaltenden teleologischen Reduktion auch auf Drittstaaten-Familienstiftungen außerhalb der EU bzw. des EWR anzuwenden.

2. Konkretisierung der Anforderungen für einen Entzug der Verfügungsmacht: allein zivilrechtliche Maßstäbe anzuwenden

Ein rechtlicher und tatsächlicher Entzug der Verfügungsmacht über das Stiftungsvermögen im Sinne des § 15 Abs. 6 Nr. 1 AStG liegt nach dem BFH nur dann nicht vor, wenn Stifter bzw. Berechtigte bei Anwendung zivilrechtlicher Maßstäbe die Herausgabe des Stiftungsvermögens bewirken können. Auf wirtschaftliche Maßstäbe kommt es ausdrücklich und entgegen der Finanzverwaltung sowie dem FG Hamburg nicht an. Denn ein „derart extensives“ wirtschaftliches Verständnis widerspricht dem in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers (historische Auslegung) und ist lediglich in der vorgelagerten, separaten Prüfung des wirtschaftlichen Eigentums der Stiftung zugrunde zu legen (§ 39 AO – systematische Auslegung). Schließlich seien die Anforderungen des § 15 Abs. 6 Nr. 1 AStG wegen der gegebenen Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit insgesamt restriktiv auszulegen.

V. Konsequenzen und Bedeutung für die Praxis

1. Für Drittstaaten-Familienstiftungen bringen die Entscheidungen große Erleichterungen, da deren inländische Begünstigte sich nunmehr ebenso auf § 15 Abs. 6 AStG berufen können. Entsprechendes gilt für Trusts (vgl. § 15 Abs. 4 AStG), worauf auch der BFH in der zugehörigen Pressemitteilung hinwies (vom 24.04.2025 – Nummer 025/25). Aufgrund deren regelmäßiger Ansässigkeit außerhalb der EU bzw. des EWR dürften die Entscheidungen insofern besondere Bedeutung haben.

2. Daneben ergeben sich für EU-/EWR- und Drittstaaten-Stiftungen gleichermaßen neue Gestaltungsmöglichkeiten, weil der BFH für den Nachweis des Entzugs der rechtlichen und tatsächlichen Verfügungsmacht allein auf zivilrechtliche Maßstäbe abstellt. Wie weit diese reichen, wird insbesondere von der Reaktion der Finanzverwaltung abhängen. Der BFH musste sich nicht im Einzelnen dazu äußern, in welchen Konstellationen die Herausgabe des Stiftungsvermögens zivilrechtlich bewirkt werden kann und somit Verfügungsmacht vorliegt. Jedenfalls bei unmittelbaren Weisungsbefugnissen, klagbaren Ansprüchen oder unmittelbar eigenen Verfügungsmöglichkeiten kraft Organstellung ist dies aber der Fall, wie die Urteilsgründe zeigen.

3. Eigene Organstellungen dürften hingegen unschädlich sein, solange das betreffende Organ weder beherrscht wird, noch die Möglichkeit der Alleinvertretung besteht. Denn dann kann die Herausgabe des Vermögens zivilrechtlich nicht nach eigenem Ermessen bewirkt werden. Mitgliedschaften in bloßen Kontrollorganen dürften danach ohnehin meist unschädlich sein. Dasselbe dürfte regelmäßig für Bestellungs- und Abberufungsrechte sowie sonstige mittelbare Einflussnahmemöglichkeiten gelten. Für all diese Fälle, die im Interesse der Stifter liegen und bei deutschen Familienstiftungen der Regelfall sind, war die Finanzverwaltung bisher auf Grundlage ihrer wirtschaftlichen Betrachtung oftmals anderer Ansicht und verwehrte die Anwendung des § 15 Abs. 6 AStG.

4. Nach den beschriebenen Grundsätzen dürfte bei irrevocable discretionary trusts regelmäßig der Nachweis des § 15 Abs. 6 Nr. 1 AStG gelingen. Bei anderen Formen des Trusts mit weitergehenden Rechten wird es dagegen häufig schon am Übergang des wirtschaftlichen Eigentums fehlen, sodass § 15 AStG keine Anwendung findet. Die betreffenden Personen sind dann mit den Einkünften des Trusts unmittelbar persönlich einkommensteuerpflichtig.

5. Bestehende Strukturen sind daraufhin zu überprüfen, inwiefern die Voraussetzungen des § 15 Abs. 6 AStG erfüllt wurden, oder zukünftig erfüllt werden können. Da die Voraussetzungen stets veranlagungszeitraumbezogen – d.h. in jedem Veranlagungszeitraum erneut – zu prüfen sind (vgl. § 25 Abs. 1 EStG), besteht für zukünftige Veranlagungszeiträume Gestaltungsspielraum durch Anpassung der Stiftungsdokumente. Die Regelung entsprechender Änderungsmöglichkeiten ist zu empfehlen.

6. Obwohl die Entscheidungen des BFH den Anwendungsbereich des § 15 Abs. 6 AStG deutlich erweitern, bleibt zu beachten, dass § 15 Abs. 6 AStG nach Ansicht der Finanzverwaltung bei Einkünften aus nachgeschalteten Tochterkapitalgesellschaften und Stiftungen gem. § 15 Abs. 9 und Abs. 10 AStG nicht gelten soll (BMF vom 22.12.2023, BStBl. 2023 I S. 2 Rn. 852, 857). Da diese Ansicht aus systematischen, historischen sowie verfassungsrechtlichen Gründen nicht haltbar sein dürfte, ist die diesbezügliche Entwicklung zu verfolgen. Der BFH hatte hierzu nicht zu entscheiden.

7. Schließlich bleiben die Anzeige- und etwaigen Erklärungspflichten nach § 18 Abs. 3, Abs. 4 AStG in jedem Fall bestehen und sind einzuhalten. Selbst wenn von einer Ausnahme nach § 15 Abs. 6 AStG ausgegangen wird.

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