Körperschaft des öffentlichen Rechts als Konzernspitze
In dem der Entscheidung des BAG zugrundeliegenden Sachverhalt stritten die Beteiligten darüber, ob der Kreis mit mehreren privatrechtlich organisierten Unternehmen einen Konzern bildete und ob in einem derartigen Konzern ein Konzernbetriebsrat wirksam errichtet werden konnte. Der Kreis hielt als Körperschaft des öffentlichen Rechts teils mittelbar, teils unmittelbar die Mehrheit der Geschäftsanteile an 13 privatrechtlich organisierten Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen. Im Juli 2015 wurde für alle beteiligten Unternehmen ein Konzernbetriebsrat errichtet. Nachdem einzelne der Unternehmen geltend gemacht hatten, dass der Kreis als Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht Teil eines Konzerns sein könne und die Bildung eines Konzernbetriebsrats auch nach § 130 BetrVG ausgeschlossen sei, stellten der Konzernbetriebsrat und ein anderer Teil der konzernangehörigen Unternehmen beim Arbeitsgericht einen Antrag auf Feststellung, dass der Konzernbetriebsrat (wirksam) errichtet wurde. Damit hatten sie in allen drei Instanzen Erfolg.
Kein eigenständiger betriebsverfassungsrechtlicher Konzernbegriff
In Fortschreibung seiner ständigen Rechtsprechung hat das BAG zunächst noch einmal klargestellt, dass es keinen eigenständigen betriebsverfassungsrechtlichen Konzernbegriff gibt. Vielmehr ist aufgrund des Verweises in § 54 Abs. 1 BetrVG auf § 18 Abs. 1 AktG allein der Konzernbegriff nach Maßgabe des Aktiengesetzes maßgeblich. Danach bilden ein herrschendes und ein oder mehrere abhängige Unternehmen einen sog. Unterordnungskonzern, wenn sie unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefasst sind. Von einem abhängigen Unternehmen wird nach § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG vermutet, dass es mit dem herrschenden Unternehmen einen Konzern bildet. Gemäß § 17 Abs. 1 AktG sind abhängige Unternehmen rechtlich selbstständige Unternehmen, auf die ein anderes Unternehmen (herrschendes Unternehmen) unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Von einem in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen wird vermutet, dass es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist, § 17 Abs. 2 AktG.
Unternehmensbegriff ist rechtsformneutral
Der Unternehmensbegriff im Sinne der §§ 15 ff. AktG ist rechtsformneutral. Dementsprechend ist es für die Frage des Vorliegens eines Konzerns im vorgenannten Sinne irrelevant, in welcher Rechtsform das herrschende und die abhängigen Unternehmen geführt werden. Körperschaften des öffentlichen Rechts sind danach als herrschendes Unternehmen im konzernrechtlichen Sinn anzusehen, wenn sie zumindest ein in privater Rechtsform organisiertes Unternehmen beherrschen. Nach Auffassung des BAG gebieten es auch die besonderen Erfordernisse des Betriebsverfassungsgesetzes nicht, die Bildung eines Konzernbetriebsrats nach § 54 Abs. 1 BetrVG auszuschließen, wenn die abhängigen Unternehmen unter dem beherrschenden Einfluss einer Körperschaft des öffentlichen Rechts stehen. Im Gegenteil: Auch in diesen Fällen könne – so das BAG – die Beteiligung der Arbeitnehmer der privatrechtlich organisierten Unternehmen an den diese Unternehmen bindenden Leitungsentscheidungen nur dadurch sichergestellt werden, dass ein Konzernbetriebsrat errichtet werden könne.
§ 130 BetrVG steht nicht entgegen
Bereits im Jahr 2010 hat das BAG festgestellt, dass § 130 BetrVG der Errichtung eines Konzernbetriebsrats im öffentlich-privatrechtlichen Mischkonzern nicht entgegensteht. Diese Feststellung hat das Gericht in der Entscheidung vom 26. August 2020 noch einmal bestätigt. Durch die Möglichkeit der Errichtung eines Konzernbetriebsrats in einem Konzern mit öffentlich-rechtlich organisierter Konzernspitze werde die Geltung des Betriebsverfassungsgesetzes schließlich nicht auf die Betriebe und Verwaltungen der öffentlich-rechtlich organisierten Konzernspitze erstreckt. Vielmehr werde der Konzernbetriebsrat für den Konzern errichtet.
Belegschaft des öffentlich-rechtlichen Unternehmens ausgeschlossen
Zu beachten ist hierbei jedoch, dass die Belegschaft des herrschenden öffentlich-rechtlich organisierten Unternehmens bei der Errichtung des Konzernbetriebsrats nicht berücksichtigt werden darf. Gleiches gilt für Arbeitnehmer aus (weiteren) konzernangehörigen Unternehmen, die öffentlich-rechtlich organisiert sind. Vielmehr beschränkt sich die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats in öffentlich-privatrechtlichen Mischkonzernen stets nur auf die Arbeitnehmer und Betriebe der privatrechtlich organisierten Konzernunternehmen.
Fazit
Die Feststellungen des BAG aus der Entscheidung vom 20. August 2020 sind nicht neu. Da die Mitbestimmung in öffentlich-privatrechtlichen Mischkonzernen aber in der Praxis gleichwohl nach wie vor vielfach Anlass für Diskussionen gibt, trägt sie jedenfalls zur Rechtsklarheit und -sicherheit bei. Dabei gelten die Feststellungen nicht nur für den entschiedenen Fall eines öffentlich-privatrechtlichen Mischkonzerns mit (rein) öffentlich-rechtlicher Konzernspitze, sondern auch dann, wenn diesem weitere öffentlich-rechtlich organisierte Unternehmen angehören. Wichtig ist jedoch, dass sowohl bei der Errichtung, insbesondere bei der Zusammensetzung, als auch bei den Fragen der Mitbestimmung stets das bzw. die öffentlich-rechtlichen Unternehmen ausgeklammert werden.