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11.08.2020

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Arbeitsschutzprogramm für die Fleischwirtschaft

Nach wie vor hält die Corona-Pandemie die Welt in Atem und deckt kompromisslos Schwachstellen und Missstände in Gesellschaft und Wirtschaft bei der Einhaltung von Hygieneregeln und Disziplin im Umgang miteinander auf. Der Bundesarbeitsminister erkannte bereits im Mai Handlungsbedarf in der Fleischwirtschaft, als sich COVID-19-Fälle in Fleischfabriken zu mehren begannen und Berichte über nicht eingehaltene Abstands- und Hygieneregelungen die Nachrichten beherrschten. In einem Eckpunktepapier kündigte das Bundeskabinett daher unter anderem an, die bislang in der Fleischwirtschaft gängige Beauftragung von Fremdunternehmen mit einzelnen Gewerken zu unterbinden, kurz gesagt Werkverträge zu verbieten.

Nachhaltigkeitsbericht: Die Herausforderung erfolgreich meistern

RA/FAArbR Dr. Michael S. Braun
Rödl & Partner, Hof

Inzwischen liegt der Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz (Arbeitsschutzkontrollgesetz) seitens der Bundesregierung vor, dessen Herzstück freilich weniger – wie der Name vermuten lassen könnte – in der Intensivierung staatlicher Kontrolle bestehender Normen, sondern tatsächlich im Verbot von Werkverträgen ab dem 01.01.2021 und von Arbeitnehmerüberlassung ab dem 01.04.2021 in der Fleischwirtschaft zu sehen ist. Mit diesen Verboten korrespondiert das Gebot, künftig nur mit eigenen Arbeitnehmern den Betriebszweck zu verfolgen. Hierzu verbietet das Gesetz nicht nur die Beauftragung Dritter im Wege des Werkvertrags, sondern auch die Beschäftigung von Selbständigen und nach der genannten Schonfrist auch den Einsatz von Leiharbeitnehmern. Konsequent wird auch der gemeinsame Betrieb mehrerer Unternehmen untersagt, der Unternehmer soll einen Betrieb oder eine übergreifende Organisation, in dem oder in der geschlachtet wird, Schlachtkörper zerlegt werden oder Fleisch verarbeitet wird, als alleiniger Inhaber führen müssen. Der alleinige Inhaber wiederum darf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach Ablauf der Schonfrist für die Arbeitnehmerüberlassung nur im Rahmen von mit ihm bestehenden Arbeitsverhältnissen beschäftigen. Ausgenommen hiervon soll nur sein, wer in die Handwerksrolle eingetragen ist und in der Regel nicht mehr als 49 Personen tätig werden lässt. Der Inhaber wird zunächst definiert als derjenige, der über die Nutzung der Betriebsmittel und den Einsatz des Personals entscheidet. Weitergehend soll aber auch Inhaber sein, wer eine übergreifende Organisation führt, in die Betriebe räumlich oder funktional eingebunden sind. Definitionsgemäß liegt eine übergreifende Organisation vor, wenn ein überbetrieblicher, nicht notwendig räumlich zusammenhängender Produktionsverbund, in dem die Arbeitsabläufe im Bereich der Schlachtung einschließlich der Zerlegung von Schlachtkörpern oder im Bereich der Fleischverarbeitung aufeinander abgestimmt sind, besteht. Sollen also auch künftig Produktionsketten – wie in weiten Teilen der Wirtschaft üblich und notwendig – zusammenhängen und daher die Arbeitsabläufe aufeinander abgestimmt sein, müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer demnach bei dem Unternehmen angestellt sein, das im Bereich Schlachtung einschließlich Zerlegung bzw. im Bereich Fleischverarbeitung diese übergreifende Organisation führt. Ungeachtet der Frage, ob sich diese Organisationsführung in der Praxis klar herausarbeiten lässt, greift das Gesetz unter anderem in diesem Punkt gerade im Zusammenspiel mit dem Verbot der Arbeitnehmerüberlassung und des gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen besonders tief in die unternehmerische Freiheit ein. Insgesamt ist eine kontroverse Diskussion darüber entbrannt, ob die weitreichenden Eingriffe in die unternehmerische Freiheit der Fleischwirtschaft mit dem Grundgesetz und den europäischen Grundfreiheiten in Einklang zu bringen sind. Bei dieser Frage der Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht wird es jedoch nicht nur auf die Unternehmen der Fleischindustrie im engeren Sinne ankommen. Deren Entscheidungsfreiheit in Bezug auf die Vergabe bestimmter Arbeits- und Produktionsschritte an Dritte ist zwar Teil der unternehmerischen Freiheit. Insgesamt sind sie aber wohl „nur“ durch Berufsausübungsregelungen von dem Gesetz betroffen. Den bisherigen Anbietern von Werkleistungen hingegen wird durch das Gesetz die Grundlage ihres unternehmerischen Tätigwerdens gänzlich entzogen. Letztlich bleibt die Beurteilung, ob die vorgesehenen Regelungen noch gerechtfertigt sind oder zu weit gehen dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten. Der Praxis ist allerdings schnelle Klarheit zu wünschen, denn insbesondere mit Blick auf die saisonal bedingten Schwankungen in der Produktion, etwa in der Grillsaison, unterliegt auch der Arbeitskräftebedarf zumindest in Teilen der Fleischindustrie starken Schwankungen. Wenn Spitzen im Beschäftigungsbedarf künftig nicht mehr durch Fremdvergabe und Leiharbeit abgedeckt werden können, bleibt möglicherweise letztlich nur, mit einer entsprechend großen Zahl befristet angestellter Arbeitskräfte zu reagieren. Angesichts der Rechtsprechung zum Befristungsrecht und zu Kettenbefristungen bleibt zu wünschen, dass der Gesetzgeber dieses Problem im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens noch einer rechtssicheren Lösung zuführt. 


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