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21.09.2017

Interview

Arbeitsrechtliche Rechte, Pflichten und Verbote im Profifußball

Beitrag mit Bild

„Im professionellen Sport können die Vereine den Spielern grundsätzlich mehr Vorgaben machen, als es im „normalen“ Arbeitsverhältnis möglich ist.“

Dass Profifußballer Arbeitnehmer sind, ist gemeinhin bekannt. Weniger bekannt sind die damit verbundenen Verpflichtungen, die über das übliche Arbeitnehmermaß hinausgehen. Wie weit die Vereine Einfluss nehmen können, erläutert der Arbeitsrechtler Rechtsanwalt Dr. Christopher Wiencke aus dem Berliner Büro der globalen Wirtschaftskanzlei Dentons.

DB: Die Fußball-Saison hat begonnen. Auf dem Platz spielt die Musik. Aber man liest immer wieder auch vom außersportlichen Verhalten der Spieler und den Reaktionen der Vereine hierauf. Arbeitsrechtlich betrachtet durchaus spannend: Darf ein Verein seinem Spieler ein Rauch- oder Alkoholverbot erteilen oder ihm vorschreiben, ob und welches Tattoo er sich stechen lassen darf?

Dr. Christopher Wiencke: „Im professionellen Sport können die Vereine den Spielern grundsätzlich mehr Vorgaben machen, als es im „normalen“ Arbeitsverhältnis möglich ist. Begründet wird dies mit der Tatsache, dass die Spieler konstant in der Lage sein müssen, körperliche Höchstleistungen abzuliefern. Dies müssen sie mit ihrem Lebenswandel gewährleisten, zumal die körperliche Leistungsfähigkeit das Kapital der Spieler und auch der Vereine darstellt.

Vor diesem Hintergrund ist ein (betriebliches) Rauchverbot zulässig, wie es etwa der neue Sportdirektor des FC Bayern München, Hasan Salihamidzic, zu Beginn dieser Bundesligasaison ausgesprochen hat. Ein generelles Rauchverbot – auch in der spielfreien Zeit bzw. im rein privaten Umfeld – dürfte grundsätzlich nicht gerechtfertigt sein.

Ebenso kann ein betriebliches Alkoholverbot ausgesprochen werden. Der Spieler hat grundsätzlich die (zumeist auf Grundlage des DFL-Mustervertrages) vereinbarte Pflicht zur gesunden Lebensführung. Außerdem hat er in der Öffentlichkeit auf seine Vorbildfunktion und die Außendarstellung des Vereins zu achten. So können beispielsweise Alkoholexzesse, insbesondere in der Öffentlichkeit – wie etwa durch den Fußballer Marcelinho während seiner Zeit bei Hertha BSC Berlin –, untersagt werden.

Auch ein Tattoo-Verbot ist während des Spielbetriebs zulässig. Zuletzt ist beispielsweise die Suspendierung von Frankfurts Abwehrprofi Guillermo Varela wenige Tage vor dem DFB-Pokalfinale in den Medien viel diskutiert worden. Aufgrund der erhöhten Entzündungsgefahr überwiegen insoweit die Interessen der Vereine. Ein Tattoo-Motiv darf jedoch nicht vorgegeben werden.“

DB: Und darf ein Verein diese Verbote auch durch arbeitsrechtliche Sanktionen durchsetzen?

Dr. Christopher Wiencke: „Diese Verbote dürfte ein Verein grundsätzlich auch durch arbeitsrechtliche Sanktionen durchsetzen, wobei hier – anders als im sonstigen Arbeitsrecht – in der Regel keine Abmahnungen und Kündigungen ausgesprochen werden. Vielmehr arbeiten die Vereine mit Suspendierungen und Vertragsstrafen. Ein Fußballer hat als Ausfluss seines arbeitsrechtlichen Beschäftigungsanspruches kein Recht auf einen Spieleinsatz, jedoch auf Teilnahme am Trainingsbetrieb. Entsprechend sind Suspendierungen vom Spiel-, nicht aber auch vom Trainingsbetrieb, grundsätzlich zulässig. Hinsichtlich der Vertragsstrafen gilt, dass diese vertraglich hinreichend bestimmt vereinbart sein müssen. Der DFL-Mustervertrag sieht hierzu entsprechende Regelungen vor.“

DB: Wie steht es um die Aspekte Urlaub, Krankheit oder Dienstwagen? Wo liegen die Besonderheiten im Profisport im Vergleich zu „normalen“ Arbeitnehmern?

Dr. Christopher Wiencke: „Ein Profifußballer hat als Arbeitnehmer den gesetzlichen Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz. Darüber hinaus sieht der DFL-Mustervertrag entsprechende Regelungen vor. Die Profifußballer sind gezwungen, ihren Urlaub in der spielfreien Zeit zu nehmen. Während der Saison stehen diesem dringende betriebliche Belange entgegen. Grundsätzlich wäre auch die Inanspruchnahme von Elternzeit unter Beachtung der Ankündigungsfristen möglich. Dies hat es jedoch – soweit mir bekannt – noch nicht gegeben.

Im Krankheitsfall treffen einen Profifußballer mehr Pflichten als einen „normalen“ Arbeitnehmer. So sind die Spieler in der Regel vertraglich verpflichtet, sich vom Vereinsarzt untersuchen zu lassen und diesen sowie die sonstigen behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden. Die Entgeltfortzahlung richtet sich – vorbehaltlich abweichender vertraglicher Regelungen – jedoch nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz.

Dienstwagen werden den Profispielern in der Regel durch einen Sponsor des Vereins gestellt. Die Spieler sind hierbei grundsätzlich vertraglich verpflichtet, diese für sämtliche dienstliche Anlässe zu nutzen.

Eine weitere Besonderheit im Vergleich zu „normalen“ Arbeitnehmern ist das grundsätzlich zulässige Verbot der Ausübung gefährlicher Sportarten in der Freizeit, wie beispielsweise Skifahren.“

DB: Und wie sieht es aus mit einem vertraglichen Anspruch auf Einsatzzeiten (sog. Einsatzgarantien)?

Dr. Christopher Wiencke: „Wie bereits erwähnt, umfasst der Beschäftigungsanspruch der Spieler nur den Trainingsbetrieb, wobei es hierfür von der Rechtsprechung entwickelte Mindeststandards gibt.

Zwar wäre es grundsätzlich denkbar, einen vertraglichen Anspruch auf Einsatzzeiten zu vereinbaren. Dies ist jedoch mit dem Charakter des Sports nur schwerlich vereinbar und auch nicht verbreitet. Allerdings soll Jürgen Klinsmann zu seiner aktiven Zeit eine entsprechende Klausel („Stammplatzgarantie“) ausverhandelt haben.“

DB: Gerade vor dem Hintergrund der immer größer werdenden Transfersummen und Gehälter stellt sich die Frage, wie sich die Summen für den Verein noch amortisieren können. Kann ein Verein von „teuren“ Spielern mehr verlangen in Sachen Marketing, Präsenz oder Ähnlichem?

Dr. Christopher Wiencke: „Die überdimensionierten Transfersummen amortisieren sich für den Verein sehr schnell über das Merchandising. So soll Real Madrid die Ablösesumme für Christiano Ronaldo seinerzeit binnen sehr kurzer Zeit allein durch Trikotverkäufe wieder eingenommen haben.

Hinsichtlich der Pflichten der Profispieler zur Öffentlichkeitsarbeit enthalten die auf dem DFL-Mustervertrag basierenden Arbeitsverträge dezidierte Regelungen. Grundsätzlich gilt, dass die Spieler umfassende Pflichten und die Sportarbeitgeber weitreichende Befugnisse haben. Nur wenn im Einzelfall die Belastung mit Sponsorenterminen u.Ä. unzumutbar sein sollte, kann ein Profi diese ablehnen.“

DB: Man liest in den Tagesnachrichten immer wieder von den Spielergehältern als Nettosummen. Wie sehen die vertraglichen Verpflichtungen dahinter aus? Gibt es solche Vereinbarungen auch in gängigen Berufsbranchen oder Positionen?

Dr. Christopher Wiencke: „Die Vereinbarung von Nettogehältern kommt immer wieder vor, aktuellstes Beispiel dürfte der Spieler James Rodriguez vom FC Bayern München sein. Bei solchen Regelungen verpflichtet sich der Sportarbeitgeber, dem Spieler immer ein festes Nettogehalt unter Ausschluss aller vorgeschriebenen Einkommensteuern und Sozialabgaben zu zahlen. Der Verein trägt also – wie üblich – die entsprechenden Abgabekosten. Der Unterschied ist, dass eine Steigerung der Abgaben für die Vereine „teurer“ wird, der Spieler aber nicht „weniger Netto“ erhält. Da grundsätzlich auch die üblichen Prämien als „netto“ vereinbart werden, ist auch hier auf die ordnungsgemäße – ggf. monatlich divergierende – Abführung der Abgaben zu achten. Bisher nicht näher untersucht sind die sich hieran anschließenden Fragen, wem etwaige Steuerrückerstattungen zustehen und inwieweit die Spieler Auskunftspflichten treffen.

In anderen Branchen sind solche Nettoabreden nicht verbreitet und daher nur vereinzelt anzutreffen.“

DB: Der Fall Heinz Müller ist mittlerweile beim BAG anhängig. Die Sache soll dem Vernehmen nach Ende dieses Jahres nach verhandelt werden. Wie stehen Sie zum Thema Zulässigkeit von Befristungen im Profisport? Ist eine Revolution noch in Aussicht? Könnte die Sache auch wieder beim EuGH landen?

Dr. Christopher Wiencke: „Ich glaube nicht, dass es eine Revolution geben und Heinz Müller zum „zweiten Bosman“ werden wird; zumal das BAG bereits im Jahr 2013 konkludent die Zulässigkeit einer Befristung im Sport bejaht hatte. Unabhängig hiervon sind Befristungen meiner Meinung nach gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG wegen der Branchenüblichkeit und Besonderheiten des Sports (Stichwort: Befristung als Finanzierungsinstrument), mithin der Eigenart der Arbeitsleistung, zulässig. Zudem stelle man sich das praktische Ergebnis vor: Da eine Kündigung von Spielern regelmäßig unwirksam sein dürfte, würden perspektivisch erheblich überalterte Fußballer die Mannschaft bilden. Für Neuverpflichtungen bliebe weder Platz, noch Geld – es sei denn, die Vereine würden den Spielern durch hohe Abfindungen den Arbeitsplatz „abkaufen“, wie es seinerzeit auch nach Anhebung der Regelaltersgrenze im normalen Arbeitsrecht vorgekommen ist. All dies erscheint jedoch für den Sport und alle Beteiligten unvorstellbar.

Auch eine Vorlage zum EuGH halte ich für unwahrscheinlich. Zwar beruht das TzBfG u.a. auf der Befristungsrichtlinie, diese schließt jedoch eine Sachgrundbefristung im Sport nicht aus. Zudem ist, wie sich im Urlaubsrecht gezeigt hat, das BAG zurückhaltend, was entsprechende Vorlagen angeht.

In jedem Fall darf die Urteilsbegründung des BAG mit Spannung erwartet werden.“

 

Vielen Dank für das Interview, Herr Dr. Wiencke!

Das Interview führte Claus Dettki.


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