Der Versicherungsschutz bei Heimarbeit weist erhebliche Lücken vor, da die Rechtslage von 1971 den heutigen Entwicklungen des Berufslebens nicht mehr gerecht wird. Dies hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen in einem aktuellen Streitfall aufgezeigt.
Zugrunde lag der Fall einer Mutter, die für ihren Arbeitgeber von zu Hause per Teleworking arbeitete. Ende November 2013 erlitt sie einen Unfall, als sie mit dem Fahrrad auf Blitzeis wegrutschte und sich den Ellenbogen brach. Sie war dabei auf dem Rückweg vom Kindergarten ihrer Tochter zum häuslichen Telearbeitsplatz. Eltern, die ihr Kind auf dem Weg zur Arbeit in den Kindergarten bringen, sind grundsätzlich gesetzlich unfallversichert.
Privater Heimweg ins Homeoffice
Die Behandlung war kompliziert und kostete ca. 19.000 Euro. Die Krankenkasse verauslagte das Geld zunächst und forderte die Berufsgenossenschaft zur Erstattung auf. Diese hielt sich nicht für zuständig, da kein Arbeits- oder Wegeunfall vorliege. Das Bringen der Tochter zum Kindergarten sei kein Weg, um zur Arbeit zu gelangen. Es sei vielmehr ein privater Heimweg. Demgegenüber machte es nach Ansicht der Krankenkasse keinen Unterschied, ob man nach dem Kindergarten zum Arbeitgeber oder Telearbeitsplatz fahre.
Kein Versicherungsschutz am häuslichen Arbeitsplatz
Das LSG Niedersachsen-Bremen hat die Rechtsauffassung der Berufsgenossenschaft mit Urteil vom 26.09.2018 (L 16 U 26/16) bestätigt. Nach der Konzeption des Gesetzes sei schon immer der klassische Arbeitsweg versichert gewesen. Dies sei im Jahre 1971 um den Kindergartenumweg erweitert worden. Versicherungsschutz am häuslichen Arbeitsplatz habe jedoch zu keiner Zeit bestanden, da die von der Unfallversicherung abgedeckten typischen Verkehrsgefahren durch Heimarbeit gerade vermieden würden. Liegen Wohnung und Arbeitsstätte in demselben Gebäude, sei begrifflich ein Wegeunfall ausgeschlossen. Der Weg zum Kindergarten sei damit privat.
Rechtslage von 1971 nicht mehr zeitgemäß
Ob angesichts zunehmender Verlagerung von Bürotätigkeiten der Versicherungsschutz auch auf Wege zum Heimarbeitsplatz zu erweitern sei, könne allein der Gesetzgeber entscheiden. Durch die Gerichte lasse sich mit der Rechtslage von 1971 kein Ergebnis erzielen, das den heutigen Entwicklungen des Berufslebens gerecht werde.
Die Revision zum Bundessozialgericht wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
(LSG Niedersachsen-Bremen, PM vom 22.10.2018 / Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro)