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04.07.2023

Meldung, Wirtschaftsrecht

Anwälte müssen ihre Mandanten bei Vergleichsabschlüssen beraten

Durch anwaltliche Beratung müssen Mandanten in die Lage versetzt werden, eigenverantwortlich und sachgerecht über einen Vergleich zu entscheiden.

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Der BGH hat in einer Grundsatzentscheidung vom 20.04.2023 (IX ZR 209/21) strenge Anforderungen an die anwaltliche Beratungspflicht bei Vergleichen gestellt: Rechtsanwältinnen und -anwälte müssten ihre Mandantinnen und Mandanten grundsätzlich in die Lage versetzen, eine eigenverantwortliche und sachgerechte Entscheidung über den Abschluss eines Vergleichs zu treffen. Hierzu müssten sie über die Vor- und Nachteile des Vergleichs beraten. Die Beratungsbedürftigkeit entfalle erst dann, wenn der Mandant bzw. die Mandantin aus anderen Gründen über die Vor- und Nachteile des Vergleichs im Bilde ist; dies habe jedoch deren Rechtsbeistand darzulegen und zu beweisen.

Darum ging es im Streitfall

Ein ehemaliger Mandant nahm seinen Ex-Anwalt auf Schadensersatz in Anspruch. Er warf ihm vor, über die Folgen eines (Abfindungs-)Vergleichs nicht ordnungsgemäß beraten zu haben. In seinem Fall ging es um Feuchtigkeitsschäden nach Arbeiten an seinem Hausgrundstück. Bevor die Begutachtung in einem selbstständigen Beweisverfahren abgeschlossen war, schlossen er und der gegnerische Garten- und Landschaftsgärtner einen Vergleich über 55.000 Euro, womit alle wechselseitigen Ansprüche aus dem Vertrag abgegolten werden sollten. Später behauptete der Mandant, die tatsächlichen Mängelbeseitigungskosten betrügen das Vierfache der Vergleichssumme.

Er verklagte seinen Rechtsanwalt auf Schadensersatz in Höhe der Differenz, weil dieser ihn nicht über die Risiken des Vergleichsabschlusses beraten habe. Das LG Deggendorf wies die Klage ab, das OLG München wies die Berufung zurück. Die Abgeltungsklausel habe zu keiner besonderen Beratungspflicht geführt, schließlich sei Verbrauchern bekannt, was sie bedeute. Es hätten keine Prognoseschwierigkeiten bestanden, sondern der Sachverhalt und dessen künftige Entwicklung seien einfach im selbstständigen Beweisverfahren zu klären gewesen.

BGH: Anwaltliche Beratung war im konkreten Fall nicht entbehrlich

Vor dem BGH hatte der Kläger jetzt allerdings Erfolg, sodass die Sache ans Berufungsgericht zurückverwiesen wurde. Der Anwalt hätte seinen Mandanten über den Inhalt des Vergleichs, insbesondere im Hinblick auf die Abgeltungsklausel beraten müssen – hierzu habe das OLG aber keine Feststellungen getroffen und müsse dies nun nachholen. Ebenfalls müsse es prüfen, ob dem Kläger das aufgrund der Abgeltungsklausel des Vergleichs bestehende Risiko, einen ganz erheblichen Teil der Mängelbeseitigungskosten selbst zu tragen, tatsächlich bekannt war.

Auf eine besondere Beratungspflicht wegen der Abgeltungsklausel komme es – anders als die Vorinstanz meinte – nicht an. Bereits der Anwaltsvertrag verpflichte den Rechtsberater, seinen Mandanten über Vor- und Nachteile und damit auch über die rechtlichen Wirkungen des Vergleichs aufzuklären. Inhalt und Komplexität des Vergleichs sowie das Vorhandensein einer risikoreichen Abfindungsklausel beeinflussten lediglich Art und Umfang der Beratungspflichten.

Es treffe auch nicht zu, dass es vor Abschluss des Vergleichs keine Prognoseschwierigkeiten im Hinblick auf eine mangelhafte Leistung und mögliche Beschädigungen des Eigentums gegeben habe. Das hätte erst der Abschluss des Beweisverfahrens klären können. Die unklare Lage im Zusammenspiel mit der Abgeltungsklausel verpflichte den Anwalt, seinen Mandanten über bestehende konkrete Risiken aufzuklären.

Die Grundsätze der anwaltlichen Beratungspflicht bei Vergleichen

Der BGH nutzte diesen Fall, um eine Grundsatzentscheidung im Hinblick auf anwaltliche Beratungspflichten zu treffen. Dazu führte er im Wesentlichen aus:

Rechtsanwältinnen und -anwälte seien grundsätzlich zur allgemeinen, umfassenden und möglichst erschöpfenden Beratung über den sichersten und gefahrlosesten Weg verpflichtet. Ziel sei es, der Mandantschaft eigenverantwortliche, sachgerechte (Grund-)Entscheidungen („Weichenstellungen“) in seiner Rechtsangelegenheit zu ermöglichen. Zu den entscheidenden Weichenstellungen zähle die Frage, ob diese durch einen Vergleich beendet werden soll. Dazu bedürfe es in aller Regel einer anwaltlichen Beratung insbesondere über dessen Vor- und Nachteile. Diese Pflicht bestehe unabhängig vom vorgesehenen Inhalt des Vergleichs und unabhängig davon, ob ein Abfindungsvergleich geschlossen werde. Allerdings wachse der notwendige Beratungsaufwand mit der Komplexität des vorgesehenen Vergleichs und dessen (Abfindungs-)Folgen.

Dennoch sei nicht jeder Mandant bzw. jede Mandantin beratungsbedürftig. Die Pflicht entfalle, wenn er oder sie aus anderen Gründen über die erforderlichen Informationen verfüge und deshalb in der Lage sei, eine eigenverantwortliche und sachgerechte Entscheidung über den Vergleich zu treffen. Weil dies aber die Ausnahme und nicht die Regel sei, habe ein Anwalt bzw. eine Anwältin grundsätzlich von der Beratungsbedürftigkeit auszugehen. Dies gelte selbst gegenüber rechtlich vorgebildeten und wirtschaftlich erfahrenen Mandantinnen und Mandanten. Den Rechtsanwalt bzw. die -anwältin treffe daher auch im Regressprozess insoweit die Darlegungs- und Beweislast.


BRAK vom 04.07.2023 / Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro

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