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21.11.2025

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Propalästinensische Äußerungen rechtfertigen keine außerordentliche Kündigung eines Profifußballspielers

Vor fast genau zwei Jahren sorgte der Fall des Fußballers Anwar El Ghazi für breite Aufmerksamkeit, als dessen Verein, der Bundesligist 1. FSV Mainz 05, ihm nach propalästinensischen Instagram-Posts fristlos kündigte. Im Sommer 2024 erklärte das ArbG die seitens des Vereins ausgesprochenen Kündigungen für unwirksam. Das LAG tat es ihm nun gleich.

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RA/FAArbR Achim Braner
ist Partner bei der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Frankfurt/M.

Der Fall

Der Kläger Anwar El Ghazi ist Profifußballer aus den Niederlanden, wobei seine Eltern aus Marokko stammen. Zu Beginn der Saison 2023/24 wechselte er zur Beklagten, dem Fußball-Bundesligisten 1. FSV Mainz 05. Nach den Angriffen der Hamas auf Israel am 07.10.2023 veröffentlichte der Kläger ca. eine Woche später auf Instagram einen Beitrag mit der Aussage „From the river to the sea, Palestine will be free“. Nach einem sofortigen Einschreiten der Beklagten löschte der Kläger den Post jedoch nur wenige Minuten später wieder. Im Anschluss an den Vorfall wurde der Kläger zunächst vom Spielbetrieb freigestellt. Im Wege einer offiziellen Mitteilung bezeichnete die Beklagte den Beitrag El Ghazis als nicht mit ihren Werten vereinbar und forderte ihn öffentlich dazu auf, ebenfalls eine derartige Erklärung abzugeben. In einem neuerlichen Instagram-Beitrag schrieb der Kläger sodann u. a.: „I condemn the killing of all innocent civilians in Palestine and Israel“.

Die Beklagte mahnte den Kläger daraufhin ab, ließ ihn allerdings wieder in den Spielbetrieb zurückkehren. Laut ihr habe er sich von seinen ursprünglichen Aussagen distanziert und bedauere diese zudem. Erneut auf Instagram erklärte der Kläger daraufhin aber, dass er sich nicht von seinen Aussagen distanziere. Am 02.11.2023 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zwei Mal außerordentlich, einmal in Bezug auf seinen ursprünglichen Post, einmal wegen seiner letzten Aussage. Der nachfolgenden Kündigungsschutzklage des Klägers gab das ArbG Mainz statt: Zum einen sei die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt worden, zum anderen hätten die Äußerungen des Klägers im Lichte der Meinungsfreiheit keine arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflichten verletzt (ArbG Mainz vom 12.07.2024 – 10 Ca 1411/23).

Die Entscheidung

Das LAG Rheinland-Pfalz bestätigte die Unwirksamkeit der Kündigungen und wies die Berufung der Beklagten zurück (Urteil vom 12.11.2025 – 3 SLa 254/25). Zum Urteil liegt bisher nur eine Pressemitteilung vor; darin stellt das LAG jedoch heraus, dass die Beklagte sich zur Rechtfertigung der Kündigungen nicht auf das ursprüngliche Verhalten des Klägers berufen kann, da sie in Reaktion darauf zunächst von einer Kündigung abgesehen und stattdessen eine Abmahnung ausgesprochen habe. Der letzte Instagram-Post des Klägers vermöge die Kündigungen zudem ebenso wenig zu rechtfertigen, denn darin habe er den Angriff auf Israel weder gerechtfertigt noch unterstützt. Ebenso wenig habe er dem Staat Israel das Existenzrecht abgesprochen. Dies würde die gebotene Auslegung des Posts unter Berücksichtigung der Meinungsfreiheit des Klägers aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ergeben. Dem Kläger stehe, da die Kündigungen das Arbeitsverhältnis nicht beendet haben, im Übrigen auch der als Nebenantrag geltend gemachte Anspruch auf Fortzahlung seiner Vergütung einschließlich von vertraglichen Sonderzahlungen i.H.v. rund 1,5 Mio. € für die Saison 2023/24 zu. Die Revision wurde nicht zugelassen, die Vertreter der Beklagten zeigten nach der Entscheidungsverkündung nur zaghafte Anzeichen, Nichtzulassungsbeschwerde einlegen zu wollen. In einem ausgesetzten Parallelverfahren macht der Kläger noch Differenzen zu seinen Bezügen bei Cardiff City geltend, wohin er im Sommer 2024 wechselte, während sein Vertrag in Mainz noch bis Ende Juni 2025 gelaufen wäre. Hier geht es um weitere 1,2 Mio. €.

Einordnung

Das Urteil des LAG ergeht nicht nur zu einem in der Öffentlichkeit vielbeachteten Fall, es reflektiert vor allem die Zunahme an Fällen von politischen Äußerungen und Auseinandersetzungen am Arbeitsplatz und den Spannungen, die daraus erwachsen können – nicht nur zwischen Arbeitnehmern untereinander, sondern auch gegenüber dem Arbeitgeber. Gleichzeitig rechtfertigt nicht jede politische Aussage eines Arbeitnehmers gleich arbeitsrechtliche Sanktionen. Eine Kündigung ist grundsätzlich gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer sich strafbar gemacht hat – aber regelmäßig nur, wenn dies innerbetrieblich geschehen ist oder eine außerbetriebliche Tat im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis oder dem Arbeitgeber steht. Allein im öffentlichen Dienst besteht eine besondere Pflicht zur Verfassungstreue, die auch durch ein rein außerdienstliches Verhalten nicht infrage gestellt werden darf. Bei einer Haftstrafe kommt ferner eine personenbedingte Kündigung in Betracht.

Derweil rechtfertigen etwa selbst antisemitische Hetzkommentare in sozialen Medien eine Kündigung nicht ohne vorherige Abmahnung, solange sie „nur“ außerdienstlich geschehen (LAG Düsseldorf vom 08.10.2024 – 3 SLa 313/24). Maßgeblich sind derweil immer Inhalt und Ausmaß der Aussage. Die Bedeutung der Aussage „From the river to the sea, Palestine will be free” wird im Übrigen von den Gerichten unterschiedlich ausgelegt, wobei die Interpretationstendenz dahin zu gehen scheint, dass damit das Existenzrecht Israels an sich nicht infrage gestellt wird (so z.B. die Vorinstanz, vgl. ArbG Mainz vom 12.07.2024 – 10 Ca 1411/23; ebenso VG Münster vom 17.11.2023 – 1 L 1011/23). Selbst wenn man dies anders sieht, ist im Rahmen der bei jeder Kündigung notwendigen Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen, ob eine bestimmte Einsicht gezeigt wird oder Erklärung erfolgt – etwa wie im Fall El Ghazi.

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