I. Hintergrund
Forderungsabschreibungen zwischen Kapitalgesellschaften beschäftigen den Gesetzgeber seit längerem und veranlassten ihn zu mehrfacher Anpassung der einschlägigen Vorschriften. Hintergrund war, dass Kapitalgesellschaften den Verlust aus einer Eigenkapitalbeteiligung gem. § 8b Abs. 3 KStG steuerlich nicht geltend machen konnten. Um dieses Problem zu umschiffen, wurden oftmals (eigenkapitalersetzende) Darlehen genutzt, da Verluste aus dem Ausfall von Gesellschafterdarlehen steuerlich grundsätzlich abziehbar waren. Mit der Einführung von § 8b Abs. 3 Satz 4 ff. KStG wollte der Gesetzgeber diese „Lücke“ schließen. Danach gelten Gewinnminderungen im Zusammenhang mit einer Darlehensforderung als nicht abzugsfähig, wenn sie von einem zu mehr als 25 % beteiligten Gesellschafter gewährt werden. Der Anwendungsbereich wurde infolgedessen auf dem Gesellschafter nahestehende Personen erweitert.
Vor diesem Hintergrund hatte sich das FG Berlin-Brandenburg mit einigen interessanten Fragestellungen auseinanderzusetzen, die für das Unternehmenssteuerrecht – speziell bei mehrstufigen Beteiligungs- und Finanzierungsstrukturen – äußerst relevant sind.
II. Sachverhalt
Die Klägerin ist eine GmbH, deren Alleingesellschafter B ist. Zudem ist B an der C-GmbH zu 66 % beteiligt (Schwestergesellschaft). Beide GmbHs unterhielten bei derselben Sparkasse Kontoverbindungen. Ferner hat die Klägerin gegenüber der Sparkasse für einen begrenzten Betrag zugunsten der C-GmbH eine Bürgschaft abgegeben. Die eingeräumte Kreditlinie ihres Kontokorrentkontos bei der Sparkasse nahm die C-GmbH vollständig in Anspruch. Die Klägerin gewährte der C-GmbH später ein Darlehen zur Umschuldung der Kontokorrentlinie, welches sie unmittelbar bei derselben Sparkasse refinanzierte. Das Darlehen wurde durch zwei Forderungen der C-GmbH besichert. Die Klägerin und die C-GmbH schlossen im darauffolgenden Jahr eine Rangrücktrittsvereinbarung, da sich die C-GmbH in einer wirtschaftlich schwierigen Lage befand. Dadurch wurden die Forderungen der Klägerin objektiv (und zwischen den Parteien unstreitig) wertlos. Ebenso verzichtete sie auf ausstehende Zinszahlungen der C-GmbH und nahm im Wege der Einzelwertberichtigung eine Teilwertabschreibung der nicht mehr werthaltigen Forderungen einschließlich Zinsforderungen vor. Die Finanzverwaltung war der Auffassung, dass es sich bei den Einzelwertberichtigungen um eine steuerlich nicht zu berücksichtigende Gewinnminderung handele.
III. Wesentliche Entscheidungsgründe
Das FG vertritt die Auffassung, dass die durch die Teilwertabschreibung der Forderung entstandene Gewinnminderung grundsätzlich hinzuzurechnen sei und steuerlich somit nicht berücksichtigt werden könne. Die Darlehensausreichung zwischen Schwestergesellschaften sei vom Anwendungsbereich des § 8b Abs. 3 Sätze 4–5 KStG erfasst, da der Verweis zu § 1 Abs. 2 AStG natürliche Personen als Gesellschafter einschließe. Des Weiteren sei der Fremdvergleichsnachweis nicht geführt. Aufgrund der Bürgschaft trete durch die Refinanzierung wirtschaftlich betrachtet der Sicherungsfall ein, weshalb das FG davon überzeugt ist, dass ein fremder Dritter kein Darlehen gewährt hätte. Begründet ist die Klage lediglich dahingehend, dass das Abzugsverbot auf die Zinsforderung nicht anzuwenden sei.
1. Hinzurechnung der Teilwertabschreibung
Nach § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG sind Gewinnminderungen aus Darlehensforderungen hinzuzurechnen, wenn der Gesellschafter zu mehr als 25 % beteiligt ist. Dies gilt auch für dem Gesellschafter nahestehende Personen i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG. Die Klägerin sei eine dem Gesellschafter der C-GmbH nahestehende Person, da B alleiniger Gesellschafter der Klägerin war und zu mehr als 50 % an der C-GmbH beteiligt war. Das FG musste sich somit mit der Problematik auseinandersetzen, dass im Entscheidungsfall an beiden Gesellschaften eine natürliche Person und keine Kapitalgesellschaft beteiligt war. § 8b Abs. 3 Satz 5 KStG wurde eingeführt, um die Umgehung der Hinzurechnung durch Zwischenschaltung einer anderen Konzerngesellschaft zu vermeiden. Dies könne zwar bei natürlichen Personen mangels Eröffnung des Anwendungsbereichs des KStG nicht zutreffen, weil § 8 Abs. 3 Satz 4 KStG für eine natürliche Person nicht anwendbar sein kann, jedoch sei der Streitfall vom Wortlaut erfasst, da in § 1 Abs. 2 AStG ausdrücklich natürliche Personen genannt seien. Abzustellen sei somit lediglich auf eine Gewinnminderung bei einer Körperschaft, wie hier der Klägerin, die auf eine Darlehensbeziehung mit einer dem Gesellschafter nahestehenden Person zurückzuführen ist. Es könne nicht darauf ankommen, ob eine natürliche Person oder eine Körperschaft beherrschenden Einfluss ausübe. Daraus folgt im Ergebnis, dass der Verlust aus der Forderungsabschreibung steuerlich nicht geltend gemacht werden kann.
2. Kein Nachweis des Fremdvergleichs
Grundsätzlich entfällt das Abzugsverbot, wenn die Darlehensgewährung einem Fremdvergleich standhält. Es komme darauf an, ob auch ein fremder Dritter das Darlehen bei sonst gleichen Umständen gewährt oder noch nicht zurückgefordert hätte. Fremdüblichkeit setze eine Verzinsung, Besicherung und Rückforderung des Darlehens bei Eintritt einer Krise voraus, wofür das FG keinen überzeugenden Nachweis erkannte. Durch die Refinanzierung des Darlehens an die C-GmbH unmittelbar bei der gleichen Sparkasse trat wirtschaftlich betrachtet der Sicherungsfall ein. Es sei nicht ersichtlich, dass auch ein fremder Dritter so gehandelt hätte, denn es ging gerade nicht darum, der C-GmbH neue Liquidität zu verschaffen. Durch die Umschuldung erlangte lediglich die Sparkasse eine Besserstellung, da die Klägerin nun Schuldnerin statt Bürgschaftsverpflichtete war. Ebenso sei für fremde Dritte keine positive Geschäftsentwicklung erkennbar, da sich die C-GmbH bereits in einer wirtschaftlich schwierigen Lage befand. Da der Fremdvergleichsnachweis nach Auffassung des FG nicht gelang, blieb der Verlust aus der Forderungsabschreibung steuerlich nicht abziehbar.
3. Keine Anwendung des § 8b Abs 3 Satz 4 ff. KStG auf Zinsforderung
Überzeugend ist jedoch die Klarstellung des FG, dass die Gewinnminderungen aus der Abschreibung der Zinsforderungen nicht vom Abzugsverbot erfasst seien. Denn es gehe im Kontext des § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG um Darlehen, da diese an die Stelle von Eigenkapital treten können. Die Zinsforderung sei getrennt vom Darlehen zu betrachten. Für Zinserträge bestehe gerade keine Steuerfreiheit nach § 8b Abs. 2 KStG. Um in eine Nichtabziehbarkeit zu gelangen, müssten die Zinsen einer Darlehensgewährung wirtschaftlich vergleichbar sein. Somit bleibt die Abschreibung der Zinsforderung steuerlich wirksam.
IV. Fazit und Ausblick
In seiner Beurteilung der Zinsforderung liegt das FG Berlin-Brandenburg erfreulicherweise auf einer Linie mit der Literaturansicht, soweit es ausführt, dass Zinsforderung und Darlehen separat zu werten sind und der Verlust aus der Abschreibung einer Zinsforderung keiner Abzugsbeschränkung unterliegt. Es wäre systemwidrig und würde nicht dem Ziel des Gesetzgebers entsprechen, wenn der Verlust aus der Abschreibung der Zinsforderung nicht abziehbar wäre. Denn die Zinserträge waren zuvor steuerpflichtig und dienten nicht der Kapitalausstattung der Kapitalgesellschaft. Kritisch zu hinterfragen sind jedoch langfristig gestundete Zinszahlungen sowie lange ausstehende Zinsforderungen, da diese als Darlehensgewährung angesehen werden und somit dem Abzugsverbot unterliegen könnten.
Differenzierter zu betrachten ist die Ausdehnung des Anwendungsbereichs auf natürliche Personen. Der Grundfall des § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG spricht von einer Eigenkapitalbeteiligung einer Körperschaft, Satz 4 erweitert den sachlichen Anwendungsbereich auf Down-Stream Darlehen. Satz 5 ergänzt Satz 4 und bewirkt die Ausdehnung des persönlichen Anwendungsbereichs auf dem Darlehensgeber nahestehende Personen. Da es sich um eine Tatbestandserweiterung handelt, muss weiterhin der Grundtatbestand erfüllt werden. Im entschiedenen Fall ist dies aus zweierlei Hinsicht problematisch: Der Gesellschafter B ist eine natürliche Person und es handelt sich um ein Side-Stream Darlehen. Somit ergibt sich die Entscheidung des FG nicht zwingend aus dem Gesetzeswortlaut.
Ferner überzeugen die Ausführungen zum Fremdvergleich nicht. Das FG bleibt starr bei der Aussage, dass die Fremdüblichkeit eine Verzinsung und Besicherung des Darlehens voraussetzt. Es wäre sachgerechter, die Darlehenskonditionen in der Gesamtschau zu betrachten. Somit könnte ein höheres Ausfallrisiko durch einen höheren Zinssatz ausgeglichen werden und eine fehlende Besicherung wäre nicht zwangsläufig fremdunüblich. Der Fremdvergleichsmaßstab ist aber insgesamt praxisfern, denn in Krisen wird der Schaffung einer adäquaten Dokumentationslage nicht oberste Priorität beigemessen werden können. Genau dies wäre aber unabdingbar. Es ist daher unerlässlich, frühzeitig umfassend zu dokumentieren und beispielsweise Vergleichsangebote von Banken oder anderen fremden Dritten einzuholen, um eine Chance auf den Ausweg „Drittvergleich“ zu haben.
Dieser Fall zeigt deutlich, dass die Fragen der höchstrichterlichen Klärung bedürfen. Der BFH wird aufgrund der eingelegten Revision (Az. BFH: I R 11/24) Stellung beziehen müssen, weshalb die Entscheidung mit Spannung erwartet werden darf. In der Praxis sollten bestehende Gesellschafter- und Konzerndarlehen vor diesem Hintergrund kritisch überprüft werden, um in den momentan angespannten Zeiten nicht auch steuerlich eine Angriffsfläche zu bieten.