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07.05.2024

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Ablösung eines Nießbrauchs gegen Entgelt – steuerfrei oder steuerpflichtig?

Das FG Nürnberg hat sich mit Urteil vom 29.09.2023 (7 K 1029/21) mit der steuerlichen Behandlung der entgeltlichen Ablösung eines Nießbrauchs an GmbH-Geschäftsanteilen befasst.

Nachhaltigkeitsbericht: Die Herausforderung erfolgreich meistern

RA/StB Dr. Jan-Eckhard Wegener, LL.M.,
ist Counsel bei POELLATH in München

RA Maximilian Steger
ist Associate bei POELLATH in München

1.    Einordnung

Vorbehaltene Nießbrauchrechte stellen ein weit verbreitetes Gestaltungsmittel im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge dar. Sie ermöglichen eine Trennung der Vermögenssubstanz von den laufenden Einkünften und mindern den (steuerlichen) Wert der Schenkung einer Einkommensquelle. Speziell beim Nießbrauch an Geschäftsanteilen existieren jedoch zahlreiche ungeklärte Rechtsfragen. Während sich viele zivilrechtliche Unsicherheiten durch individualvertragliche Regelungen beseitigen lassen, verbleiben insbesondere steuerrechtliche Fragestellungen. Hierzu gehört die Einkünftezurechnung und damit verbunden die Frage, ob ein anderer als der wirtschaftliche Eigentümer des Geschäftsanteils – nämlich der Nießbraucher – Subjekt der Einkünfteerzielung sein kann.

Zudem kann nachträglich ein Bedürfnis entstehen, einen vorbehaltenen Nießbrauch zu beseitigen (z.B. um den Geschäftsanteil für eine Veräußerung „aufzuhübschen“). Während ein unentgeltlicher Verzicht auf den Nießbrauch eine schenkungsteuerpflichtige Zuwendung an den Gesellschafter darstellt, stellt sich bei einem entgeltlichen Verzicht die Frage der einkommensteuerlichen Behandlung der Ablösezahlung.

2.    Sachverhalt

FG Nürnberg, Urteil vom 29.09.2023 – 7 K 1029/21

Im Jahr 2012 übertrug die Klägerin Geschäftsanteile unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf ihren Sohn. Dabei behielt sie sich im Schenkungsvertrag den „Nießbrauch, insbesondere das Gewinnbezugsrecht“ vor. Das Stimmrecht verblieb hingegen allein beim Gesellschafter (sog. Ertragsnießbrauch). Daneben wurde ein Rückforderungsrecht für den Fall des Vorversterbens des Sohnes vereinbart. Zusätzlich wurde der Klägerin eine unwiderrufliche Stimmrechtsvollmacht für Gesellschafterversammlungen eingeräumt, von der sie tatsächlich aber nie Gebrauch machte. Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten über die Geschäftspolitik zwischen den Gesellschaftern veräußerte der Sohn die Geschäftsanteile im Jahr 2018 an seine Mitgesellschafter (fremde Dritte). Im Zuge dessen wurde der zugunsten der Klägerin bestehende Vorbehaltsnießbrauch aufgehoben, wofür die Klägerin eine wertentsprechende Ablöse erhielt.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Ablösezahlung stelle eine nicht steuerbare Vermögensumschichtung auf privater Ebene dar. Allenfalls sei die Ablösezahlung als Entschädigung für entgehende Einnahmen (§ 24 Nr. 1 lit. a) i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) zu versteuern. Das beklagte Finanzamt qualifiziert die Ablösung hingegen als nachträgliche Anteilsveräußerung und damit als gewerbliche Einkünfte der Klägerin (§ 24 Nr. 2 i.V.m. § 17 EStG).

3.    Entscheidung des FG Nürnberg

Nach Ansicht des FG handelt es sich weder um eine steuerfreie Umschichtung des Privatvermögens noch um gewerbliche Einkünfte. Vielmehr sei die erhaltene Ablösezahlung als Entschädigung für entgehende Einnahmen steuerpflichtig (§ 24 Nr. 1 lit. a) i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG).

a)    Entschädigung für entgehende Einnahmen

Ausgangspunkt ist, dass der Klägerin als Nießbraucherin nach Ansicht des FG die auf die belasteten Geschäftsanteile entfallenden laufenden Dividendeneinkünfte zuzurechnen sind. Sie gilt damit für die Zwecke des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG als Anteilseignerin (§ 20 Abs. 5 S. 3 EStG). Zur Begründung zieht das FG die eingeräumte Stimmrechtsvollmacht heran, welche eine Dispositionsbefugnis über die Einkunftsquelle gewähre. Aus diesem Grund gehe ihre Rechtsposition über das bloße Empfangen der Dividendeneinkünfte hinaus.

Infolge der Aufhebung des Nießbrauchs entgehen der Klägerin diese Einkünfte zukünftig, was durch die Ablösezahlung i.S.d. § 24 Nr. 1 lit. a) EStG entschädigt werde. Denn mit der Vereinbarung zu Aufhebung und Ablösung des Nießbrauchs liege eine neue Rechtsgrundlage vor, wie es der Entschädigungsbegriff erfordere. Mangels künftiger Leistungsverpflichtungen des Ablösenden sei insbesondere nicht von einem bloßen Anschlussvertrag an die Einräumung des Nießbrauchs auszugehen. Diesem Ergebnis stünde auch nicht entgegen, dass die Klägerin der Aufhebung des Nießbrauchs zugestimmt hat. Denn für den Entschädigungsbegriff genüge es, wenn der Entschädigte in einer Konfliktsituation zur Vermeidung von Streitigkeiten handelt. Dies sei angesichts der zunehmenden Meinungsverschiedenheiten unter den Gesellschaftern der Fall gewesen.

b)    Keine gewerblichen Einkünfte

Der Ansicht der Finanzverwaltung erteilt das FG eine Absage. Es handelt sich nicht um nachträgliche gewerbliche Veräußerungseinkünfte der Klägerin (§ 24 Nr. 2 i.V.m. § 17 EStG). Denn sowohl das rechtliche als auch das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen sei bereits 2012 auf den Sohn übergegangen. Insbesondere stünden Rückforderungsrecht und Stimmrechtsvollmacht dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums nicht entgegen. Denn das Rückforderungsrecht sei auf den Vorversterbensfall und damit auf eine außergewöhnliche Entwicklung beschränkt. Die Stimmrechtsvollmacht habe keine verdrängende Wirkung (zudem wurde sie nie benutzt). Aufgrund dessen habe die Nießbraucherin ihren Sohn nicht von der Nutzung der Rechtsinhaberschaft ausschließen können. Im Übrigen partizipiere der Sohn trotz des vorbehaltenen Gewinnbezugsrechts aufgrund seiner verbleibenden Beteiligung am Liquidationserlös an der Wertentwicklung der Geschäftsanteile. Das Auseinanderfallen des wirtschaftlichen Eigentums an den Anteilen und der Zurechnung der Kapitalerträge aus den Anteilen stelle keinen Widerspruch dar. Denn der Kapitalertrag sei ein insoweit selbstständiger und vom (wirtschaftlichen) Eigentum ablösbarer Teil des Geschäftsanteils.

Im Ergebnis konnte aufgrund des 2012 auf den Sohn übergegangenen wirtschaftlichen Eigentums im Jahr 2018 keine Veräußerung mehr durch die Klägerin erfolgen. Zudem sei die Anteilsübertragung im Jahr 2012 unentgeltlich erfolgt, sodass auch insofern keine Veräußerung vorliegen könne. Die spätere entgeltliche Ablösung des Nießbrauchs könne schließlich auch nicht als Entgelt für die Übertragung im Jahr 2012 betrachtet werden, da die Ablösung unstreitig auf einer neuen Entwicklung beruhe.

4.    Anmerkungen und Ausblick

Das Urteil bestätigt bestehende Grundsätze und gibt dennoch Anlass zur Diskussion.

a)    Unentgeltlichkeit und wirtschaftliches Eigentum

Zu begrüßen ist die – wiederholte – Bestätigung, dass ein Ertragsnießbrauch weder aus schenkungsteuerlicher noch aus ertragsteuerlicher Perspektive als Gegenleistung qualifiziert. Gleiches gilt für die Beurteilung des wirtschaftlichen Eigentums. Überzeugend und in Linie mit der bisherigen Rechtsprechung hält das FG für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums weder den Nießbrauch noch die Stimmrechtsvollmacht oder das Rückforderungsrecht für schädlich. Richtigerweise dürften Rückforderungsrechte nur dann schädlich sein, wenn sie frei ausübbar sind bzw. der Widerrufsgrund durch den Schenker einseitig herbeiführbar ist. Stimmrechtsvollmachten können – wie zutreffend ausgeführt – mangels verdrängender Wirkung keinen Einfluss auf das wirtschaftliche Eigentum haben. Ein Nießbrauchvorbehalt hindert den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums nicht. Das gilt ohne Zweifel für den gegenständlichen Fall eines Ertragsnießbrauchs.

b)    Trennung von wirtschaftlichem Eigentum und Einkünftezurechnung

Interessant und mutig sind die Selbstverständlichkeit und Klarheit, mit der das FG die laufenden Einkünfte dem Nießbraucher zurechnet, obwohl es gleichzeitig ausdrücklich das wirtschaftliche Eigentum beim zivilrechtlichen Anteilseigner sieht (soweit ersichtlich ein Novum). Eine solche Trennung scheint im Hinblick auf § 20 Abs. 5 Satz 3 EStG vertretbar und führt in vielen Fällen – so auch im vorliegenden – zu interessengerechten Ergebnissen und einer Besteuerung „an der richtigen Stelle“. Zwingend ist diese Abkopplung der Einkünftezurechnung von der wirtschaftlichen Eigentümerstellung keinesfalls. Eine tiefere dogmatische Auseinandersetzung mit dieser Thematik lässt das Urteil vermissen. Vor allem stellt sich die Folgefrage, welche Kriterien für eine abweichende Einkünftezurechnung maßgeblich sein sollen. Die vom FG zur Begründung herangezogene Vollmacht kann mangels ihrer verdrängenden Wirkung allein jedenfalls nicht ausreichend sein. So hat bereits der BFH in der Vergangenheit für die Einkünftezurechnung ausdrücklich eine Ausübbarkeit und im Konfliktfall effektive Durchsetzbarkeit von Stimmrechten verlangt – widersprüchlicherweise aber beispielhaft die Stimmrechtsvollmacht genannt (BFH, Urteil vom 14.02.2022 – VIII R 30/18).

Aufgrund der eingelegten Revision (IX R 5/24) wird der BFH Gelegenheit haben, seine Ausführungen zu konkretisieren. Mit Spannung bleibt insbesondere abzuwarten, ob der BFH die grundsätzliche Möglichkeit der Trennung von Einkünftezurechnung und wirtschaftlicher Eigentümerstellung am Geschäftsanteil bestätigt oder insoweit einen Einheitlichkeitsgrundsatz aufstellt.

c)    Entschädigung für entgehende Einnahmen

Die Subsumtion der Ablösezahlung als Entschädigung für entgehende Einnahmen scheint überwiegend fiskalisch motiviert und ergebnisorientiert. Es ist nicht ersichtlich, in welcher Weise die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gesellschaftern auch die Nießbraucherin in eine Konfliktlage gebracht haben sollen. Insbesondere hätten die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gesellschaftern auch durch eine Veräußerung der Geschäftsanteile unter Beibehaltung des Nießbrauchs beseitigt werden können. Denn der Nießbrauch beinhaltete gerade keine (streitanfällige) Stimmrechtsbefugnis. Selbstverständlich wäre der Nießbrauch entsprechend kaufpreismindernd zu berücksichtigen gewesen. Zudem ist fraglich, ob das Risiko zukünftig niedrigerer Erträge angesichts von Gesellschafterstreitigkeiten überhaupt eine außergewöhnliche Konflikt- bzw. Zwangslage aus Sicht der Nießbraucherin begründen kann. Denn dieses Risiko ist einer Übertragung unter Nießbrauchvorbehalt – anders als bei Übertragungen gegen Versorgungsleistungen – gerade immanent. Der BFH wird insoweit Gelegenheit haben, die Anforderungen an die außergewöhnliche Konflikt- bzw. Zwangslage in diesem Zusammenhang weiter zu schärfen. Sollte der BFH der Argumentation des FG folgen, bleibt die Frage, ob die entgeltliche Ablösung im Umkehrschluss steuerfrei ist, wenn es an einer Konfliktlage fehlt und die Ablösung daher auf einem von äußeren Entwicklungen unbeeinflussten neuen Entschluss des Nießbrauchers beruht – für die Praxis sicherlich die relevantere Fragestellung.

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