DB: Herr Thönißen, die „Homeoffice-Pflicht“ ist ja nun nicht neu. Gilt genau das gleiche wie im Frühjahr dieses Jahres? Was bedeutet das jetzt für Arbeitgeber?
Thönißen: Ja, es gilt das gleiche. Die „neue“ Homeoffice Vorschrift ist wortgleich mit den Regelungen, die wir aus der Corona-Arbeitsschutzverordnung und zuletzt dem Infektionsschutzgesetz kennen. Unternehmen müssen also Homeoffice anbieten, wenn keine zwingenden betrieblichen Gründe entgegenstehen. Mitarbeiter haben das Angebot anzunehmen, wenn es ihnen möglich ist.
DB: Welche Gründe können für Unternehmen dagegen sprechen?
Thönißen: Für Arbeitgeber sprechen zwingende Gründe dagegen, wenn insbesondere die Art der Tätigkeit (z.B. Produktion, Kommissionierung, Haustechnik, Notdienste oder zwingender Kundenkontakt) kein Homeoffice zulässt. Allerdings auch, wenn dies aus Gründen des Betriebsdatenschutzes oder Geheimnisschutzes nicht geht. Fehlende IT-Ausstattung oder notwendige Änderungen der Arbeitsorganisation stehen dem nur vorübergehend entgegen, nämlich bis zur Beseitigung dieser Umstände. Auf behördliches Verlangen müssen Unternehmen diese zwingenden betrieblichen Gründe darlegen.
DB: Welche Gründe können für Mitarbeiter dagegen sprechen?
Thönißen: Die Gesetzesbegründung spricht von räumlicher Enge, Störungen durch Dritte oder unzureichende Ausstattung. Dabei reicht eine formlose Mitteilung des Mitarbeiters. Am Ende heißt es: die Unternehmen (insbesondere die Führungskräfte) sind wieder in der Verantwortung, durch eine gute Führungskultur und Steuerung einzelner Teams und Abteilungen die „Homeoffice Pflicht“ des Gesetzgebers umzusetzen.
DB: Zudem soll die 3G-Pflicht am Arbeitsplatz eingeführt werden. Was bedeutet das konkret? Wer muss sich wann testen und wer zahlt dies?
Thönißen: Jeder Mitarbeiter muss bei Betreten des Betriebs geimpft, genesen oder getestet sein und einen Nachweis dabei haben. Ein Schnelltest darf maximal 24 Stunden alt sein, ein PCR-Test 48 Stunden. Die Schnelltests müssen unter Aufsicht erfolgen. Also entweder ein Bürgertest oder unter Aufsicht im Betrieb; für den Test darf das Betriebsgelände betreten werden. Die Verantwortung für den Nachweis liegt beim Mitarbeiter. Der Mitarbeiter muss sich also auf eigene Kosten testen lassen. Letztlich verlässt sich die Politik hier darauf, dass die Unternehmen es schon richten werden…
DB: Die Bürgertests sind aber doch aktuell wieder kostenfrei oder was meinen Sie?
Thönißen: Nun ja, nach §§ 4a, 5 der Coronavirus-Testverordnung haben asymptomatische Personen im Rahmen der Verfügbarkeit von Testkapazitäten mindestens einmal pro Woche Anspruch auf einen kostenlosen Test. Gerade bei großen Betrieben auf der grünen Wiese wird das spannend, es sei denn, die Impfquote ist sehr hoch. Unternehmen sollten selbst das Heft des Handelns in die Hand nehmen und Teststraßen einrichten. Wo es möglich ist, kann man den Arbeitsbeginn der Mitarbeiter entzerren. Also z.B. bestehende Systeme zur flexiblen Arbeitszeit nutzen. Auch hier sind wieder die Führungskräfte gefragt. Außerdem müssen Arbeitgeber weiterhin zwei kostenlose Tests pro Woche anbieten. Diese könnten unter Aufsicht im Betrieb angeboten werden, da ein Selbsttest ja nicht reicht. Es ist wie beim Homeoffice: die Verantwortung liegt letztlich bei den Unternehmen.
DB: Also kann der Arbeitgeber nun doch den Impfstatus der Arbeitnehmer erfragen? Wie sollte der Prozess hier aussehen?
Thönißen: Arbeitgeber müssen die 3G-Regel kontrollieren und dürfen Daten hierzu bis zu 6 Monate speichern. Die Abfrage nach dem Impfstatus ist also unumgänglich. Natürlich steht es jedem Mitarbeiter frei, seinen Impfstatus nicht offenzulegen und sich testen zu lassen. Die Kontrolle selbst kann über die verfügbaren Apps erfolgen. Der Vorteil ist dann, dass Unternehmen den Nachweis bei Geimpften und Genesenen – jedenfalls für sechs Monate – nur einmal abfragen müssen und das dokumentieren können. Natürlich sollte hier auf den Ablauf des Zertifikats geachtet werden.
DB: Wie soll die Einhaltung der Homeoffice-Pflicht und 3G-Regeln überprüft werden? Welche Strafen sind hier zu befürchten?
Thönißen: Die Verantwortung der Kontrolle liegt ausschließlich bei den Unternehmen. Denn wegen der großen Anzahl der Betriebe reichen die Kapazitäten der zuständigen Behörden nicht aus. Insoweit ist nicht mit einer großen behördlichen Kontrollwelle zu rechnen. Für die Nichtbeachtung der 3G-Regeln drohen Bußgelder bis zu 25.000 €. Beim Homeoffice ist kein Bußgeld vorgesehen.
DB: Wie beurteilen Sie den Aufwand, der nun auf Arbeitgeber zukommt?
Thönißen: Zur Kontrolle und zum Nachweis der 3G-Regel ist der Aufwand für Arbeitgeber mit großer Zahl an ungeimpften Mitarbeitern sehr hoch. Vermutlich gilt dasselbe für die Beschaffung der Tests: denn letztlich werden sich Unternehmen selbst um das Testen kümmern müssen, wenn der Betriebsablauf nicht gefährdet werden soll. Außerdem wird es sinnvoll sein, das Angebot zur Impfung durch die Betriebsärzte wieder zu forcieren. Letztlich hofft die Politik in Sachen Impfung doch darauf, dass die Unternehmen es richten werden.
DB: Wie meinen Sie das mit der Impfung?
Thönißen: Der Politik fehlt es an Entschlossenheit. Da der politische Wille zur Einführung einer allgemeinen Impflicht fehlt, setzt man auf die mittelbare Einwirkung wie zum Beispiel 3G am Arbeitsplatz. Die Politik selbst möchte nicht handeln, hofft aber nun darauf, dass die Maßnahmen zu einer höheren Impfquote führt. Mit Blick auf 3G am Arbeitsplatz tragen die Unternehmen dafür die Kosten.
DB: Ganz persönlich gefragt: Wären Sie für eine Impflicht?
Thönißen: Meine persönliche Meinung: Ja.
DB: Ab wann und wie lange werden die Regelungen gelten?
Thönißen: Das Gesetz tritt mit dem Tag der Verkündung in Kraft. Der Bundesrat hat heute zugestimmt. Die Verkündung wird wohl sehr kurzfristig erfolgen. Das Gesetz gilt bis 19.03.2022 und kann vorbehaltlich einer Zustimmung des Bundestages einmalig bis zu 3 Monate verlängert werden.
Vielen Dank für das Interview!
Das Interview führte Claus Dettki, DER BETRIEB.