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19.05.2017

Interview

Gesetz gegen Lizenz-Steuerschlupflöcher: Wirksame Waffe oder Papiertiger?

Beitrag mit Bild

Der Betrieb

Das Bundeskabinett hat ein Gesetz verabschiedet, welches steuerliche Abzugsmöglichkeiten für Lizenzaufwendungen einschränkt. Welche Auswirkungen das Gesetz auf multinationale Konzerne hat, die Lizenzen, Patente und Co. im Ausland angemeldet haben und ob dadurch eine Gewinnverlagerung der Unternehmen unterbunden werden kann, erläutert Steuerberater und Partner bei CMS in Deutschland Tobias Schneider.

DER BETRIEB: Herr Schneider,  immaterielle Wirtschaftsgüter wie Patente, Lizenzen oder Markenrechte lassen sich einfach auf andere Rechtsträger bzw. über Staatsgrenzen hinweg übertragen – mit dem Ziel, Steuern zu sparen. Wie funktioniert so eine Übertragung in der Praxis?

Tobias Schneider: „Patente, Lizenzen oder Markenrechte sind auf Grund ihres immateriellen Charakters hoch mobil und können zivilrechtlich ohne größeren Aufwand über Staatsgrenzen hinweg auf andere Konzerngesellschaften übertragen werden. Spätestens hier endet dann allerdings das „einfach“. Steuerrechtlich gestaltet sich die Situation deutlich komplizierter. Durch steuerliche „Entstrickungstatbestände“, dem generellen Fremdvergleichsgrundsatz und durch die Vorschriften zur Funktionsverlagerung kennt das deutsche Steuerrecht verschiedene Möglichkeiten, eine solche Verlagerung mit einer sogenannten Exit-Besteuerung zu belegen, so dass die zivilrechtlich „einfache“ Übertragung steuerlich eher teuer werden kann. Es ist bereits auf Basis der bestehenden Regelungen nicht wirklich „einfach“, ein bereits bestehendes immaterielles Wirtschaftsgut in das regelmäßig niedriger besteuernde Ausland zu akzeptablen Steuerkosten zu übertragen. Vielmehr bedarf es einer individuellen Steuerplanung und einer Abwägung der Steuerkosten und Steuerrisiken mit den zukünftigen – erhofften – Steuerersparnissen.“

DER BETRIEB: Welche Auswirkungen hat das Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen auf multinationale Konzerne, die Lizenzen, Patente und Co. im Ausland angemeldet haben?

Tobias Schneider: „In Zukunft, also ab 2017, sollen Lizenzzahlungen in Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen nicht mehr vollständig als Betriebsausgabe vom steuerlichen Einkommen abgezogen werden können. Das wird insbesondere dann der Fall sein, wenn Lizenzzahlungen an andere Gesellschaften desselben Konzerns geleistet werden. Ferner müssen diese Einnahmen jedoch bei der Vergütungsgläubigerin einer präferierten Besteuerung unterliegen. Dies ist dann der Fall, wenn die Steuerbelastung unter 25 Prozent beträgt und im Vergleich zum Regelsteuersatz geringer ausfällt. Man spricht insoweit von den sogenannten Lizenz-Boxen, welche mittlerweile viele Staaten in ihren Steuergesetzen vorsehen. Liegen diese Voraussetzungen für die Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs vor, so wird der Abzug des Aufwands für steuerliche Zwecke in Deutschland im selben Maße beschränkt werden, wie die Besteuerung im Ausland unter 25 Prozent liegt. Besteht im Ausland beispielsweise eine Besteuerung von lediglich 10 Prozent – das heißt zwei Fünftel der geforderten 25 Prozent – , könnten die Aufwendungen entsprechend auch nur noch zu zwei Fünfteln – also zu 40 Prozent – zum Abzug gebracht werden. Bei vollständiger Steuerfreistellung der Lizenzeinkünfte im Ausland soll der Betriebsausgabenabzug in Deutschland vollständig versagt bleiben.

Die Lizenzschranke greift jedoch nicht, wenn die ausländische Lizenzbox dem sogenannten Nexus-Ansatz der OECD entspricht. Sehr vereinfacht gesagt sollen damit „böse“ und „gute“ Lizenzboxen unterschieden werden. Wiederum sehr vereinfacht formuliert: Steht hinter dem ausländischen Wirtschaftsgut auch Substanz im ausländischen Staat, kommt es nicht zum Abzugsverbot.

Im ersten Schritt werden demzufolge Unternehmen ab 2017 möglicherweise ein teilweises Abzugsverbot hinnehmen müssen. Jedoch ist das sicherlich nicht das Ende der Entwicklung.“

DER BETRIEB: Wieso nicht?

Tobias Schneider: „Ein Problem, welches der Gesetzgeber meines Erachtens nicht hinreichend bedacht hat, ist, dass der Nexus-Ansatz dazu führen kann, dass nun im Ausland zusätzlich zum immateriellen Wirtschaftsgut auch die „Substanz“ – zum Beispiel die Forschungsabteilung – geschaffen wird, um dem Abzugsverbot zu entgehen. Dies ist jedenfalls mittelfristig in Verbindung mit dem Commitment vieler Staaten ihre Lizenzboxen an den Nexus-Ansatz anzupassen, eine –aus deutscher Sicht- zu befürchtende Entwicklung, welche über das rein steuerliche hinausgeht.“

DER BETRIEB: Kann durch das neue Gesetz wirksam eine Gewinnverlagerung der Unternehmen unterbunden werden?

Tobias Schneider: „Das Gesetz ist in dem größeren Kontext der BEPS-Diskussion und der BEPS-Maßnahmen zu sehen. Es bildet daher einen weiteren „Baustein“ im „Baukasten“ des Gesetzgebers um Gewinnverlagerungen zu verhindern. Allerdings ist wie bereits angedeutet zu befürchten, dass dieses Gesetz innovationsfeindlich für Deutschland ist und politisch gänzlich unerwünschte Strukturierungsüberlungen zumindest mittelfristig auslösen könnte. Der beabsichtigten wirksamen Unterbindung der Gewinnverlagerung könnte als Gegenreaktion die Verlagerung oder der Aufbau von Forschungs- und Entwicklungsressourcen im Ausland folgen. Der Fiskus erwartet von dem Gesetz offenbar Mehreinnahmen bis zum Jahr 2021 von 100 Millionen Euro Wenn das Gesetz am Ende Arbeitsplätze in Deutschland kostet, könnte es aber letztendlich zu einer Mindereinnahme kommen.“

DER BETRIEB: Was müssen betroffene Unternehmen nun beachten, wie sollen sie künftig agieren?

Tobias Schneider: „Im ersten Schritt ist zu prüfen, ob und wie sich die Lizenzschranke auf Basis der aktuellen Verhältnisse auswirken wird. Hier ist schlicht „Rechnen“ die Ansage. Aus der Lizenzschranke wird sich in vielen Fällen kein unmittelbarer Handlungsbedarf ergeben. Zudem ist auch ins Kalkül zu ziehen, ob etwaige, für erforderlich gehaltene reaktive Maßnahmen nicht auch erneut Steuerkosten auslösen würden. Für die mittelfristigen und strategischen Entscheidungen sind die Dinge vielschichtig. Zum Beispiel gilt es zu berücksichtigen, dass die OECD auch den sogenannten „DEMPE“-Ansatz im Hinblick auf die Angemessenheit für Verrechnungspreise für immaterielle Wirtschaftsgüter verfolgt. Folgt man dieser Empfehlungen der OECD für Verrechnungspreise bei immateriellen Wirtschaftsgütern, so werden zukünftig Erträge zum Beispiel aus der Verwertung von Patenten nicht weiter nur dem Eigentümer zugerechnet. Nach dem sogenannten DEMPE-Konzept soll die Zurechnung der Erträge nach den individuellen Wertschöpfungsbeiträgen der einzelnen Konzerngesellschaften, die eine der DEMPE-Funktionen wahrnehmen (Entwicklung, Verbesserung Erhaltung, Schutz und Verwertung), erfolgen. Mit diesem Ansatz ergeben sich noch viele weitere Fragen im Hinblick auf die Bemessung bzw. Versteuerung von Lizenzzahlungen – es bleibt spannend.

Herr Schneider – vielen Dank für das interessante Interview.

 

Das Interview führte Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro.


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