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03.04.2019

Interview

Anzeigepflicht für Steuergestaltungen: Die Uhr tickt

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Der Betrieb

Die EU-Richtlinie für die Meldepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen muss bis Ende 2019 vom deutschen Gesetzgeber in nationales Recht umgesetzt werden. Obwohl die neuen Meldepflichten erst ab Juli 2020 gelten, besteht bereits jetzt dringender Handlungsbedarf, warnt Dr. Gabriele Rautenstrauch, Spezialistin für Konzernsteuerecht und internationales Steuerrecht bei WTS. Denn die Meldungen müssen rückwirkend alle relevanten Steuergestaltungen abgegeben werden.

DB: Für grenzüberschreitende Gestaltungen sollen künftig der sogenannte „Intermediär“, also der Steuerberater, Rechtsanwalt oder Wirtschaftsprüfer, sowie der Steuerpflichtige selbst die geplante Steuergestaltung anzeigen. Sind grundsätzlich alle grenzüberschreitenden Steuergestaltungen meldepflichtig?

Rautenstrauch: „Auf Basis der EU Richtlinie (EU) 2018/822, der so genannten DAC 6, sind nur solche grenzüberschreitenden Steuergestaltungen anzeigepflichtig, die bestimmte Kennzeichen und teilweise zusätzlich auch den so genannten ‚Main Benefit Test‘ erfüllen. Solche Kennzeichen liegen z. B. vor, wenn eine erfolgsabhängige Honorarvergütung vereinbart ist oder die Auftragsvereinbarung eine Vertraulichkeitsklausel enthält. Wesentlich weitgehender sind jedoch Kennzeichen, bei denen eine Meldepflicht bereits dann vorliegt, wenn eine standardisierte Dokumentation oder Struktur gegeben ist. Dies könnte schon bei der Verwendung von konzernintern standardisierten Darlehens- oder Lizenzverträgen der Fall sein. Auch die Implementierung einer konzerninternen Finanzierungsgesellschaft kann wohl unter das Kennzeichen einer standardisierten Struktur fallen. Werden steuerpflichtige in steuerfreie Einkünfte ‚umgewandelt‘, führt dies bei Erfüllung des Main Benefit Tests ebenfalls zu einer Meldepflicht. Wird zum Beispiel eine Forderung in das Eigenkapital einer Tochtergesellschaft eingelegt und damit steuerpflichtige Zinserträge in steuerfreie Dividenden ‚umgewandelt‘, soll die Meldepflicht ebenfalls ausgelöst werden. Man sieht schon an diesen Beispielen, wie weitgehend die Kennzeichen formuliert sind und dass diese vollkommen übliche Transaktionen umfassen, bei denen es sich keinesfalls um eine aggressive Steuergestaltung handelt. Für die Erfüllung des Main Benefit Tests reicht es aus, wenn ein Hauptvorteil der Steuergestaltung ein Steuervorteil ist.

Zu beachten ist übrigens, dass in Deutschland bisher noch kein Gesetzentwurf zur Umsetzung von DAC 6 offiziell veröffentlicht ist – es ist lediglich eine noch nicht final abgestimmte Version aus dem BMF im Umlauf. Dieser Entwurf enthält – über die Anforderungen der EU-Richtlinie hinaus – auch eine Pflicht zur Anzeige von rein nationalen Gestaltungen.“

DB: Betrifft diese Meldepflicht denn alle Steuerarten?

Rautenstrauch: „Die wesentlichen Steuerarten sind alle umfasst, von der Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer über die Erbschaft- und Schenkungsteuer bis zur Grunderwerbsteuer. Lediglich EU-weit harmonisierte Steuern wie die Umsatzsteuer sind von der Meldepflicht ausgenommen.“

DB: Wie genau soll die Anzeige überhaupt aussehen, um die Meldepflicht ordnungsgemäß zu erfüllen?

Rautenstrauch: „Sobald ein Intermediär, also z. B. ein Steuerberater, in eine Steuergestaltung involviert ist, hat primär dieser die Steuergestaltung an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zu melden. Aufgrund seiner Verschwiegenheitspflicht erfolgt diese Anzeige jedoch ohne Nennung des Steuerpflichtigen. Der Berater muss die vom BZSt der Steuergestaltung zugeteilte Registriernummer dann dem Steuerpflichtigen zusammen mit der Information, dass die Meldepflicht auf diesen übergeht, mitteilen und ihm alle relevanten Informationen für die Meldung zukommen lassen. Die auf den Steuerpflichtigen bezogenen Informationen zur Steuergestaltung, wie z. B. die betroffenen Unternehmen und der steuerliche Wert der Gestaltung, sind sodann durch den Steuerpflichtigen selbst an das BZSt zu melden. Daneben besteht eine originäre Mitteilungspflicht der Unternehmen für so genannte Inhouse-Gestaltungen, also für Gestaltungen, die  ohne Einbeziehung von Intermediären in Unternehmen selbst entwickelt werden.“

DB: Was bedeutet das in der Praxis?  Wie können sich Unternehmen bereits heute organisatorisch aufstellen?

Rautenstrauch: „Insbesondere für Inhouse-Gestaltungen muss unternehmensintern ein Prozess aufgesetzt werden, damit meldepflichtige Steuergestaltungen rechtzeitig erkannt werden –  schließlich müssen solche Gestaltungen innerhalb von 30 Tagen nach dem ersten Schritt der Umsetzung gemeldet werden. Dieser Prozess ist so schnell wie möglich aufzusetzen, da bereits heute Gestaltungen für eine künftige Meldepflicht dokumentiert werden müssen: Seit dem 25.06.2018 implementierte Gestaltungen müssen mit Inkrafttreten des Gesetzes zum 01.07.2020 nachträglich gemeldet werden. Zudem ist die Entwicklung in den anderen EU-Staaten im Auge zu behalten. In Polen ist das Gesetz zur Umsetzung von DAC 6 bereits seit dem 01.01.2019 in Kraft mit zum Teil weitergehenden Kennzeichen als in der Richtlinie, einer Anzeigepflicht auch für nationale Steuergestaltungen und mit Bußgeldern von bis zu 5 Mio. Euro, welche zudem die Mitglieder der Geschäftsleitung persönlich treffen können.“

DB: Welche Sanktionen drohen hierzulande, wenn man der Meldepflicht nicht oder nicht richtig nachkommt?

Rautenstrauch: „Der Entwurf des BMF sieht hier ein Bußgeld bis zu 25.000 Euro vor. Wird dieses Bußgeld auf jede nicht gemeldete Steuergestaltung angewendet, können hier auch schmerzhafte Summen zusammen kommen. Und wie schon gesagt, in anderen Ländern können diese Bußgelder eine ganz andere Höhe einnehmen – und bei einer grenzüberschreitenden Gestaltung besteht die Möglichkeit, dass wegen der Verletzung der Meldepflicht in beiden Staaten eventuell auch zweimal ein Bußgeld festgesetzt wird.“

Vielen Dank für das Interview!

Das Interview führte Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro.


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